Ach, Jesus, ob’s den wirklich gegeben hat! Das sind doch alles nur Mythen und Legenden! So ähnlich äußern sich manche Menschen darüber, wenn es um Jesus geht. Auf den ersten Blick scheint eine Verschwörungstheorie recht schlüssig, die sagt, die ersten Christen hätten Jesus als ihren Helden erfunden. Das Märchen hätten sie dann clever an die gutgläubigen Menschen verkauft und die Kirche erfunden, um Macht über die Menschen auszuüben. Oder aber, sie hätten dann selbst so fest an ihr Märchen geglaubt, dass sie selbst trotz Mord und Verfolgung nicht davon abzubringen waren. Diese Erklärungen sind alle zu kurz gegriffen und können die Historizität der zentrale Figur in den Evangelien und den Briefen des Neues Testaments nicht weg erklären.
Die Apostel hätten die Botschaft von einem gekreuzigten Messias nie erfunden. Wenn sie einen Helden gebraucht hätten, dann sicher keinen mit Dornenkrone, der den Tod eines Schwerverbrechers stirbt. Paulus selbst war sich dessen bewusst: „Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren gehen;“ (1. Korinther 1,18) Ausgerechnet einen gekreuzigten hätten sie erfinden sollen? Das Symbol der absoluten Schande, das die Römer für die Exekution von Sklaven verwendeten; darauf wäre kein noch so schlauer Marketingstratege gekommen und nie im Leben die Fischer, die als Erste vom Kreuz predigten. Kreuzigung war die schändlichste Form zu sterben. Der Körper wurde aufs Übelste massakriert. Eine Botschaft, die das Kreuz im Zentrum hat und die ihre Anhänger auch noch auffordert, ihr persönliches Kreuz auf sich zu nehmen, das eignet sich nicht als Stoff, um publikumswirksame Heldenmythen zu erfinden. Dazu kommt, dass die ersten Christen fast alle Juden waren, die einen Messias erwarteten, der die Herrschaft der Römer abschütteln und einen mächtigen jüdischen Staat aufbauen sollte.
Bis heute ist die wichtigste Tradition im Christentum das Gedenken an das letzte Abendmahl, indem man Brot und Wein zu sich nimmt, die an Jesu Tod erinnern. Es ist doch höchst merkwürdig, dass Jesus angeordnet hat, genau dieses Ritual immer zu wiederholen. Er hätte auch sagen können: Denkt jede Woche an die Bergpredigt! Oder: Lest jede Woche eine Wunder aus den Evangelien von mir und meditiert darüber! Das hätte sich viel besser geeignet, um sich an das Leben eines Helden zu erinnern als an diese schändliche Todesform.
Manche sagen nun, ja, es gab einen gewissen Jesus im ersten Jahrhundert, aber man muss die Wundergeschichten, insbesondere die Auferstehung, von dem historischen Jesus trennen. Mit anderen Worten: Es steckt ein wahrer Kern in den Geschichten um Jesus, aber solche Wunder wie die Auferstehung sind übertrieben. Klingt plausibel, doch wenn man sich mit Jesus befasst, dann wird einem klar, dass die Auferstehung nicht von seiner Person zu trennen ist. Die Auferstehung ist das, weswegen Jesus in aller Munde ist. Wie Paulus den Korinthern deutlich macht, wenn die Auferstehung nicht stattgefunden hat, dann sind die Christen die dümmsten und erbärmlichsten aller Menschen, weil sie ihr Leben dafür aufs Spiel setzen. Dann kann Jesus keine Sünden vergeben, und die ganze christliche Lehre hat keinen Sinn mehr. Wenn man die Geschichte betrachtet, dann muss man anerkennen, das irgendetwas passiert ist im ersten Jahrhundert, dass so viele Menschen einen neuen Glauben angenommen haben und das trotz massiver Verfolgung. Die ersten Christen waren keine Fanatiker, die irgend etwas glaubten, das Neue Testament berichtet von vielen zweifelnden Jüngern Jesu. Im Gegensatz zu allen anderen Weltanschauungen ist die christliche an eine Tatsache geknüpft, die man leicht hätte widerlegen können. Irgend jemand hätte den Leichnam Jesu allen zeigen können und die Bewegung wäre im Keim erstickt worden. Ohne die Auferstehung ist die Entstehung der Kirche nicht erklärbar.
Außerdem ist der Charakter Christi so einzigartig in der Geschichte, dass es einen Christus gebraucht hätte, um ihn zu erfinden. Wer kommt auf die höchsten moralischen Gedanken die es je in der Weltliteratur gab und verkauft sie dann auch noch als Wahrheit, obwohl er genau weiß, dass sie erfunden sind. Wie der Autor und Literaturwissenschaftler C.S. Lewis klar machte, wären die vier Evangelisten dann wohl die größten literarischen Genies aller Zeiten. Eine Erfindung des Charakters von Jesus wäre ein fast noch größeres Wunder als Jesus selbst. Conrad