Anfrage
Die berühmte Geschichte der Ehebrecherin, Johannes (8:1-11) fehlt in den ältesten und besten griechischen Quellen. Der weitgehende Konsensus unter den Textkritikern ist, dass diese pericope adulterae nicht original im Johannes Evangelium ist.
Antwort
Hallo ,
es ist in der Tat so, dass dieser Text in vielen alten Handschriften zum Johannesevangelium nicht vorkommt. Aus den Nachforschungen scheint aber festzustehen, dass es sich hier um eine alte Jesusüberlieferung handelt, die man bis ins 2.Jh zurückverfolgen kann (Zitat von Papias um 125 n.Chr.). Papias war Mitglied der Johannesschule in Kleinasien, also ein Schüler des Johannes.
Festzuhalten wäre, dass dieser Text vermutlich nicht von Johannes selbst verfasst wurde. Es bleibt die nächste Frage, ob dieser Text dann zum biblischen Kanon dazugehört?
Zur Kanonbildung gibt es folgende Ansätze:
1. Katholischer Ansatz: Die Kirche beschließt, was in den Kanon gehört. Auf dem Konzil von Trient wurde dieser Text explizit mit hineingenommen (aber auch die Apokryphen). So kommt ein katholischer Theologe Benedikt Schwank zu dem Schluss, dass trotz gegenteiliger Evidenz diese Perikope zum Johannesevangelium dazugehört
2. Pneumatischer Ansatz (Calvin): Der Heilige Geist bezeugt und zeigt die Grenzen der Schrift. Dieser Ansatz wurde aber auf die Textkritik nicht ausgeweitet.
3. Historischer Ansatz (Luther): Ein Buch oder Text ist in der Bibel, wenn sie von einem Apostel oder Apostelschüler verfasst worden ist und der orthodoxen Lehre nicht widerspricht.
Ich sehe verstehe den biblischen Kanon aus dem Ansatz Luthers heraus. Demnach lag dieser Text schon bei Papias (einem Johannesschüler vor), der ihn möglicherweise in das Evangelium einschleuste. Der historische Ansatz wäre gewahrt und auch der Inhalt widerspricht nicht anderen Texten der Bibel (so auch Calvin).
Mein Schluss wäre, dass dieser Text vermutlich nicht von Johannes stammt, aber durchaus kanonisch ist, d.h. in die Bibel gehört und nicht nur eine menschliche Hinzufügung ist.