Der Prolog des Johannesevangelium Teil 2
Johannes formuliert genauso wie 1. Mose 1,1. „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Hier wird also deutlich, daß nicht der Beginn einer bestimmten Entwicklung gemeint ist, ein genau definierbarer Zeitpunkt, sondern vielmehr die unbestimmbare Ewigkeit, die alle Zeiten umfaßt – einschließlich der unermeßlichen Vergangenheit. Ein Geschlechtsregister wäre in diesem Evangelium über den Sohn Gottes fehl am Platz.
Die Formulierung „Im Anfang war das Wort“ beschreibt die Präexistenz Jesu. Paulus formuliert diesen Tatbestand in Kolosser 1,16/17 folgendermaßen: „Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen, das Sichtbare und das Unsichtbare…; alles ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen; und er ist vor allem und alles besteht durch ihn.“
Das hier benutzte Verb „war“ steht zwar in der Vergangenheitsform, drückt jedoch Kontinuität aus. Das Wort, das jetzt ist, war schon das Wort, ehe die Schöpfung begann.
Für „Wort“ steht hier im griechischen der Begriff logos.
Der Bedeutungsumfang von logos im Neuen Testament ist sehr groß. Er reicht vom alltäglichen Sprachgebrauch, z.B. von „erkünstelten, verlogenen Worten“ (2. Pet. 2, 3) und „eitlen, leeren Worten“ (Eph. 5,6) bis hin zur tiefsinnigsten Beschreibung der Person des Sohnes in der Gottheit, dem Wort, das im Anfang war (Joh. 1,1-3.14; 1. Joh. 1,1). Logos hat eine sehr weit gestreute Bedeutung. So z.B. („Wort, Rede, Sprache, Erzählung, Aussage, Ausspruch, Gerücht, Sinn“ etc.)
Mit „Wort“ in Vers 1 ist Jesus gemeint. Auch in der Offenbarung 19,13 wird von Jesus gesagt, er sei das Wort Gottes. Bemerkenswert ist, dass Johannes hier Jesus den Begriff „Wort“ zuordnet, nicht „Leben“ oder „Licht“. Es erinnert an den Schöpfungsbericht, wo Gott spricht und es wird. Erst mit dem Sprechen wird der Gedanke konkret. Solange es nur ein Gedanke ist, geschieht nichts. Wir können nicht die Gedanken Gottes kennen, aber wir kennen sein Wort, mit dem er sich auf Jesus festgelegt hat. Dieses Wort steht fest; man kann darauf absolut sicher bauen. Ganz anders als bei den Menschen, die ihre Worte oft unbedacht formulieren und auch wieder zurücknehmen, steht Gott immer hinter seinem Wort. Mit den Worten: „Ich bin, der ich bin“, stellte sich Gott Mose vor (2.Mose 3,14). Damit drückt er seine Unveränderlichkeit aus, und sein Wort ist ein stabiles und dauerhaftes Fundament. LOGOS ist also kein unpersönliches Prinzip, sondern im Gegenteil eine lebendige, intelligente, aktive Persönlichkeit.
»Das Wort war bei Gott.« Jesus war eine eigene, von Gott unterschiedene Person. Er war nicht nur eine Idee, ein Gedanke oder irgendeine Art von Beispiel, sondern eine echte Person, die »mit Gott« zusammenlebte. »Das Wort war Gott.« Er lebte nicht nur »mit Gott«, sondern war selbst Gott.
Das Wort war bei Gott, d. h., es hatte innerhalb der Trinität eine ganz besondere Beziehung ewiger Gemeinschaft mit Gott. „Bei“ ist die Übersetzung des griechischen pros, hier im Sinne von „Gemeinschaft haben mit“ (vgl. dieselbe Bedeutung von pros in Joh 1,2; 1. Thess 3,4; 1. Joh 1,2). Dann fügt Johannes hinzu: Gott war das Wort.
Die Präposition „pros“ die wir mit „bei“ übersetzen, ist die gleiche, die wir auch in Markus 6, 3 finden, wo die Einwohner Nazareths ihrer Verwunderung über Jesus mit den Worten Ausdruck geben: „Ist er nicht der Zimmermann, Marias Sohn, und der Bruder des Jakobus und Joses und Judas und Simon? Sind nicht auch seine Schwestern alle hier bei uns?“ Durch den Gebrauch des Wortes „bei“ wird in diesem Fall die Gemeinschaft mit anderen Menschen bezeichnet. In Johannes 1, 1 bedeutet das Wort „bei“ aber: Gemeinschaft haben, „auf gleicher Höhe sein“ mit Gott.
Die dritte Eigenschaft ist die der Göttlichkeit. Das griechische Wort theos, das wir mit „Gott“ übersetzen, wird hier ohne den Artikel gebraucht. Im zweiten Teil des Satzes finden wir dann aber den Artikel: „Das Wort war bei dem Gott Wenn der Artikel benutzt wird, liegt der Nachdruck auf Individualität: Gott ist eine Persönlichkeit. Wird auf den Artikel verzichtet, liegt die Betonung mehr auf den Eigenschaften: Gott ist eine Seinsform.
Verwendete Literatur
Johannes Das Evangelium des Glaubens Merrill C. Tenney
Der Prolog des Johannesevangeliums ( Johannes 1,1-18) Joachim Jeremias
Multimedia Bibel
Kommentar zu dem Evangelium des Johannes Frédéric Godet
Brockhaus Kommentar zur Bibel III
Lutherbibel 1984