Der atheistische Philosoph Bertrand Russell wurde einmal gefragt, was er machen würde, wenn er nun tatsächlich vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen müsste und Gott ihn fragen würde: „Warum hast du mir nicht geglaubt?“ Russell entgegnete: „Ich würde sagen, keine ausreichenden Indizien, Gott, keine ausreichenden Indizien!“ So wie Russell denken viele Menschen in unserer westlichen Kultur.
Aber was bedeutet es, wenn man sagt, es gäbe keine ausreichenden Indizien oder Beweise? Sind sie nicht überzeugend genug, um jemanden zum Christen zu machen? Die meisten Menschen leben einfach so dahin und kümmern sich nicht groß um Gott und wenn doch dann einen modischen, individuellen Gott, dessen Bild sie sich selbst gemacht haben, aber der Gott des Christentums ist hochgradig unpopulär.
Deswegen sind die meisten Menschen sich gar nicht bewusst, dass es durchaus Indizien für das Christentum gibt. Um diesen Status der Ignoranz zu rechtfertigen, zitiert man Kant oder andere Philosophen aus dem 18. Jahrhundert und meint, damit sei der Fall abgeschlossen und das Christentum hinwegerklärt. Dabei sind sie oft völlig ignorant gegenüber den Indizien für die Evangelien. Es ist ja auch nicht allzu verwunderlich, denn meistens sind Menschen nur in einem besonderen Gebiet Experten und kennen sich in anderen Gebieten überhaupt nicht aus. Wenn Menschen dann sagen, es gäbe zu wenig Indizien, meinen sie in Wirklichkeit, es gibt zu wenig Indizien um mich aus meiner Gleichgültigkeit herauszubewegen. Die Haltung lässt sich vielleicht so ausdrücken: „So lange es mich nicht zwingt, umzudenken, bleibe ich einfach weiter in meinem bisherigen Zustand.“ Natürlich kann man das Christentum nicht beweisen, aber warum sollte es beweisbar sein?
Die Kenntnis über Gott hat mit geistlichen und moralischen Faktoren zu tun. Ein Mensch kann gut in Mathematik sein, oder in Physik, Biologie, Literaturwissenschaften, sich gut in Geschichte auskennen oder gar in Theologie und trotzdem Gott nicht kennen. Nach der Bibel zeigt Gott sich den Menschen, die ihn ernsthaft suchen. Jesus sagt: „Sucht und ihr werdet finden!“ Gott zwingt sich niemandem auf. Er hat genügend Indizien über sich selbst für diejenigen, die ihn mit offenem Herzen suchen, aber es bleibt auch vage genug für diejenigen, die es vorziehen, sich nicht zu öffnen. Es gibt also nicht genug Indizien, um jeden Menschen absolut zu überzeugen. Aber gibt es genug Indizien, um den christlichen Glauben vernünftig erscheinen zu lassen? Selbstverständlich!
Es gab einen Wandel in der Philosophie der sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzog, besonders im angelsächsischen Raum. In den Vierziger und Fünfziger Jahren waren fast alle Philosophen der Meinung, Aussagen über Gott seien sinnlos. Diese Haltung kam in den Sechziger Jahren zu ihrem Höhepunkt mit der Gott-ist-tot-Theologie. Man ging davon aus, dass der Glaube an Gott mit zunehmender Bildung und Technologisierung aussterben würde. Ab den Siebziger Jahren jedoch feierte Gott so etwas wie ein Comeback im Bewusstsein. Es gab wieder ein riesiges Interesse an Religionsphilosophie und Argumenten für die Existenz Gottes. Dies geschah wohlgemerkt nicht unter Theologen oder gewöhnlichen Gläubigen, sondern unter Philosophen. Viele neue Erkenntnisse kamen aus der Kosmologie. Die Indizien für den Urknall z.B. deuten darauf hin, dass dieser Anfang von irgendwoher kommen muss. Die Feinabstimmung des Universums ist ein weiteres Indiz für die Existenz Gottes. In den vergangenen dreißig Jahren sind Wissenschaftler zu der Erkenntnis gekommen, dass die Bedingungen für den Urknall unglaublich fein abgestimmt sind für das menschliche Leben. Die Präzision und Komplexität übersteigt das menschliche Vorstellungsvermögen.
Was aber ist mit Indizien speziell für den christlichen Gott? Ist es vernünftig an Jesus so zu glauben, wie er in den Evangelien beschrieben wird? Die meisten Wissenschaftler, die sich mit dem Neuen Testament beschäftigen, sind sich heute darüber einig, dass Jesus eine historische Person war, die mit unglaublicher Autorität und unerhörten Ansprüchen aufgetreten ist. Demnach war Jesus entweder das, was er behauptete zu sein, nämlich Gottes Sohn oder ein größenwahnsinniger Scharlatan. Letzteres klingt nicht sehr plausibel. Ein weiteres Indiz dafür, das Jesus derjenige war, der er behauptete zu sein, ist die Auferstehung. Viele Gelehrte sind sich heute darin einig, dass die Auferstehung die plausibelste Erklärung für die Entstehung des Christentums ist. Die Überzeugung der ersten Christen bezüglich der Auferstehung war kein Wunschdenken oder eine Folge ihres festen Glaubens. Genau das Gegenteil scheint der Fall gewesen zu sein. Die Auferstehung ist die Erklärung, weshalb aus dem verängstigten Haufen der Jünger tiefgläubige Menschen wurden.
Nun könnenArgumente und Indizien zwar jemandem hilfreich sein, aber Gott kennenlernen geschieht auf einer anderen Ebene. Jesus selbst sagt: „Niemand kommt zu mir, es sei denn der Vater, der mich gesandt hat, ziehe ihn“ und „Wenn ich erhöht bin, werde ich alle Menschen zu mir ziehen“. Unser Suchen ist es also nicht, was im Vordergrund steht. Gott ist derjenige der uns sucht. Es liegt an uns, ob wir unsere Herzen öffnen oder nicht. Wir müssen uns letztendlich nicht mit Argumenten auseinandersetzen, sondern mit Gott selbst.
Conrad