Viele ernsthafte … Christenmenschen fühlen sich ja gerade aus der Welt heraus errettet, wie Noah aus der Sintflut in seiner Arche. Wäre es nicht Sünde, sich da noch in der sündigen Welt zu engagieren? Mission, Liebestätigkeit, Barmherzigkeit – ja, das wurde und wird bewirkt, das sind Inseln der Rettung im Ozean einer verlorenen Welt. Aber politisches Engagement als Veränderung dieser Welt, aus der heraus man ja gerade gerettet wurde, scheint nach dieser Logik des Heilsweges sinnlos.
Bekehrt und wiedergeboren werden kann ohnehin nur der einzelne, aber nicht eine Gesellschaft. Und ist diese Gesellschaft, so wie sich sich heute darstellt, nicht ganz und gar auf dem Wege des Bösen? Fallen nicht schon die Schatten der Endzeit auf diese Welt? Steht nicht die Erwartung der Wiederkunft Christi vor der Tür? Warum soll man eine Welt verändern, die dem Endgericht entgegengeht?
Ist darüber hinaus Politik nicht ein schmutziges Geschäft? Geht es da nicht um gottlose Macht, um faule Kompromisse, Anwendung von Lug, Trug und List? Bringt politisches Leben nicht letztlich doch verweltlichtes Leben? Und wie soll man denn die Bergpredigt mit ihrer Verkündigung der Feindes- und Nächstenliebe und des Machtverzichtes mit Politik, in der es doch immer um Macht geht, in Einklang bringen?
Und wer will denn in der Gemeinde überhaupt etwas von Politik hören? Ist nicht das persönliche Heil wichtiger als das grausam Alltägliche politischer Querelen? Sind die Bekehrten und Wiedergeborenen nicht letztendlich Schutzsuchende, die Geborgenheit suchen, aber eben nicht verantwortlich entscheiden und handeln wollen?
… Weil Christen nicht auf einer Insel der Seligen, sondern mitten in einer christentumsverfremdeten Gesellschaft leben, ist die politische Existenz des Christen eine Tatsache, und die Verneinung der politischen Verantwortung pure Heuchelei. In einem demokratischen Staatswesen tragen Christen, ob sie es nun wollen oder nicht, Mitverantwortung für das sogenannte weltliche Regiment. Wer sich dieser Aufgabe entzieht, wird seiner Berufung nicht gerecht. Er flieht vor einem von Gott gegebenen Auftrag, so wie Jona vor dem Auftrag floh, die Stadt Ninive zur Umkehr zu rufen.
Georg Huntemann. Gottes Gebot oder Chaos – was bringt Europas Zukunft? Edition VLM: Lahr 1992. (47-49)
Ich denke, der Egoismus ist dem Menschen zunächst einmal zutiefst eigen. Das ist keine schöne Erkenntnis, aber wenn man ehrlich mit sich selbst ist, wird man dieses einsehen. Möglicherweise ist der Egoismus ein Teil der Erbsünde, den wir mit uns tragen.
Wenn wir diesen Egoismus aber ganz darauf ausrichten, das ewige Seelenheil zu erlangen und die „Rezepte“, die der HERR uns dazu gegeben hat (Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe), befolgen, richtet diese Art des Egoismus wohl keinen Schaden an. Einfach ist das keinesfalls, diesen Weg zu gehen.
Zunächst einmal sollte letztlich jede/r an dem Platz an dem sie/er in der Welt gestellt ist seine Aufgaben getreu erfüllen. Man kann genau an diesem Platz, und sei er noch so gering, „heilig“ werden.
Bei weitem nicht jedem ist es gegeben, aktiv in der Politik mitzumischen. allein schon wegen des nicht bei jedem gleich belastbaren Nervenkostüms.
Wenn sogar bei einer Tätigkeit die Gefahr droht, Schaden an der Seele zu nehmen, so ist es besser sich abzuwenden. Christus sagt: „Was hülfe es dem Menschen, die Welt zu gewinnen, wenn er [dadurch] Schaden an seiner Seele nimmt.“
Insofern sehe ich es nicht als zu verurteilenden Heilsegoismus an, sich dem aktiven politischen Geschäft zu verweigern, sondern vielmehr als Klugheit, wenn so etwas die eigenen seelischen und moralischen Kräfte zu übersteigen droht.
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Interessanter Gedanke
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