Aus 1. Mose 2,7
erfahren wir, dass Gott den Menschen zu einer lebendigen Seele erschaffen hat.
Für Seele steht das hebräische Wort näfäsch. Dieses wird häufig auch mit „Leben“
übersetzt. Damit ist ein wichtiger Sachverhalt getroffen. Die Seele ist nicht ein
Teil im Menschen, sondern Seele steht für Leben mit all seinen Fassetten: die
Begrenztheit und Bedürftigkeit, das Erleben von Glück und Trauer usw.
Wenn Gott der Schöpfer der Seele ist, dann kennt er die seelischen Bedingungen
und Stimmungen des Geschöpfs wie kein anderer. Dies schlägt sich in einer
Aussage wie Ps 139,1 nieder: „Herr, du erforschest mich und kennst mich.“ Die
Konsequenzen dieser Tatsache werden in Ps 139 ausgeführt.
Da Gott die Seele kennt, lässt er die Äußerungen der seelischen Empfindungen zu.
Die Möglichkeit zum Gebet gehört mit zur Seelsorge Gottes. Der Mensch darf Gott
sagen, was ihn bewegt, und zwar ganz offen und ehrlich. Dies gilt für alle
Gebetsformen vom Lob bis zur Klage.
Besonders stark kommt dies im AT in den vielen Klagen zum Ausdruck. In einer
großen Ehrlichkeit klagen Menschen Gott ihr Leid und ihr Unverständnis über
Gottes Führungen. Die Möglichkeit zur Klage dient der Seelenhygiene, weil
gesagt werden darf, was gesagt werden muss. Und es kommt bei Gott an die
richtige Adresse. Konkrete Beispiele zeigen auch, dass Gott auf die Klage
reagiert und antwortet. So stehen im Buch Hiob die Gottesreden (Hi 38,142,6) im
Schlussteil des Buches. Gott antwortet Elia nach seiner Flucht zum Sinai (1Kön
19,918). Auch auf Jeremias Klagen geht Gott ein (Jer 11,21-23; 12,5-6;
15,19-21).
Gott sorgt für den Menschen
Im Begriff „Seelsorge“ steckt das Wort „Sorge“. Der Mensch ist ihm nicht
gleichgültig. Die Fürsorge Gottes hat vielfältige Aspekte. Einige seien hier
benannt. Gott stellt für den Menschen die Dinge zur Verfügung, die er zum Leben
braucht, wie z.B. Essen und Trinken. Gott gibt dem Menschen die Fähigkeit,
Dinge zu produzieren, die er braucht: Kleider und Häuser. Gott stellt den
Menschen in eine Gemeinschaft auch unter dem Aspekt der gegenseitigen Hilfe
durch unterschiedliche Gaben. Gott sorgt für den Menschen, indem er ihm seine
Gemeinschaft anbietet. Der Gott der Bibel ist ein Gott der Offenbarung. Er geht
auf den Menschen zu und ermöglicht Gemeinschaft mit ihm. Das Wesen Gottes ist,
dass er mit Menschen auf dem Weg ist. Dies kommt z.B. in der Gottesbezeichnung
„Gott Abrahams“ zum Ausdruck und gipfelt in der Aussage von Jesus: „Ich bin bei
euch alle Tage“ (Mt 28,20).
Die Fürsorge Gottes zeigt sich in seiner Gegenwart und Führung auch auf schwierigen
Wegstrecken. Ps 23 macht dies deutlich, wenn gerade für den Weg durch das
finstere Tal die Vertrauensaussage gemacht wird: „… fürchte ich kein Unglück,
denn du bist bei mir“ (Ps 23,4).
Gleichwohl endet Gottes Fürsorge nicht vor den Toren der Vergänglichkeit. Er
erlöst die Seele aus ihrer größten Krise, nicht mehr zu sein und zu leben.
Dafür steht Jesus Christus als der auferstandene Herr.
Dr. Hartmut Schmid ist Vorsitzender des
Liebenzeller Gemeinschaftsverbandes und Honorarprofessor für Altes
Testament an der Internationalen
Hochschule Liebenzell
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