Ich habe
festgestellt, dass Jesus Christus der Schlüssel zur Freiheit ist. Und das ist
der fünfte Grund, weshalb ich Christ bin. Viele Menschen sind regelrecht
getrieben von der Suche nach Freiheit. Bei den einen geht es um die nationale
Freiheit, um die Emanzipation von einem kolonialen oder neokolonialen Joch. Für
andere ist es die bürgerliche Freiheit, die Freiheit von Armut, Hunger und
Arbeitslosigkeit. Doch für uns alle kennzeichnend ist vor allem die Suche nach
persönlicher Freiheit. Selbst diejenigen, die am entschiedensten für jene
anderen Freiheiten kämpfen, wissen oft, dass sie persönlich nicht frei sind.
Sie fühlen sich frustriert, unausgefüllt und unfrei. John Fowles, der gefeierte
britische Romanautor, wurde einmal gefragt, ob es in seinen Büchern ein
besonderes Thema gebe. «Ja», erwiderte er, «Freiheit. Wie man Freiheit erlangt.
Das beschäftigt mich. Davon handeln alle meine Bücher.»
Und Freiheit ist ein großartiges christliches Wort. Jesus Christus wird im
Neuen Testament als der große Befreier der Welt gerühmt. Er sagte: «Ich rufe
Freiheit aus für die Gefangenen» (Lukas 4,18), und fügte später
hinzu: «Wenn euch also der Sohn Gottes befreit, dann seid ihr wirklich
frei» (Johannes 8,36). Ähnlich schrieb der Apostel Paulus: «Durch Christus sind
wir frei geworden, damit wir als Befreite leben» (Galater 5,1).
Im Grunde ist «Freiheit» lediglich ein moderneres Wort für «Erlösung». Durch
Jesus Christus erlöst zu sein, heißt nichts anderes, als befreit zu sein. Wenn
man allerdings in einem Gespräch das Wort «Erlösung» fallen lässt, wird es
manch einem schlichtweg peinlich, und er wechselt schnell das Thema. Andere
reagieren gelangweilt. Sie gähnen, statt rot zu werden. Für sie gehören
Ausdrücke wie «Sünde» und «Erlösung» zu einem religiösen Wortschatz, der ihrer
Meinung nach heute antiquiert und überholt ist. Vielleicht fragt sich manch
einer aber auch verwirrt, was denn um alles in der Welt wohl unter «Erlösung»
zu verstehen ist. Bei «Freiheit» sind hingegen alle sofort und mit ganzem
Interesse bei der Sache.
Es gibt eine schöne Geschichte über B. F. Westcott, einen angesehenen Professor
für Neues Testament an der Universität Cambridge. Er war ab 1890 Bischof von
Durham und wurde eines Tages im Bus von einer jungen Soldatin der Heilsarmee
angesprochen. Ohne sich von den Gamaschen Seiner Exzellenz (wie sie die
Bischöfe damals noch trugen!) abschrecken zu lassen, fragte sie ihn ungeniert,
ob er erlöst sei. Mit einem Augenzwinkern antwortete der Bischof: «Nun, meine
Liebe, das kommt darauf an, was Sie meinen. Meinen Sie sōzomenos oder
sesōsmenos oder sōthesomenos?» (Das sind Gegenwarts-, Vergangenheits- und
Zukunftsform des griechischen Verbs sōzō – «retten, erlösen».)
Meine Hoffnung ist, dass ich Sie mit diesem Kapitel weder in Verlegenheit
bringe noch langweile, noch verwirre. Ich wünschte, wir könnten dieses
herrliche Wort «Erlösung» wiedergewinnen und ihm seinen Platz zurückgeben; denn
es ist ein zentraler biblischer Begriff (wir können ihn nicht einfach über Bord
werfen) und ein umfassender Ausdruck (er beinhaltet die ganze Absicht Gottes).
Der Apostel Paulus bekannte: «Ich schäme mich nicht für die rettende Botschaft.
Sie ist eine Kraft Gottes, die alle befreit [erlöst/rettet], die darauf
vertrauen; zuerst die Juden, aber auch alle anderen Menschen» (Römer 1,16).
Ich erinnere mich noch gut, wie ich als frisch gebackener Christ diesen Vers
vorgelesen bekam und man mir die so genannten «drei Zeitformen der Erlösung»
erklärte.
Das hörte sich so an:
Erstens bin ich in der Vergangenheit erlöst (oder befreit) worden von der
Strafe der Sünde durch den gekreuzigten Erlöser.
Zweitens werde ich in der Gegenwart erlöst (oder befreit) von der Macht der
Sünde durch den lebendigen Erlöser.
Drittens werde ich in der Zukunft erlöst (oder befreit) werden von der
Gegenwart der Sünde durch den kommenden Erlöser. John Stott Die große Einladung
über die Selbstliebe (Brunnen, 2004, S. 84–86)