Martin Luther kannte das Ideal der schmerzfreien Empfindungslosigkeit nicht aus dem Buddhismus, wohl aber aus der antiken Philosophie und aus der quietistischen Mystik, die er im Kloster studiert hatte. Doch der Reformator wendet sich entschieden gegen eine solche Zielsetzung der leidfreien Unberührbarkeit: „Sie wollen eitel Steine und Klötze aus uns machen, daß man sollte tränenlosen Auges dastehen, es stürbe gleich Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter. Das aber ist eine erdichtete Tugend und nicht der göttliche Wille.” Der Reformator weist in dem Zusammenhang hin auf Jesus in Gethsemane, der den Schmerz angenommen und ihm standgehalten hat „unter Gebet und Flehen, mit starkem Geschrei und Tränen”, wie der Hebräer-Brief sagt (5,7). Adolf Köberle