Gottesdienst ist kein Angebot, sondern Aufgabe

„Der Gottesdienst ist und bleibt das Herzstück unseres christlichen Glaubens. Die Herzkammern sind Predigt, Gemeinschaft, Abendmahl und Gebet. Auch wenn wir meinen, der Gottesdienst sei ein Blinddarm, der keine Bedeutung mehr habe, es bleibt dabei: Der Gottesdienst ist das Herz. Wo die Botschaft von der Liebe Gottes in seinem sich opfernden Sohn weitergesagt wird, dort ist der Herzton der Gemeinde. Wo das Brotbrechen im Abendmahl geschieht, dort ist das Herzstück der Gemeinde. Und wo das Gebet als Brückenschlag zwischen Diesseits und Jenseits geübt wird, dort ist der Herzrhythmus der Gemeinde. Also weg mit der Symptomtherapie! Wo die gottesdienstlichen Herzfunktionen in Ordnung sind, funktionieren auch ihre Glieder. Sie fangen an, herzhaft zu leben, herzlich zu lieben und herzerquickend zu loben.“
So wichtig alle Akademien sind: Wo nicht das Leben in der Gemeinde mit dem Gottesdienst lebendig ist, dort ist alle Arbeit sinnlos. Der Gottesdienst ist kein Erbauungsstündchen, sondern Lob, Preis und Anbetung des lebendigen Gottes.“
Aus dem frühen Christentum sind örtliche Versammlungen kleinerer Gruppen bekannt, die sich trafen, um biblische Texte zu hören und das Abendmahl zu feiern. Eine regelmäßige sonntägliche Versammlung ist überliefert, im Jakobus-Brief liest man von einer Krankensalbung, in anderen Texten des Neuen Testaments von Gebeten zu bestimmten Tageszeiten.

„Das Meer, mag es toben, diesen Felsen wird es nicht zerstören. Der Sturm, mag er heulen: Christi Schiff wird nicht versenkt werden!“ Johannes Chrysostomos

Als der Kirchenvater Johannes Chrysostomos auf Betreiben der Kaiserin Eudoxia Ende Sommer 403 zum ersten Mal von Konstantinopel aus in die Verbannung geschickt wurde, fand er dafür folgende Worte:
Viele Wogen, furchtbare Stürme! Aber wir fürchten nicht, dass wir zugrunde gehen; denn wir stehen auf einem Felsen. Das Meer, mag es toben, diesen Felsen wird es nicht zerstören. Der Sturm, mag er heulen: Christi Schiff wird nicht versenkt werden! Und wahrhaftig, was sollten wir fürchten? Den Tod? „Das Leben ist für mich Christus, und das Sterben Gewinn“ (Philipper 1,21). Die Verbannung? „Des Herrn ist die Erde und ihre Fülle“ (Psalm 24,1). Den Verlust der Güter? „Wir haben nichts in die Welt hineingebracht, so ist es offenbar, dass wir auch nichts hinaus bringen können“ (1. Timotheus 6,7). Was die Welt Schreckliches hat, ich verachte es. Was die Welt Reizendes hat, ich spotte dieser Dinge. Ich zittere nicht vor Armut, ich verlange nicht nach Reichtum. Ich bebe nicht vor dem Tod, ich hänge nicht am Leben, es sei denn um eurer Seelen willen. Niemand wird uns losreißen von unserer Liebe zueinander. Was Gott vereint hat, werden die Menschen nicht trennen. […] Baue ich vielleicht auf eigene Kraft? Nein! Ich besitze die Verheißung des Herrn: Ich trage seine Handschrift bei mir, auf diese stütze ich mich wie auf einen Stab. Mag der ganze Erdkreis erschüttert werden. Ich halte den Schutzbrief meines Herrn in der Hand; ich lese seinen Inhalt, der mir eine Mauer und ein unbezwingbarer Schutzwall ist. Soll ich euch den Schutzbrief meines Herrn vorlesen? „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Matthäus 28,20). Christus ist bei mir! Wen soll ich fürchten?
Quelle: Sermo antequam iret in exilium, PG 52, 427-432. Von Johannes Chrysostomos

5 Zitate von Dietrich Bonhoeffer zu Gemeinde:

„Christliche Gemeinschaft ist eine der größten Gaben, die Gott uns gibt.“
„Kein Mensch baut die Kirche, sondern Christus allein. Wer die Kirche bauen will, ist gewiss schon am Werk der Zerstörung.“
„Es geht in der christlichen Gemeinschaft mit dem Danken, wie sonst im christlichen Leben. Nur wer für das Geringe dankt, empfängt auch das Große.“
„Nicht in Organisationen, nicht in Dogmen, nicht in Liturgien, nicht in frommen Herzen wird die Einheit der Kirche bestehen, sondern im Wort Gottes, in der Stimme Jesu Christi.“
„Zur Freiheit des Andern gehört all das, was wir unter Wesen, Eigenart, Veranlagung verstehen, gehören auch die Schwächen und Wunderlichkeiten, die unsere Geduld so hart beanspruchen, gehört alles, was die Fülle der Reibungen, Gegensätze und Zusammenstöße zwischen mir und dem Andern hervorbringt.“
Zitate von Michael Kotsch
Gemeinde ist Himmel und Hölle, zwischen biblischem Ideal und realer Umsetzung. In jedem Fall ist Gemeinde notwendig.
Oft spielen die Umsetzung und die menschlichen Eigenheiten und Begrenzungen eine große Rolle, wie Gemeinde wirkt und erlebt wird.

Gemeinde! Kein Single- Christsein

Ziemlich deutlich steht der Trend in den westlichen Industrieländern momentan auf Single- Dasein. Große Familien werden zuweilen durchaus bewundert, gleichzeitig aber auch irgendwie bemitleidet. So ganz allein möchte natürlich auch niemand wirklich sein. Am beliebtesten ist momentan das Streben nach einer größtmöglichen eigenen Unabhängigkeit und einem individuellen Freiraum mit stetiger Rückzugsmöglichkeit. Gleichzeitig aber genießt man es auch, gelegentlich in der großen Masse mitzuschwimmen, sich an dem gemeinsamen Erlebnis zu berauschen. Dazwischen gibt es den eher kleineren Kreis der guten Freunde, mit denen man sich gern und häufig trifft. Zumeist sind das Leute ähnlichen Alters, die locker drauf sind, mit denen man sich durch ähnliche Interessen und Meinungen verbunden weiß. Unverpflichtend nimmt man dann auch gerne noch am Leben anderer, irgendwie spannender Menschen teil, aus der Entfernung natürlich, zumeist über das Internet. Diese Lebensweise ist postmodern, konsumorientiert und vor allem auf das eigene Wohlbefinden ausgerichtet. Hier liegt oft das am meisten erstrebte Ziel des Lebens.
Diese Perspektive prägt seit einigen Jahre natürlich auch die christliche Welt. Nähe zu Gott suchen viele deshalb in individuellen Gefühlen und Erlebnissen. Große Veranstaltungen vermitteln dazu den Eindruck des Feierns und einen religiösen Rausch. Dazwischen hat der postmoderne Christ eine kleine Gruppe Gleichgesinnter, mit denen man locker austauscht und sich zumeist auch gut versteht, weil man sowieso eine grundsätzlich ähnliche Lebensauffassung teilt. Gemeinde fällt dabei irgendwie mehr oder weniger unter den Tisch. Entweder wird sie dann zu einer Art religiösem Freundeskreis oder zum Szene- Treff, der den eigenen Lebensstil auch noch religiös ausgestaltet, oder zur wenig verpflichtenden Mega- Church. Das kann man natürlich alles so machen. Dem von Gott erdachten Konzept der Gemeinde entspricht das allerdings nicht.
Neutestamentliche Gemeinde ist eine große geistliche Familie mit viel Nähe, gegenseitigen Verpflichtungen, aber auch mit starker Unterstützung. Deshalb spricht man sich dort traditionell auch als „Bruder“ und „Schwester“ an. Natürlich gibt es auch in einer großen realen Familie gelegentlich Spannung, weil beispielsweise unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen aufeinanderstoßen. Und doch ist es dieses Modell für das sich Gott bei seinem Projekt Gemeinde entschieden hat. Christen sind eben keine Teilhaber eines Unternehmens, das auf Gewinn und Optimierung getrimmt ist. Sie sind auch keine Mitglieder eines Vereins, der auf Freizeitgestaltung und die Pflege gemeinsamer Interessen ausgerichtet ist. Der von Gott vorgesehene Lebensraum für Christen ist die geistliche Großfamilie, aus der man sich bei Spannungen oder Langeweile auch nicht einfach so verabschieden kann.
Abgesehen von Familie benutzt Gott auch noch andere eindrucksvolle Bilder, um Gemeinde zu umschreiben. Da wird Gemeinde z.B. als großes Haus, bzw. als Tempel beschrieben (Eph 2, 19-22; 1Petr 2,4+5). Jeder einzelne Christ ist dann ein Stein dieses prächtigen Gebäudes. Natürlich ist auch bei einem realen Tempel nicht jeder Stein und jede Mauer gleich eindrucksvoll und scheinbar wichtig. Mit jedem fehlenden Stein aber verliert das Gebäude an Pracht und Funktionsfähigkeit, bis es schließlich zusammenfällt oder nur noch als Ruine weiteresistiert. Mit diesem Bild des geistlichen Tempels will Gott deutlich machen, dass jeder einzelne Christ für das richtige Funktionieren der Gemeinde wichtig ist und dass die Bedeutung des eigenen Steins zumeist eben nur in seiner Verbindung mit dem ganzen Bauwerk erkennbar wird. Der Stein, der sich selbst aus dem Gebäude entfernt, schadet damit nicht nur sich selbst, sondern natürlich auch dem Gesamtkonzept.
Noch beeindruckender ist das biblische Bild des menschlichen Körpers für eine christliche Gemeinde (1Kor 12, 12-27; Röm 12, 4-8). Ganz plastisch wird da die Unterschiedlichkeit der einzelnen Organe und weiteren Bestandteile des Körpers beschrieben. Dann werden mehrere, natürlich rhetorische Fragen gestellt.
 1. Was wäre, wenn es im ganzen Körper nur ein Organ gäbe oder viele gleiche Organe im Verbund; wenn also der ganze Mensch nur aus lauter Augen, Ohren oder Mündern bestünde? Einerseits wäre ein solcher Körper wohl ziemlich langweilig, zum anderen auch weitgehend funktionsunfähig. Ähnlich ist es nach Gottes Auskunft mit einer Gemeinde, in der alle nur die ihnen wichtigen Aufgaben übernehmen oder bestimmen wollen, was zu tun ist. Eine solche Gemeinde kann natürlich nicht funktionieren. In ihrer Einseitigkeit fehlen dann absolut totwendige Teilbereiche. Deshalb hat Gott jeden einzelnen Christen befähigt und durch den Heiligen Geist beschenkt, aber eben nicht immer mit der Fähigkeit, die sich diese Person vielleicht sehnlichst wünscht. Auch die Aufgaben in der Gemeinde sind nicht nach Vorlieben verteilt. Für die ordnungsgemäße Funktion eines Körpers und einer Gemeinde aber braucht es alle Organe bzw. alle Christen in ihrer jeweiligen Funktion, mit ihren gottgeschenkten Fähigkeiten.
 2. Wie wäre es, wenn sich plötzlich einzelne Organe aus dem restlichen Körper verabschieden würden, weil sie überzeugt sind zu wenig Aufmerksamkeit zu erhalten oder, weil sie den Eindruck haben, mehr zu leisten als zu bekommen. Auch ein solcher Körper hätte ohne Herz, Gehirn oder Niere wohl kaum realistische Überlebenschancen. Wenn sich nur ein paar Finger oder ein Auge verabschieden würden, dann könnte der restliche Körper zwar überleben, aber nur stark eingeschränkt und weniger einsatzfähig. Ebenso ist es nach Gottes Auskunft mit einer Gemeinde, aus der Christen sich verabschieden, weil sie sich zu wenig geschätzt fühlen, nicht genügend beachtet werden oder zu viel Arbeit investieren müssten. Vielleicht gefallen ihnen auch die anderen Organe bzw. Christen nicht, mit denen sie in einem Körper verbunden sind. Was sie dabei aber nicht beachten, ist der Schaden, den sie mit ihrem Abschied aus der Gemeinde bei sich und anderen anrichten. So wenig wie ein einzelnes Organ dauerhaft ohne den restlichen Körper überleben kann, so wenig kann ein einzelner Christ demnach dauerhaft ohne den Verbund mit anderen Christen existieren.
Eigentlich bräuchte es keine ausführliche Begründung für die absolute Notwendigkeit der Gemeinde. Nötig ist nur das  Vertrauen in die ziemlich eindeutigen Aussagen Gottes. Manches jedoch ist nach Auskunft der Bibel durchaus auch mit vernünftigen Argumenten nachvollziehbar:
I. Gott hat jedem Christen Gaben des Heiligen Geistes anvertraut, die in der Gemeinde eingesetzt werden sollen. Die Gaben des Dienstes, der Lehre oder der Seelsorge machen wenig Sinn, wenn der gemeindliche Rahmen fehlt für den sie gedacht sind (1Kor 12, 7; Eph 4, 11-13). Es geht in der Gemeinde nicht nur um das, was ein Christ bekommt, wovon er selbst profitiert, sondern auch darum, was er notwendig für andere leisten kann und soll.
II. Die geistlichen Früchte wie Geduld, Liebe, Langmut, Demut usw. brauchen gerade die manchmal nervigen Glaubensgeschwister an denen sie eingeübt werden können (Gal 5, 22; Eph 4, 1-7). Positive Charakter- Veränderung braucht zumeist Herausforderungen im näheren Lebensumfeld.
III. Manche Aufgaben wie Diakonie, Weltmission und Schulung lassen sich überhaupt nur oder zumindest wesentlich besser in der größeren Gruppe bewältigen.
IV. Ob man es einsieht oder nicht, jeder Christ benötigt auch immer wieder Korrektur und Unterstützung. Dabei fallen den gleichgerichteten Freunden mögliche Defizite häufig nicht so schnell auf, wie den etwas entfernter stehenden Glaubensgeschwistern.
Das Leben in der Gemeinde, als überschaubarer und verpflichtender Gruppe fordert natürlich heraus und nervt gelegentlich auch. Es entspricht weder immer den unmittelbar zu spürenden Bedürfnissen noch den Idealen der heutigen Zeit. Und doch kann echtes geistliches Leben nur in den von Gott konzipierten Gemeinden stattfinden, die mehr sind als religiöser Event oder privater Freundeskreis. (von Michael Kotsch)
https://xuvu7p.podcaster.de/2023/03/10/gemeinde-kein-single-christsein/

Gemeindewachstum und Götzendienst

Drei Statements von Driscoll, Schaeffer und Packer
Aus einer Predigt, die Mark Driscoll im Jahr 2006 hielt.
„Ich bin ein sehr kämpferischer Typ.
Ich will, dass die Gemeinde jedes Jahr wächst.
Ich will, dass mein Wissen wächst.
Ich will, dass mein Einfluss wächst.
Ich will, dass unser Mitarbeiterstab wächst.
Ich will, dass unsere Tochtergemeinden wachsen.
Ich will alles – weil ich gewinnen will.
Ich will nicht einfach dort stehenbleiben, wo ich jetzt stehe.
Ich will, dass nichts dort stehenbleibt, wo es heute steht.
Und deshalb sind Erfolg und Ruhelosigkeit, Produktivität und Sieg das, was mich ständig antreibt.
Ich – Das ist mein persönlicher kleiner Götze, und er funktioniert ziemlich gut in einer Gemeinde. Schließlich würde dich niemand deswegen zur Schnecke machen, weil du ein Christ bist, der Erfolge vorweisen kann.
Somit habe ich den perfekten Ort gefunden, um mich zu verstecken.
Und ich habe diese Woche darüber nachgedacht.
Was wäre, wenn die Gemeinde nicht mehr wachsen würde?
Was, wenn wir schrumpfen würden?
Was, wenn alles auseinanderbrechen würde?
Was, wenn die Hälfte der Mitarbeiter gehen würde?
Würde ich Jesus immer noch anbeten oder wäre ich nur noch ein Häufchen Elend?
Ich weiß es nicht.
Wenn Gott Gnade schenkt, werde ich es nie herausfinden müssen – aber man weiß ja nie.“
Francis Schaeffer:
„Genauso wie es bei Gott keine unbedeutenden Menschen gibt, ebenso gibt es auch bei ihm keine unbedeutende Stellung. … Nirgendwo sind Christen mehr von der Sucht nach Größe ergriffen worden als in Amerika. Größe ist ein Zeichen des Erfolgs. Man denkt: Wenn ich Gott geweiht bin, dann müssen sich automatisch viele Menschen und große Mengen von Geld einstellen.
Aber vor Gott ist das keineswegs so.
„Die Weisheit rät: Überlasst es Gott, zu bestimmen, was Erfolg ist, und lebt euren christlichen Glauben als eine Religion der Treue, statt dem Götzen ‚Leistung‘ zu dienen.“
Gott sagt nirgendwo, daß Größe und geistliche Vollmacht zusammengehören. Im Gegenteil, er warnt uns sogar davor (besonders in den Lehren Jesu), uns eine Stellung auszusuchen, der wir nicht gewachsen sind. Wir alle legen großen Wert auf große Organisationen und wichtige Positionen, aber diese Einstellung stammt von unserem fleischlichen Menschen. Wenn wir so denken, hören wir wieder auf das alte, unbekehrte, egoistische Ich. Diese Einstellung, die der Welt entstammt, ist für den Christen gefährlicher als fleischliches Vergnügen. Diese Einstellung ist das Fleisch.“1
J.I. Packer:
„Ich habe festgestellt, dass Gemeinden, Pastoren, Ausbildungsstätten und übergemeindliche Werke in ganz Nordamerika vor allem mit dem Zahlen-Spielchen beschäftigt sind – nämlich Erfolg an den Zahlen festzumachen, wie viele Leute hinzugekommen sind.
Gemeindewachstumstheoretiker, Evangelisten, Pastoren, Missionare, Journalisten und andere reden so, als ob
(1) zahlenmäßiges Wachstum die Hauptsache wäre;
(2) zahlenmäßiges Wachstum durch die richtigen Techniken und Methoden zuverlässig herbeigeführt würde;
(3) zahlenmäßiges Wachstum eine Arbeit derart bestätigen würde, wie nichts anderes es kann;
(4) zahlenmäßiges Wachstum jedermanns wichtigstes Ziel sein müsste.“
J.I. Packer sieht vier „unglückliche Folgen“ dieser Annahmen:
Erstens werden große und wachsende Gemeinden als wesentlich bedeutender betrachtet als andere.
Zweitens werden übergemeindlich agierende Spezialisten, die große Massen anziehen können, gefeiert, während fleißige Pastoren nahezu wie ein Niemand behandelt werden.
Drittens werden fortlaufend aktive Laien und auch Pastoren aus den Gemeinden abgezogen, um in übergemeindlichen Diensten zu arbeiten. In diesen ist aus dem einfachen Grund, dass man sich auf einen relativ kleinen Teilbereich spezialisiert, mit schnelleren und eindrucksvolleren Erfolgen zu rechnen.
Viertens ziehen sich viele Vollzeitler, die kein derart gewinnendes Wesen und keine derart markanten Gaben besitzen, enttäuscht und verbittert in säkulare Berufe zurück, nachdem sie zu dem Schluss gekommen sind: Das Leben als Pastor im ständigen Dienst ist eine Sache, die die Mühe nicht lohnt.“
Packer kommt zu folgender Einschätzung:
„In all dem meine ich, reichlich nicht abgetöteten Stolz zu sehen, sei er gestreichelt, verwöhnt und zufrieden, oder verletzt, gepflegt und verhätschelt. Wo messbarer Erfolg zum Gott wird, gedeiht stets Stolz und breitet sich in der Seele aus, so wie Krebs in einem Körper manchmal rasend schnell um sich greifen kann.
Daraus resultiert ein Verlust an geistlicher Größe und zunehmende moralische Schwäche. Und bei Gemeindeleitern – vor allem jenen, die sich ihres Erfolgs sicher sind – kommt es zu unterschiedlichen Formen des Missbrauchs und der Ausbeutung, die entsetzlich sein können.
Was vielen modernen Zeitgenossen höchst vernünftig und professionell vorkommt, nämlich die Ausrichtung aller christlichen Aktivitäten auf den sichtbaren Erfolg als Ziel, ist daher eher eine Schwachstelle der Gemeinde als eine Stärke. Sie ist ein Nährboden für die ungeistliche Prahlerei derer, die sich selbst zu den Erfolgreichen zählen, wie auch für die ungeistliche Verzweiflung derer, die sich selbst für Versager halten, und bringt allseits Oberflächlichkeit hervor.
Der gesunde und demütige Weg besteht darin, uns selbst einzugestehen, dass wir letztendlich nicht wissen und auch nicht wissen können, wie erfolgreich wir in Gottes Augen sind. Die Weisheit rät: Überlasst es Gott, zu bestimmen, was Erfolg ist, und lebt euren christlichen Glauben als eine Religion der Treue, statt dem Götzen ‚Leistung‘ zu dienen.“2
(Packer meint, aus seiner Sicht sollte das Buch Liberating Ministry from the Success Syndrome von Kent und Barbara Hughes „zur Pflichtlektüre für jeden angehenden Pastor gemacht werden“.)
Justin Taylor ist stellvertretender Geschäftsführer und Verleger bei Crossway.
https://www.evangelium21.net/media/3228/gemeindewachstum-und-goetzendienst

Die Größten Unruhestifter der Gemeinde

„Die zwei Hauptmerkmale der Irrlehrern sind, dass sie die Gemeinde beunruhigen, und das Evangelium verändern. Diese zwei gehen immer Hand in Hand. Das Evangelium zu verändern beunruhigt unvermeidbar die Gemeinde. Man kann das Evangelium nicht anfassen, ohne die Gemeinde dabei anzufassen, denn die Gemeinde ist ein Geschöpf des Evangeliums. Sie lebt durch das Evangelium.
In der Tat sind die größten Unruhestifter der Gemeinde nach wie vor nicht diejenigen, die außerhalb der Gemeinde stehen, und ihr widerstehen und verfolgen. Sondern es sind diejenigen, die in der Gemeinde stehen, und das Evangelium anpassen wollen. Sie sind es, die der Gemeinde Ärger verursachen. …
Der Teufel greift die Gemeinde genauso gerne mit Irrtum als mit Immoralität an. Wenn er Christen nicht in Sünde verführen kann, verführt er sie mit falscher Lehre.“ John Stott, The Message to the Galatians, s. 23-24

Ortsgemeinde

„Es gibt nichts, was mit der Ortsgemeinde zu vergleichen ist, vorausgesetzt, sie entfaltet ihr Potential.
Ihre Schönheit ist unbeschreiblich.
Ihre Kraft ist atemberaubend.
Ihr Potenzial ist unbeschränkt.
Sie tröstet die Trauernden und heilt die Zerbrochenen durch die Gemeinschaft.
Sie baut Brücken zu Suchenden und bietet denen, die sich nicht mehr auskennen, die Wahrheit an.
Sie hilft denen, die in Not sind und breitet ihre Arme für die Vergessenen, die Unterdrückten und Desillusionierten aus.
Sie bricht die Ketten der Abhängigkeit, befreit die Gefangenen und gib denen ein Zugehörigkeitsgefühl, die am Rand dieser Welt stehen.
Egal, wie gross die Kapazität für menschliches Leid ist, hat die Kirche doch eine grössere Kapazität für Heil und Heilung.“ Bill Hybels

„Das Licht auf dem Leuchter“ – die reformierte Tradition über die Bibel

Menschen irren, machen Fehler, und selbst die Schlausten können nur sehr begrenzt in die Zukunft blicken. Wir sind fehlbar, müssen lernen und tasten öfter im Nebel herum als es uns lieb ist. Selbst die Spitzenforschung tut sich oft schwer damit, Antworten auf große Herausforderungen zu finden. So gibt es bis heute keinen Impfstoff gegen HIV, das AIDS-Virus. Und was die heiß ersehnten Impfstoffe gegen das neue Coronavirus wirklich leisten werden, bleibt abzuwarten.

Gott als der Schöpfer und Herr der Welt kann nicht irren. Er braucht nichts zu lernen, weiß die Zukunft und kennt sämtliche Antworten auf alle großen und kleinen Fragen. Gott ist Licht, sein Wesen ist frei von allem Dunklen und Bösen, von aller Falschheit und Lüge. Daher ist auch seine Rede vollkommen. Gottes Wort ist klar, führt keineswegs in die Irre und ist daher „Licht auf meinem Wege“ (Ps 119,105).

Das helle Licht der Bibel, des geschriebenen Wortes Gottes, öffnete um 1520 den Reformatoren die Augen. Sie erkannten in Bibeltexten den hellen Charakter Gottes und die strahlenden Wahrheit des Evangeliums. In Zürich trat Ulrich Zwingli 1519 seinen Dienst am Großmünster an. Er begann programmatisch mit einer Predigtreihe durch das ganze Matthäus-Evangelium. Über viele Monate hinweg legte der Pfarrer jeden Vers aus und ließ den Menschen das Licht der göttlichen Botschaft aufleuchten. Den Startschuss zur Reformation in der Schweiz gab also die konsequent biblische Predigt.

Im Jahr 1522 – auf der Wartburg hatte Luther gerade das Neue Testament übersetzt – erschein Zwinglis Die Klarheit und Gewissheit des Wortes Gottes. Der Reformator warnt davor, sich die Heilige Schrift „zurechtzubiegen“: „Das ist der Hauptfehler, wenn man seine Meinung nach der Schrift bekräftigen will und sein eigenes Vorurteil zur Schrift bringt.“ Das eigene „Verstandeslicht“ könne sicher nicht „die göttliche Klarheit überbieten“.

Heinrich Bullinger begann seine Dekaden, eine Reihe von insgesamt 50 Lehrpredigten, ebenfalls mit dem Wort Gottes. Der Nachfolger Zwinglis in Zürich betont: „Alles, was uns von Gott, von seinen Werken, von seinen Urteilen, von seinem Willen und seinen Geboten, von Christus und vom Glauben an Christus und vom Führen eines heiligen Lebens zu wissen Not tut, ist uns vollständig im Wort Gottes gegeben.“

Nicht zufällig beginnt auch das Zweite Helvetische Bekenntnis (1566) mit dieser Feststellung zum Wesen des geschriebenen Wortes: „Wir glauben und bekennen, dass die kanonischen Schriften der heiligen Propheten und Apostel beider Testamente das wahre Wort Gottes sind…“ Im 2. Kapitel hält der Autor Bullinger fest: „Darum anerkennen wir in Sachen des Glaubens keinen anderen Richter als Gott selbst, der durch die heiligen Schriften verkündigt, was wahr und falsch sei, was man befolgen und was man fliehen müsse…“ Auch er gebraucht die biblische Metapher des Lichts: „Gottes Wort ist gewiss und keinem Irrtum unterworfen. Es ist klar, lässt niemanden im Dunkeln tappen, es legt sich selbst aus und öffnet selbst das Verständnis. Es erhellt die menschliche Seele mit allem Heil und allen Gnaden, füllt sie mit Gottvertrauen, demütigt sie…“

Die Hochschätzung der Bibel zeigt sich auch im Hugenottenbekenntnis aus Frankreich von 1559, das weitgehend aus der Feder von Johannes Calvin stammt: „Wir glauben, dass das in diesen Büchern enthaltene Wort von Gott ausgegangen ist, von dem allein es seine Autorität empfängt, und nicht von Menschen.“ Die Bibel ist Menschenwort und Gotteswort, was einzig von dieser Schriftensammlung gesagt werden kann. Deshalb, so Calvin, müssen „Gewohnheiten“ oder Traditionen, „Menschenweisheit“, Beschlüsse der Kirche und sogar „Visionen“ und „Wunder“ unbedingt an ihrem Maßstab „geprüft, geordnet und verbessert werden“.

Die reformierten Bekenntnisse beginnen meist mit Artikeln über das Wesen Gottes und Gotteserkenntnis oder über seine Offenbarung, Wort Gottes und Heilige Schrift. Beide Lehrpunkte hängen ja zusammen. Da um 1600 die rationalistische Bibelkritik einsetzte, widmete das englische Westminster-Glaubensbekenntnis von 1647 den Kennzeichen der Bibel ein langes erstes Kapitel. Ihre Autorität beruht „völlig auf Gott, der die Wahrheit selbst ist, als ihrem Autor“. Die Heilige Schrift ist „der oberste Richter, vor dem alle Religionsstreitigkeiten zu entscheiden sind und alle… Lehren der Menschen… zu prüfen sind“. In dieser Tradition hält übrigens auch das Glaubensbekenntnis der deutschen Baptisten genau zweihundert Jahre später fest, dass die Bibel „alleinige Regel und Richtschnur des Glaubens und Lebenswandels“ sein muss.

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Schließlich ist noch das Belgische oder Niederländische Bekenntnis (1561) zu nennen, das dem genannten Bekenntnis Calvins in vielen Abschnitten ähnelt. Autor Guido de Brès stammte aus der Wallonie, dem französischsprachigen Teil des heutigen Belgiens. Nach intensivem Bibelstudium wandte er sich dem evangelischen Glauben zu, der in der damals von Spanien beherrschten Region aber massiv unterdrückt wurde. De Brès  musste ein unstetes Leben führen, kehrte 1559 in die belgische Heimat nach Tournai zurück, wo er heirate und als Pastor arbeitete. In dieser Zeit entstand auch seine Bekenntnisschrift. 1566 wirkte de Brès in Valenciennes (heute Nordfrankreich). Der Ort wurde von den spanischen Truppen erobert. Diese setzten den Pastor mit einem Kollegen gefangen. Am 31. Mai 1567 starb de Brès am Galgen den Märtyrertod.

Eingangs erläutert de Brès das Wesen und die Erkenntnis Gottes, es folgen gleich fünf Artikel zur Bibel. Mehrfach bezeichnet er sie als „heiliges und göttliches Wort“. Er skizziert die klassische Inspirationslehre, nennt die Bücher des protestantischen Kanons und betont, „dass auf ihnen unser Glaube beruhen und begründet und festgestellt werden kann“. Schließlich folgt mit Artikel 7 eine sehr gute zusammenfassende Darstellung der Genügsamkeit und Vollkommenheit der Bibel: „Wir glauben auch, dass diese Heilige Schrift vollkommen den ganzen Willen Gottes umfasst und dass in ihr all das in vollem Maße gelehrt wird, was von den Menschen geglaubt werden muss, damit sie die Seligkeit erlangen.“

Da die „heilige Lehre“ in der Heiligen Schrift „in allen ihren Beziehungen und Teilen vollendet und abgeschlossen ist“, muss sich jeder „sorgfältig hüten, dass er ihr nicht etwas hinzufügt oder wegnimmt, wodurch menschliche Weisheit mit göttlicher Weisheit vermischt werden könnte. Deshalb sind mit diesen göttlichen Schriften und dieser Wahrheit Gottes keine anderen Schriften der Menschen, von welcher Heiligkeit sie auch seien, keine Gewohnheit, nicht irgendeine Menge noch das Alter, noch Vorschrift der Zeiten oder die Nachfolge von Personen, noch irgendwelche Konzile, keine Beschlüsse und Satzungen der Menschen endlich zusammenzustellen oder zu vergleichen, da ja die Wahrheit Gottes vorzüglicher ist als alle Dinge.“

Licht nach der Dunkelheit  – lateinisch „post tenebras lux“ – wurde zu einem beliebten Motto der reformierten Christen. Die Reformatoren lutherischer und reformierter Prägung betonten einhellig, dass das Ziel ihrer Reformen war, den Leuchter wieder auf den Tisch zu stellen (s. ganz o. die Darstellung der Reformatoren aus dem 17. Jhdt. mit Luther und Calvin der Mitte). Damals wie heute muss der helle Schein Gottes, des Evangeliums und der Bibel vor dem Ausblasen bewahrt werden. Im 16. Jhdt. untersagte die römische Kirche Laien das Bibelstudium, heute leugnen viele evangelische Theologen, die Bibel habe irgendwelchen Anteil an Gottes Absolutheit und Vollkommenheit – „göttlich ist nur Gott“, so z.B. Siegfried Zimmer. Nein, auch das Reden Gottes, in welcher Form auch immer, ist göttlich. Gott ist Licht, und sein Wort ist eine Leuchte. Evangelische berauben sich ihres Wesenskerns, wenn sie daran nicht festhalten. Holger Lahayne
http://lahayne.lt/2020/12/02/das-licht-auf-dem-leuchter-die-reformierte-tradition-uber-die-bibel/

Das Drama der evangelischen Kirche

Prof. Gerhard Maier fasste schon 1974 das Drama der evangelischen Kirche treffend zusammen. Leider wurde er nicht gehört – im Gegenteil: Inzwischen begegnet mir genau diese Sichtweise immer öfter auch im freikirchlichen Bereich:
„Die Exegeten können das NT nicht mehr als Einheit begreifen, sondern nur noch als Sammlung verschiedener Zeugnisse, die unter sich widersprüchlich sind … Es steht für sie fest, dass der formale Kanon nicht gleichzusetzen ist mit dem Wort Gottes. Bis heute hat die Semlersche Scheidung von Schrift und Wort Gottes unumstrittene Bedeutung. … Das feine Gewebe der historisch-kritischen Methode ergab eine neue babylonische Gefangenschaft der Kirche. Sie wurde mehr und mehr abgesperrt von dem lebendigen Strom der biblischen Verkündigung und deshalb immer unsicherer und blinder, sowohl was ihren eigenen Gang betrifft, wie auch in Beziehung auf das Wirken nach außen. … Die Vertreter der historisch-kritischen Methode sind in einen scharfen Gegensatz zu den orthodoxen Gedanken von der Klarheit und der Genügsamkeit der Schrift getreten. Sie haben die Klarheit durch den von ihnen geführten Nachweis der Widersprüchlichkeit beseitigt und die Unklarheit durch die vergebliche Suche nach einem Kanon im Kanon festgehalten und vertieft. Sie haben die Genügsamkeit der Schrift aufgehoben, indem die historisch-kritische Arbeit nötig wurde, um die Schrift zu begreifen. Soweit ihre Anschauungen sich durchsetzten, kam es zu einer Trennung von Schrift und Gemeinde. Da es bei der Schrift jedoch nicht sein Bewenden hat, sondern die Schrift uns Gott begegnen und kennenlernen lässt, ist durch die Aufhebung der Klarheit und Genügsamkeit der Schrift auch die Gewissheit des Glaubens zerstört. Ist unsicher, WO der lebendige Gott redet, dann weiß ich auch nicht mehr, WER da redet. Damit ist Vertrauen unmöglich geworden. … Es wäre ein großer Fehler, die Schuld an solcher Entwicklung der Dinge etwa im Unvermögen der METHODIKER zu suchen. Vielmehr ist es die Schuld der METHODE, die man gewählt hat. Die Methode musste scheitern, weil sie ihrem Gegenstand nicht entsprach.“ (Prof. Gerhard Maier 1974 „Das Ende der historisch-kritischen Methode“ S. 44/45)

Gottes Herrlichkeit loben

„Wenn Gott das Schönste und Größte überhaupt ist, das Wunderbare hinter allem Wunderbaren, dann bedeutet ihn zu loben und zu bewundern schlicht, ‚dass man wach ist, dass man in der wirklichen Welt angekommen ist‘“. (209)
„Ich glaube, wir loben deshalb gerne, was und Freude bereitet, weil der Lobpreis die Freude nicht nur ausdrückt, sondern vervollständigt; er ist die ihr bestimmte Vollendung“ (209, C. S. Lewis)
„Gott loben heißt, ihn anzubeten für das, was er in sich selber ist; Gott danken heißt, ihn für das zu preisen, was er getan hat.“(213)
„Verstehen sie jetzt, warum Gott Undank so ernst nimmt? Weil er bedeutet, dass wir uns der Illusion hingeben, uns geistlich selbst zu genügen. Undank bedeutet, dass wir Dinge als unsere eigene Leistung betrachten, die in Wirklichkeit Geschenke sind.“ (214)
Timothy Keller, Beten: Dem heiligen Gott nahekommen, Gießen: Brunnen, 2016