3.900 Teilnehmer beim „Münchner Marsch fürs Leben“

München (IDEA) – Am 25. März haben rund 3.900 Menschen am „Münchner Marsch fürs Leben“ teilgenommen. Er fand bereits zum dritten Mal statt.

Aus ganz Deutschland, Österreich, aber auch aus den Vereinigten Staaten waren Lebensschützer nach München gereist. Die Teilnehmer wollten mit ihrer Demonstration in der Münchner Innenstadt „ein deutliches Zeichen für den Wert, die Würde und die Schönheit jedes Lebens“ setzen, wie es in einer Pressemitteilung des katholischen Vereins „Stimme der Stillen“ (München) heißt. Er fungierte auch als Veranstalter.

Der Marsch solle „alle Lebensschützer in München, Bayern und dem süddeutschen Raum vereinen und ein sichtbares Zeichen für das Leben setzen“. Das sei dringend nötig, da die Angriffe auf das Lebensrecht aller Menschen zunähmen – insbesondere, wenn man Verlautbarungen der Bundesregierung zur geplanten Legalisierung von Abtreibungen betrachte, so die Vorsitzende des Vereins, Silja Fichtner.

Zum Hintergrund: Die Bundesregierung hat eine Kommission eingesetzt, die sich mit der im Koalitionsvertrag angekündigten Abschaffung oder Änderung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch befassen soll, der Abtreibungen grundsätzlich, aber mit Ausnahmen verbietet.

Fichtner zeigte sich auf der Kundgebung „überwältigt von der Resonanz und der Begeisterung der Teilnehmer. Dies ist zudem ein wichtiges Signal an die Bundesregierung, das ungeborene Leben zu schützen, jedes Leben zu achten und die Pläne, Abtreibungen zu legalisieren, nicht weiterzuverfolgen“. Denn jedes Leben sei es wert, gelebt zu werden.

Der Vorstandsvorsitzende der christlichen Beratungsorganisation „Pro Femina“ (Heidelberg), Kristijan Aufiero (München), rief im Rahmen der Kundgebung auf dem Münchner Königsplatz insbesondere die zahlreichen jugendlichen Teilnehmer dazu auf, „Lifefluencer“ zu werden und eine „Kultur des Lebens“ zu bauen.

CDL Bayern gegen Abschaffung des Abtreibungsverbots

Vor Beginn des Marsches fand außerdem ein Studientag des bayerischen Landesverbandes der Christdemokraten für das Leben (CDL) zum Thema „Lebensschutz in Politik und Gesellschaft“ mit rund 180 Teilnehmern statt.

Dessen Vorsitzende, Christiane Lambrecht (Murnau am Staffelsee/Landkreis Garmisch-Partenkirchen), wies darauf hin, dass die Menschenwürde in Deutschland stark gefährdet sei. Das gelte etwa mit Blick auf eine mögliche Abschaffung oder weitere Aushöhlung des Verbots vorgeburtlicher Kindstötungen, die etwaige Einführung der Leihmutterschaft, die auf EU-Ebene vorangetrieben werde, sowie für aktive Sterbehilfe und Eingriffe in das Erbgut des Menschen. „Eines steht fest: Die Menschenwürde, unser Artikel 1 des Grundgesetzes mit allen Konsequenzen daraus, bleibt nicht von alleine erhalten – wir müssen sie immer wieder neu einfordern.“

Der Vorsitzende der „Ärzte für das Leben“, Prof. Paul Cullen (Münster), äußerte sich auf der Tagung kritisch zum Transhumanismus. Es gebe inzwischen Bestrebungen, den Menschen durch Technologie zu verändern. Cullen bezweifelt zwar, dass man die Unsterblichkeit des Menschen oder das Extrahieren des Bewusstseins technisch erreichen könne. Er habe auch keine Angst vor diesen Entwicklungen, es gelte jedoch, gewisse Gefahren dieser Anstrengungen im Auge behalten. Denn sie könnten Wünsche nach einer Selektion von Menschen nähren und damit zur Diskriminierung bestimmter Menschen führen. Sein Fazit: „Entweder haben alle Menschen auf diesem Planeten die gleichen Rechte oder keiner“.

Unterstützung von Lebensrechtlern aus verschiedenen Ländern

Der Marsch wurde von verschiedenen Lebensrechtsinitiativen unterstützt, darunter unter anderen von der „Aktion Lebensrecht für alle“ (ALfA/Augsburg) und deren Initiative „Jugend für das Leben“, der überkonfessionellen Gruppe „Sundays For Life“ (Sonntage für das Leben/Greve), der weltweit aktiven Gebetsinitiative „40 Days for Life“ (40 Tage für das Leben/Bryan im US-Bundesstaat Texas), der studentischen Initiative „ProLife Europe“ (Weißenhorn/Landkreis Neu-Ulm) sowie der Petitionsplattform CitizenGo (Madrid).

Die Polizei musste die Veranstaltungen jeweils absichern. Rund 300 Beamte waren dabei im Einsatz.

Im Vorfeld hatte das Bündnis „Für das Paradies auf Erden“ aus feministischen und linksgerichteten Gruppen zu Gegenaktionen aufgerufen, darunter die „Antisexistische Aktion München“ sowie das „Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung München“. Etwa 20 Gegendemonstranten versuchten in diesem Zusammenhang, den Marsch zu blockieren. Die Sicherheitskräfte konnten die Lebensrechtler jedoch um die Blockade herumleiten. Laut Polizeiangaben versuchten Gegendemonstranten danach noch mehrfach, die Versammlung zu stören, was jeweils verhindert werden konnte.
Der nächste „Münchner Marsch fürs Leben“ soll am 13. April 2024 stattfinden.
https://www.idea.de/artikel/muenchen-3900-teilnehmer-beim-marsch-fuers-leben?fbclid=IwAR1SpV4qQdlI-m7L46Go7b8cEPiS94-nQfgd6kzEzm_DzizA6skqXDoAxns

Papst Benedikt XVI ist gestorben

Mit 95 Jahren ist Benedikt XVI. nun gestorben. Gleich in mehrerer Hinsicht hatte dieser Papst von sich reden gemacht. Nach rund 500 Jahren war er das erste wieder aus Deutschland stammende Oberhaupt der katholischen Kirche. Außerdem war Benedikt nach Coelestin V. aus dem 13.Jahrhundert erst der zweite Papst, der freiwillig zu Lebzeiten von seinem Amt zurücktrat.
Benedikt wurde 1927 als Joseph Aloisius Ratzinger im bayrischen Marktl am Inn Landkreis Altötting geboren. In seiner Familie erlebte er ​„freudiges, farbiges und menschliches Christentum“, wie der Papst das später im Rückblick wiedergab. In Traunstein besuchte er das Studienseminar St.Michael. Alle Seminaristen wurden 1943 als Flakhelfer zwangsverpflichtet. Ratzinger erlebte die Zerstörung weiter Teile Münchens durch Fliegerangriffe am Ende des 2.Weltkriegs. Nach einer kurzen Zeit in amerikanischer Kriegsgefangenschaft studierte er Theologie in Freising und München. Ratzinger entschied sich für eine akademische Laufbahn und arbeitete als Professor für katholische Theologie in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg. 1962 begleitete er den Kölner Kardinal Josef Frings zum II. Vatikanischen Konzil und wurde zu einem wichtigen Konzilsberater.
1977 wurde Josef Ratzinger Erzbischof von München und Freising. 1981 berief ihn Papst Johannes Paul II. als Kurienkardinal nach Rom und ernannte ihn zum Chef der Römischen Glaubenskongregation. In dieser Funktion war Ratzinger über zwei Jahrzehnte hinweg einer der wichtigsten Mitarbeiter des Papstes und Wächter über die Reinheit des katholischen Glaubens. 2005 wurde Ratzinger als Papst zum Nachfolger von Johannes Paul II. gewählt. In Erinnerung an den sozial und seelsorgerlich engagierten Ordensgründer aus dem 6.Jahrhundert entschied sich Ratzinger für Benedikt als Papstnamen.
Nach dem langjährigen und äußerst beliebten Johannes Paul II. galt Benedikt für viele lediglich als Übergangslösung. Tatsächlich war er mit 78 Jahren auch schon in recht fortgeschrittenem Alter. Allerdings verwaltete er sein Amt nicht nur, sondern setzte durchaus eigene Akzente.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger stellte Benedikt die Verehrung Marias hinter seine Hochachtung für Jesus Christus zurück. Sein mehr an der Bibel als an den Thesen universitärer Theologie orientiertes Buch über Jesus fand 2007 auch bei vielen evangelischen Christen große Zustimmung. In offenen und wertschätzenden Gesprächen mit Vertretern des Islam und des Judentums ließ Benedikt keinen Zweifel daran, dass Gott sich zwar durch natürliche Offenbarung allen Menschen mitteile, dass seine eigentliche Erkenntnis aber nur im christlichen Glauben möglich sei. Den Islam kritisierte der Papst in seinem Vortrag an der Universität Regensburg ganz offen als eine zur Gewalt tendierende Religion.
Auch gegenüber evangelischen Christen machte Benedikt deutlich, dass sie keinesfalls als gleichberechtigte Kirche anerkannt werden könnten, weil es nur eine echte christliche Kirche gäbe, nämlich die katholische. Benedikt betonte ganz neu die große Bedeutung der katholischen Gottesdienst- Liturgie. Nur in ihrer traditionellen Form sei sie gültig und würde eine geistliche Stärkung des Gläubigen bewirken. Intensiv arbeitete der Papst an einer Annäherung zum Judentum. Benedikt bekannte eine Mitschuld am Holocaust und hob die „gemeinsame Wurzel“ des katholischen und jüdischen Glaubens hervor. Immer wieder kritisierte der Papst Abtreibung und Sterbehilfe als illegitime Zerstörung des von Gott geschenkten Lebens.
Mit dem Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter und seine schwindenden Kräfte trat Benedikt 2013 als Papst zurück, um die Leitung der katholischen Kirche in jüngere Hände zu legen. Am 31.12.2022 starb Benedikt XVI. nach längerer Krankheit im Vatikan.
Wenn man kein Katholik ist, steht man der Idee des Papsttums wohl eher distanziert gegenüber. Sicher, die meisten Päpste der vergangenen Jahrzehnte waren moralische Männer, plädierten für Frieden und Menschenrechte, sprachen sich immer wieder für die Interessen der Schwachen und der Ungeborenen aus. Mancher Christ würde wünschen, dass auch evangelische oder anglikanische Leiter sich in ihren Äußerungen einmal deutlich vom gerade herrschenden Mainstream abheben. Gerade in ethischen Fragen können viele Evangelische die moralischen Maßstäbe der Bibel gar nicht schnell genug wegerklären und an den momentanen Zeitgeschmack anpassen.
Auf der anderen Seite steht der Papst auch für eine Organisation, die über Jahrhunderte hinweg auf Kosten der Bevölkerung immense Reichtümer angehäuft und Evangelische grausam verfolgt hat. Der Papst ist nicht nur Garant einer aus der Bibel begründeten Ethik, sondern auch ein Hüter katholischer Dogmen, die in offenem Widerspruch zu den Lehren Jesu stehen. Dazu gehört der Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche, das erfundene Fegefeuer, die jenseitige Hilfe durch Heilige, die Verwandlung geweihter Oblaten in das reale Fleisch Jesu, die Verehrung Marias als ewig sündlose und jungfräuliche „Mutter Gottes“ und anderes mehr.
In der katholischen Tradition beruft man sich vor allem auf die erst im Nachhinein konstruierte Kontinuität des Papsttums. Dabei war der Gemeindeleiter von Rom über Jahrhunderte hinweg nur ein wichtiger Vertreter der Christen neben anderen. Erst nach der islamischen Eroberung des Ostens und verschiedenen politischen Intrigen konnte sich der römische Gemeindeleiter als Papst aller Christen etablieren. Von Vertretern der orthodoxen Kirche wurde dieser Anspruch von Anfang an infrage gestellt.
In der Bibel findet sich eigentlich nur ein Hinweis auf die besondere Stellung des Petrus. Nachdem er Jesus als von Gott gesandten Messias anerkannte, hatte ihn dieser als Gründer der christlichen Kirche berufen. „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und keine Todesmacht wird sie jemals vernichten.“ (Mt 16, 18) Das hat sich dann, nach dem Tod Jesu auch so  erfüllt. Petrus hielt die entscheidende Predigt zum ersten Pfingstfest, bei der sich 3000 Menschen bekehrten. Zusammen mit dem Apostel Johannes und Jakobus gehörte Petrus in Jerusalem zum Leitungsteam der damals wichtigsten Gemeinde im römischen Reich. Die Berufung des Petrus galt allerdings nur ihm alleine. Von einem möglichen Nachfolger, der dann auch noch in Rom, statt in Jerusalem residieren sollte, ist in der Bibel kein einziges Wort zu lesen.
Vor Gott gelten menschliche Ämter und Titel wie, Papst, König oder Präsident nur wenig. Am Ende kommt es allein darauf an, Vergebung seiner Sünden bei Jesus Christus bekommen zu haben oder nicht. Nach den Worten der Bibel legitimiert alleine das grundsätzliche Vertrauen auf Gott zum Leben in der Ewigkeit Gottes.
Mit seinem häufigen Verweis auf die Bibel als authentische und vertrauenswürdige Mitteilung Gottes und mit seinem deutlichen Hinweis auf Jesus als dem menschgewordenen Gott, dem Sündenbefreier und eigentlichen Herrn der Christenheit, fordert Benedikt auch noch nach seinem Tod heraus. (von Michael Kotsch)
https://xuvu7p.podcaster.de/2023/01/01/papst-benedikt-xvi/

An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“

Ein Beitrag von Theoblog siehe Link am Textende
Theophil Isegrim verdanke ich den Hinweis, dass unter anderem die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer von der FDP, für den Matić-Bericht gestimmt hat, sich also für die Frühsexualisierung der Kinder, gegen die Gewissensfreiheit der Ärzte und für ein Recht auf Abtreibung stark macht. Übrigens stimmten 51 der 96 deutschen EU-Abgeordneten für den Bericht, 39 dagegen und 2 enthielten sich. Das ist insofern interessant, als wohl besonders sozialdemokratische und grüne Politiker die Europapolitik nutzen, um Druck auf die nationale Rechtssprechung auszuüben (siehe zur Abstimmung hier).

Tatsächlich war Frau Beer kürzlich Rednerin auf dem Kongress christlicher Führungskräfte und sprach darüber, warum es besonders für Politiker wichtig sei, einen klaren Wertekompass zu haben. Ich zitiere aus dem Medienmagazin Pro

Man müsse Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen und verantwortlich fällen. Dazu brauche es Orientierung und einen klaren Wertekompass, sagte Beer.

Ihr selbst helfe dabei der christliche Glaube. „Mein Glaube hilft mir, das Beste zu geben“, sagte sie. In stressigen Momenten halte sie inne und besinne sich auf Gott. Der Glaube gebe ihr außerdem die nötige Freiheit, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.

Beer erklärte zudem, die ethische Basis des Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen in Europa basiere auf christlich-jüdischer Tradition, insbesondere auf den Zehn Geboten. „Das sind unsere kulturellen Wurzeln.“ Es sei wichtig, dass sich alle Menschen der pluralen, europäischen Gesellschaft für ein gelingendes Zusammenleben an die Werte, die auf den Zehn Geboten basierten, hielten. „Ich verstehe, wenn Menschen an altbekannten Traditionen und Sprachen festhalten“, sagte Beer im Hinblick auf Migranten. Außerhalb der eigenen vier Wände funktioniere das Zusammenleben jedoch nur, wenn man sich an gemeinsame Werte halte.

In diesem Zusammenhang verteidigte Beer auch den Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes. Es gebe oft Diskussionen darüber, ob er noch zeitgemäß sei. „Der Gottesbezug ist Ausdruck der irdischen Fehlbarkeit“, sagte sie. Er zeige, dass „eine werteorientierte Gesellschaft aus mehr besteht, als aus Buchstaben in Gesetzen“. Beer verwies auf den Bibelvers aus Matthäus 7, 20, in dem es heißt: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“

Anhand solcher Beispiele lässt sich besser verstehen, dass in den Augen vieler Staatsbürger die Politik unglaubwürdig geworden ist. Eine Frau, die sich zur Ethik der Zehn Gebote bekennt, setzt sich zugleich für die Legalisierung von Tötungen ungeborener Kinder ein und will jenen Ärzten, die sich nicht an Schwangerschaftsabbrüchen beteiligen möchten, die Gewissensfreiheit stehlen. 

Da möchte ich Matthäus 7,20 im Zusammenhang zitieren: 

Darum, an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen Dämonen ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Machttaten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch nie gekannt; weicht von mir, die ihr das Gesetz übertretet!
https://theoblog.de/an-ihren-fruechten-sollt-ihr-sie-erkennen/36902/

„Wie könnt ihr es wagen!“ Teil 2

Das Töten ungeborener Kinder wird in der Bibel abgelehnt, auch wenn es kein Verbot expressiv verbis gibt; wer dies anders sieht, muss nachweisen, warum Abtreibung nach biblischen Grundsätzen kein Mord sein soll.
Auf den ersten Blick scheint die Abtreibungsfrage für Christen leicht zu beantworten sein. Die Bibel untersagt Mord; Abtreibung ist Mord; also ist Abtreibung verboten. So wird das Abtreibungsverbot ja von vielen Christen mit gerade einmal einem Hinweis auf die Zehn Gebote begründet. Doch angesichts der Wichtigkeit des Themas und der Intensität der Debatten sollte sorgfältiger argumentiert werden muß. Die Bibel beantwortet nicht alle Fragen zum Thema und klärt manche Dinge auch nicht völlig, doch die grundlegende Botschaft ist klar.
Der Ehrlichkeit halber sollte eingestanden werden, dass das Mordverbot in der Bibel nicht eindeutig auf das ungeborene Kind ab dem Zeitpunkt der Zeugung angewandt wird. Es kann aber positiv völlig klar ausgesagt werden: Das ungeborene Kind ist ein Geschöpf Gottes; Gott hat daher in jedem Fall ein ‘Mitspracherecht’, was sein Schicksal betrifft; es ist ein lebendes Geschöpf, und zur Achtung vor dem Leben und Lebensschutz hat die Bibel viel zu sagen; und es ist menschliches Leben. Der Mensch ist Ebenbild Gottes, was ihn unter besonderen Schutz stellt, denn das Verbot des Mordes wird mit der Ebenbildlichkeit des Menschen begründet (Gen 9,6).
In der gesamten Bibel wird unterstrichen, dass nicht nur (geborene) Kinder, sondern auch schon die Leibesfrucht ein Segen ist (Ps 127,3; 128,3.6; Gen 49,25; Dt 7,13; 28,4). Kinder haben im Mutterleib eine Beziehung zu Gott (Ps 51,5; 58,4; 71,6; 139,13–16; Job 31,15; Jes 44,2.24; Jer 1,5; Ri 13,5.7; Lk 1,15.41); Kinder in der Gebärmutter werden genauso bezeichnet wie die geborenen Personen (Gen 25,22; 38,27f; Job 1,21; 3,3.11f; 10,18f; 31,15; Jes 44,2.24; 49,5; Jer 20,14–18; Hos 12,3), bis hin zur Zeugung (Ps 51,5). Vielfach wird die personale Kontinuität  des Lebens vor und nach der Geburt ausgesagt (David: Ps 139,13; Jer 1,5; Johannes d.T.: Lk 1,24.26). Interessant ist außerdem, dass die Tötung anderer Menschen bei Selbstverteidigung, Landesverteidigung oder in der Todesstrafe erlaubt werden. Nirgends hat Gott jedoch irgendeiner Instanz das Recht verliehen, ungeborene, völlig unschuldige Kinder zu töten. Eltern dürfen nur in begrenztem Maße züchtigen; keinerlei Kindestötung wie bei Römern (s.u.) wurde erlaubt.
John Frame faßt daher zusammen: „Es gibt keine Stelle in der Schrift, die auch nur im entferntesten aussagt, dass das ungeborene Kind von der Empfängnis an in irgendeiner Weise weniger als ein Mensch ist.“ Die Hauptfrage ist auch hier die der Beweislast. Frame: „Alle Stellen in der Hl. Schrift, die irgendetwas zum Thema aussagen, bekräftigen den Schutz des ungeborenen Kindes; keine Stelle reduziert diesen Schutz ausdrücklich. Wir geben zu, dass die Schrift nicht ausdrücklich sagt, wieviel Schutz das Kind verdient; müssen wir aber nicht annehmen, dass das Kind maximalen Schutz verdient, bis jemand etwas anderes biblisch belegen kann?… An welchem Punkt [in der Entwicklung des Kindes] schenken wir ihm nicht mehr die hohe Achtung, die es in Gottes Augen hat? An welchem Punkt entscheiden wir uns für weniger als maximalen Schutz?“ (Bericht einer Kommission der Orthodox Presbyterian Church zur Abtreibung aus dem Jahr 1972, in: Frame, Medical Ethics)
Auch wenn daher die Bibel die Abtreibung nicht expressiv verbis verbietet – Christen und Juden waren sich (bis ins 20. Jahrhundert) praktisch alle einig, dass sie abzulehnen ist, und dies aus guten Gründen. Die klassische christliche Position wurde von evangelischen wie katholischen Christen vertreten. Dietrich Bonhoeffer (1906–1945): „Mit der Eheschließung ist die Anerkennung des Rechts des werdenden Lebens verbunden, als eines Rechtes, das nicht in der Verfügung der Eheleute steht. Ohne die grundsätzliche Anerkennung dieses Rechtes hört eine Ehe auf Ehe zu sein… Die Tötung der Frucht im Mutterleib ist Verletzung des dem werdenden Leben von Gott gegebenen Lebensrechts. Die Erörterung der Frage, ob es sich hier schon um einen Menschen handele oder nicht, verwirrt nur die einfache Tatsache, daß Gott hier jedenfalls einen Menschen schaffen wollte und daß diesem werdenden Menschen vorsätzlich das Leben genommen worden ist. Das aber ist nichts anderes als Mord.“ (Ethik)
Papst Johannes Paul II (1920–2005): „…die vorsätzliche Abtreibung ist, wie auch immer sie vorgenommen werden mag, die beabsichtigte und direkte Tötung eines menschlichen Geschöpfes in dem zwischen Empfängnis und Geburt liegenden Anfangsstadium seiner Existenz … Getötet wird hier ein menschliches Geschöpf, das gerade erst dem Leben entgegengeht, das heißt das absolut unschuldigste Wesen, das man sich vorstellen kann: es könnte niemals als Angreifer und schon gar nicht als ungerechter Angreifer angesehen werden!“ (Evangelium vitae, 58)
Und besonders streng meinte Mutter Teresa (1910–1997): „… nur Gott kann über Tod und Leben entscheiden… Darum ist die Abtreibung eine so schwere Sünde. Man tötet nicht nur Leben, sondern stellt sein eigenes Ich über Gott. Und doch entscheiden Menschen, wer leben und wer sterben soll. Sie wollen sich selbst zum allmächtigen Gott machen. Sie wollen die Macht Gottes in die eigenen Händen nehmen. Sie möchten sagen: ‘Ich kann ohne Gott fertig werden. Ich kann entscheiden. ’ Die Abtreibung ist das Teuflischste, was eine menschliche Hand tun kann…“ (zit. bei Stott, Das Abtreibungsdilemma, in: Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit, Bd. 4)
Mutter Teresa hat recht, aber man muß zur Erläuterung wohl ein paar Sätze hinzufügen. Der Mensch muß und kann in manchen Situationen entscheiden, Menschen zu töten (z.B. im Verteidigungsfall). Doch dieses Mandat hat Gott selbst dem Menschen übergeben. Unter gewissen, von Gott vorgebenen Umständen darf der Mensch töten. Ein von Gott verliehenes Recht zur Tötung vorgeburtlichen Lebens ist dagegen nirgendwo und niemals von Gott erteilt worden (einzige Ausnahme ist für die allermeisten Theologen die Gefährung des Lebens der Mutter, doch hier handelt sich um eine Abwägungsfrage, die so auch sonst in ethischen Problemen auftaucht; dank des medizinischen Fortschritts sind diese Fälle aber sehr selten geworden).
Der Schutz von Kleinkindern und Ungeborenen gehört zum Kern der jüdisch-christlichen Kultur. Der Vorwurf, die Verschärfung der gegenwärtigen Abtreibungspraxis sei unzivilisiert, ist aus historischer Perspektive Unsinn.
Von Befürwortern einer liberalen Abtreibunsgpraxis (auch den moderaten) ist in den Diskussionen immer wieder ein Vorwurf zu hören: Verbote jeder Art seien „unzivilisiert“, will sagen: entsprechen ganz und gar nicht dem Geist unserer Zeit, gehören einer längst überwundenen Epoche an. Der Begriff „Zivilisation“ Teil der Strategie der semantischen Aufladung (wie z.B. die penetrant wiederholte Rede vom „Recht auf Abtreibung“). A. M. Pavilionienė [langjähriges litauisches Parlamentsmitglied der Sozialdemokraten und bekannte Frauenrechtlerin] ist darin natürlich Meisterin, wenn sie z.B. meint, der Gesetzesentwurf [zum weitgehenden Verbot aus dem Jahr 2008] „würden Litauen ins finstere Mittelalter zurückwerfen“. Andere Stimmen, die den Spieß umdrehen, sind selten zu finden. Tomas Tomilinas [seit 2016 im Parlament] schreibt:
„In Litauen wird die Abtreibung immer noch durch eine fast sowjetische Anordnung des Gesundheitsministers geregelt, d.h. in einer Reihe von medizinischen Regeln, die bestimmen, wie und wann eine einfache Operation medizinisch korrekt durchgeführt werden soll. Aber kann der Entzug des Lebens eines gezeugten Kindes rechtlich gleichbedeutend mit dem Beseitigen von Muttermalen und der Amputation von Gliedmaßen sein? Ich denke, wenn wir in einem zivilisierten Land leben wollen, ist diese Situation unerträglich.“ („Atgimimas“, 5/2008)
Zweifellos lebten die Griechen und Römer auf einer relativ hohen Zivilisationsstufe. Ihre Errungenschaften in Staatsführung, Wissenschaft, Militär, Philosophie und Mathematik waren herausragend. Eine der größten Schwächen ihrer Kulturen war jedoch eine sehr hierarchisch und nach Klassen strukturierte Gesellschaft. Nur eine Minderheit besaß alle Bürgerrechte (und von civis, lat. Bürger, leitet sich ja auch Zivilisation ab!); ein allgemeiner Schutz von Menschenrechten – überhaupt dieser Begriff – war unbekannt. Dies führte dazu, dass Sklaven, Kriegsgefangene, Gladiatoren – und eben auch kleine Kinder – äußert willkürlich und unmenschlich behandelt werden konnten.
Ein Neugeborenes wurde bei den Griechen nicht automatisch als Person geachtet. Es mußte erst vom Familienvater in einer Zeremonie aufgenommen werden, was meist fünf Tage nach der Geburt geschah (amphidromia, wörtlich „Umlauf“); es folgte eine Feier am zehnten Tag nach der Geburt. Der Kindesaussatz war weit verbreitet, und dies aus verschiedensten Gründen (Geschlecht, Kinderzahl, wirtschaftliche Lage usw.). Diese „Findlinge“ (anairetoi) wurden häufig von Sklavenhändlern aufgesammelt und zu Sklaven herangezogen. Kindestötung und Abtreibung galt auch bei den Römern nicht als Mord.
Auch der wohl größte Philosoph aller Zeiten, Platon, hatte nicht viel übrig für einen Schutz kleiner Kinder, im Gegenteil. In Der Staat heißt es: „Nach unseren Ergebnissen müssen die besten Männer mit den besten Frauen möglichst oft zuasmmenkommen, umgekehrt die schwächsten am wenigsten oft; die Kinder der einen muss man aufziehen, die anderen nicht, wenn die Herde möglichst auf der Höhe bleiben soll“ (459d–e). Für seinen Idealstaat schuf Plato neuartige ‘Paarungsvorschriften’; die ‘Entsorgung’ von unerwünschtem Nachwuchs folgte aber nur der griechischen Tradition: „Sie übernehmen die Kinder der Tüchtigen und bringen sie in eine Anstalt zu Pflegerinnen, die abseits in einem Teil des Staates wohnen; die Kinder der Schwächeren oder irgendwie mißgestaltete verbergen sie an einem geheimen und unbekannten Ort, wie es sich gehört“ (460c). Die Möglichkeit einer Abtreibung nennt der Philosoph an einer Stelle: „Wenn aber Frauen und Männer das Zeugungsalter überschritten haben, dann lassen wir die Männer ungehindert verkehren, mit wem sie wollen… Und dies alles erst, nachdem wir ihnen befohlen haben, eine Frucht womöglich überhaupt nicht austragen zu wollen, wenn sie empfangen ist; wird sie aber trotzdem geboren, dann ist sie so zu behandeln, als ob für ein solches Kind keine Pflege vorhanden wäre“ (461b/c).
„Der Spiegel“ schreibt über die Zustände in der Antike: „Arme Leute – 90 Prozent des Volkes – konnten es sich einfach nicht leisten, mehrere Kinder durchzubringen. Seneca hielt das Ertränken von Neugeborenen, vor allem von Mädchen, aber auch von schwachen Babys, deshalb für ebenso vernünftig wie üblich. Der US-Archäologe Lawrence E. Stager machte in der [hellenistischen] Hafenstadt Askalon [in Palästina] im Abwasserkanal unter einem Badehaus einen schrecklichen Fund: Im Müll lagen annährend hundert Säuglinge. Sie waren gleich nach der Geburt in die Kanalisation geworfen worden.“ (13/2008)
Mit der Ausbreitung des Christentums begann sich die Situation radikal zu ändern. Der (atheistische) Historiker W.E.H. Lecky: „Kaum jemand zeigte in der Antike gegenüber der Abtreibungspraxis irgendwelche besonderen Gefühle… Die Sprache der Christen dagegen war von Anfang an völlig anders. Mit gradliniger Konsequenz und mit strengem Nachdruck lehnten sie diese Praxis ab, bezeichneten sie nicht nur als inhuman, sondern als eindeutigen Mord.“ (History of European Morals) So heißt es schon in der Didache im frühen 2. Jhdt.: „Du sollst nicht Gift mischen, du sollst nicht das Kind durch Abtreibung töten.“ Und im Barnabas-Brief aus derselben Zeit: „Töte das Kind nicht durch Abtreibung, noch töte das Neugeborene“. Bei allen großen Kirchenvätern finden sich Sätze, die die Abtreibung verurteilen. Augustin erlaubte die Abtreibung nur, um das Leben der Mutter zu retten.
Der (jüdische) Publizist H. Stein schildert, wie Kaiser Konstantin, der erste Christ auf dem Thron des Römischen Reiches, „das wichtigste Menschenrecht des freien Römers abschaffte: die potestas vitae necisque [das Recht über Leben und Tod].“ Weiter schreibt er: „Die Gebildeten bewundern heute – mit Recht – die Philosophie der Griechen, sie bestaunen die Architektur der alten Ägypter, schwärmen von der Höflichkeit der Chinesen, vergöttern die Stronomie der Babylonier und rühmen die römische Staatskunst. Darüber wird leicht vergessen, daß all diese Hochkulturen völlig bedenkenlos den Kindesmord als Mittel der Geburtenkontrolle anwandten. Es gab in der ganzen Antike nur ein Volk, bei dem es als Verbrechen galt, ungewollte Säuglinge zu töten – das waren die Juden.“ (Mose und die Offenbarung der Demokratie)
Die Christen übernahmen von den Juden den schon im AT begründeten Respekt vor dem Leben.  Konstantin stellte den Kindesmord unter strenge Strafe, ordnete aber auch finanzielle Hilfe für diejenigen an, die ausgesetzte Kinder versorgten – ein erstes Kindergeld. Stein: „Mit solchen Bestimmungen errichtete der große Konstantin eine unsichtbare Scheidewand, eine Mauer um die Feste Zion: Hinter ihr lag die judäochristliche Zivilisation, davor befand sich die übrige, die heidnische Welt.“
Der allgemeine Konsens unserer westlichen, europäischen und christlichen Zivilisation war jahrhundertlang, bis ungefähr zur Mitte des 20. Jahrhunderts, der Strenge Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens. Dieser Konsens drückte sich noch ein letztes Mal in der Erklärung von Genf des Weltärztebundes aus dem Jahr 1948 aus. Dort heißt es: „Ich werde den allergrößten Respekt für das menschliche Leben vom Zeitpunkt der Empfängnis an bewahren“. Dieser Artikel wurde 1984 geändert; 2005 verschwand die Empfängnis schließlich ganz. Ein neuer Konsens hatte sich durchgesetzt.
Pavilioniene und andere sollten daher ehrlich sein und die Dinge beim Namen nennen:  Ein liberales Abtreibungsrecht entspricht überhaupt nicht unserem traditionellen zivilisatorischen Erbe; es befindet sich in der Tradition der griechisch-römischen Zivilisation und muß fast 2000 Jahre überspringen. Wer ehrlich ist, sagt klar: dies ist pures Heidentum, und das ist uns lieber als der Gott der Juden und Christen mit seinen kleinlichen Vorschriften. Auch hier sehen wir wieder, daß es letztlich um die Wahl zwischen Religionen und Weltanschauungen geht. Und es zeigt sich mal wieder, wie schnell die Erinnerung an die eigene Geschichte verschüttet werden kann – mit entsprechenden Folgen.
Doch die Geschichte geht weiter. Der frühere deutsche Verfassungsrichter Udo DiFabio: „Was wäre eigentlich – nur ein provokatives Gedankenexperiment – wenn man die heute im gesamten Westen ohnes großes Aufheben durchgeführten, in jedem Jahr in die Millionen gehenden Abtreibungen in einer zukünftigen Zeit mit einer etwas anders gewichtenden Werteordnung als schweres Verbrechen an der menschlichen Gattung verstünde? Was wäre, wenn nach dem kulturellen Sieg einer solchen Auffassung uns Zeitgenossen von heute entgegengehalten würde, wir hätten diesen doch leicht erkennbaren Verstoß gegen universelles, für alle Menschen geltendes Recht sehen und ihm entgegentreten müssen?“ (Die Kultur der Freiheit) Holger Lahayne http://lahayne.lt/2020/09/28/wie-konnt-ihr-es-wagen/
Teil 1 https://bibelkreismuenchende.wordpress.com/2020/09/29/wie-konnt-ihr-es-wagen/

„Wie könnt ihr es wagen!“

Am 23. September 2019, hielt Greta Thunberg auf dem UN-Klimagipfel in New York ihre kurze, aber berühmte „How dare you“- Rede – „Wie könnt ihr es wagen!“. Im Hinblick auf Klimawandel und Erderwärmung und die angebliche Untätigkeit der Regierenden meinte sie geradezu giftig in die Kamera: „Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens“; „Wir werden euch das nicht durchgehen lassen!“; „Ihr habt mit euren leeren Worten meine Träume und meine Kindheit gestohlen“; „Die Augen der zukünftigen Generationen ruhen auf euch – und wenn ihr uns enttäuscht, werden wir euch das niemals verzeihen“. – Das Massensterben im Mutterleib setzt sich schon seit vielen Jahrzehnten immer weiter fort; Millionen Ungeborenen werden jedes Jahr alle Träume und jede Kindheit gestohlen; ihre Augen werden auf niemandem ruhen. Wird Gott dieser Generation den Massenmord verzeihen, denn seine Augen schauen wirklich auf uns? Wie können es die reichen Menschen es wagen, unschuldige Kinder umzubringen, wo doch sonst für alle ernsten Probleme der Welt – sei es Klimawandel, sei es Corona – immer genug Geld da sein soll und alles lösbar sei? Warum soll ausgerechnet dieser Skandal hingenommen werden? Wird Gott es durchgehen lassen? Holger Lahayne http://lahayne.lt/2020/09/28/wie-konnt-ihr-es-wagen/

Günter Rohrmoser zur Abtreibung

Die folgenden Zitate stammen aus Rohrmosers Buch „Der Ernstfall“ (2. Auflage von 1996). Es ist bedrückend, auf die rund 20 Jahre seit der Veröffentlichung zurückzublicken und zu sehen, wie recht er damals hatte und wie sehr sich dies inzwischen verschärft hat.
„Der Deutsche Bundestag hat 1992 mit der Unterstützung von Bundestagsabgeordneten der CDU eine Regelung herbeigeführt, die man euphemistisch „Fristenlösung“ nennt. […] Diese sogenannte Fristenlösung wird also nur möglich werden, weil der schlichte Sachverhalt, dass es sich um willkürliche Tötung eines unschuldigen menschlichen Lebens – aus welchen subjektiven Gründen auch immer – handelt, sprachlich verschleiert wurde. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wird eine bewusst und gezielt auf die Tötung eines anderen gerichtete Handlung sogar Mord genannt. Die Abtreibungsproblematik ist keine Frage der christlichen Moral oder der Moral überhaupt. Es ist auch keine Frage der sogenannten „Werte“. Werte kann man um anderer Werte willen verneinen. Man kann sie um angeblich übergeordneter Werte oder um abweichender anderer Werte willen außer Kraft setzen. Der Streit um die „Werte“ ist unlösbar. Wenn ich aus dem ungeborenen Leben einen Wert mache, kann ich diesen Wert natürlich bestreiten – aber mit fürchterlichen Folgen für das ungeborene Leben. Das ungeborene Leben ist eben kein Wert, sondern wirkliches Leben.“ (S. 155)
„Wir haben inzwischen – ähnlich wie in der Weimarer Republik – ein weitgehend positivistisches Verständnis vom Rechtsstaat. Das bedeutet, dass wir alles für Recht halten, was der Gesetzgeber nach Erfüllung bestimmter Kriterien zum Recht erklärt. Wir wissen aber, dass die Weimarer Republik an dieser positivistischen Rechtsauffassung mit zugrunde gegangen ist. Wir hatten uns nach 1945 vorgenommen, die sittliche Idee oder sittliche Substanz des Rechts anzuerkennen, weil wir in den zwölf Jahren des Nationalsozialismus die Erfahrung mit der Verneinung des Rechts gemacht haben. Die überwältigende Mehrheit der Deutschen wusste nach 1945, dass sich dies nicht wiederholen dürfe. Jeder wusste, dass die Idee des Rechts die Anerkennung des Lebensrechts eines jeden einzelnen einschloß und dass dies eine sittliche Notwendigkeit war, wenn das deutsche Volk aus dieser schrecklichsten Zeit seiner Geschichte eine Lehre ziehen wollte. Wir stehen heute an dem Punkt, an dem wir das offenbar vergessen haben.“ (S. 155f)
„Durch die Höherbewertung des Selbstbestimmungsrechts der Frau wird das Kind automatisch zu einem nicht vernichtungswürdigen, aber doch vernichtungsfähigen Unwert. […] Deshalb ist es auch ein Irrtum anzunehmen, dass diese neue Regelung frauenfreundlich sei. […] Jede Frau, die in Zukunft ein Kind austragen will, muss sich dann vor ihrer gesamten Umgebung rechtfertigen, weshalb sie nicht bereit ist, das Erlaubte und vielleicht von den anderen Geforderte zu tun. Vor der Liberalisierung der Abtreibung konnte sie die geballte Macht des Rechtsstaats anrufen, um sich dieses Drucks zu erwehren. Heute steht sie mutterseelenallein vor ihren Bedrängern.“ (S. 167f)
http://jonaserne.blogspot.de/2015/04/gunter-rohrmoser-zur-abtreibung.html