„Du sollst dir kein Bildnis machen“

Das „Bilderverbot“ (2Mo 20,4-6) ist neben dem Sabbatgebot das ausführlichste Gebot im Dekalog. Dies unterstreicht seine Wichtigkeit. Es präzisiert was es bedeutet, neben dem einen HERRN keine anderen Götter zu haben.
Kein Gottesbild machen
Ein ganz grundsätzliches Verbot: „Nicht mache für dich ein Bild“. Gott untersagt dem Mensch, dass er ihn zum Zweck der Anbetung abbildet. Hier ist zunächst an eine Götterstatue, ein plastisches Bild gedacht, wie z.B. das goldene Kalb (vgl. 2Mo 32,1-6). Aber dieses Wort gilt natürlich auch für alle ideellen Bilder, die sich der Mensch von Gott macht. Präzisierend wird hinzugefügt: „weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist“. Für ein plastisches Bild wählt der Mensch immer etwas, das ihm aus dem Bereich der Schöpfung vor Augen ist (Gestirne, Tiere, etc.). Viele Religionen der damaligen Zeit waren durch solche figürlichen Darstellungen geprägt. Doch wie Gott aussieht, weiß der Mensch nicht. Jede Darstellung greift daher zu kurz.
DAS EIGENE WERK NICHT ANBETEN
Zum grundsätzlichen Verbot des Machens von Bildern tritt ein weiteres grundsätzliches Verbot: „Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“. in der Anbetung liegt natürlich der eigentliche Grund des Machens. es gehört zum Wesen der Religion, dass Gott die ihm zustehende Verehrung im Gottesdienst erfährt und als Gott angebetet wird.
Wenn aber der Mensch das von ihm gemachte Bild – sei es plastisch oder ideell – anbetet, betet er nicht mehr ein Gegenüber an, dass sich ihm offenbart, sondern seinen eigenen „Wunsch-Gott“ und damit letztlich sich selbst.
DIE FOLGEN NEGATIV
Gott macht keinen Hehl daraus, dass die Herstellung und Verehrung eigener Gottesbilder Konsequenzen hat. eingeleitet wird diese Ankündigung mit dem Hinweis auf die Gottesbeziehung „ich, der HERR, dein Gott“. Wer sich ein eigenes Bild macht, verlässt diese Gottesbeziehung. Gott aber ist ein „eifernder Gott“. Der Begriff „eifernd“ begegnet an anderen Stellen, wenn ein Ehepartner den anderen betrügt oder verlässt. Gott hat Israel erwählt und befreit und einen Bund mit ihm geschlossen. er nimmt einen Bruch nicht gleichgültig hin, sondern sucht Sünde heim und reagiert – wie, das wird nicht konkret genannt.
Wer ist betroffen? „Väter und Kinder bis ins vierte Glied“. Diese Formulierung löst viele Missverständnisse aus.
Deshalb einige erklärende Worte.
– Das Wort meint die lebenden Generationen. Wenn in einer Hausgemeinschaft, in der die Generationen zusammenleben, der Vater, der Älteste sündigt und bestraft wird, dann hat dies Auswirkungen auf alle, die in dieser Hausgemeinschaft leben.
– Die Frage an die Folgegenerationen ist, ob sie den Weg des Vaters gehen oder nicht. Die Schlusswendung „die mich hassen“ bezieht sich auf alle Generationen, nicht nur auf die Väter.
– Der Begriff „heimsuchen“ meint nicht nur die Strafe, sondern zuvor auch die Prüfung. Gott prüft jeden einzelnen, wie er sich zu ihm verhält. Die Kinder können sich auch von den Sünden der Väter distanzieren.
– es ist deutlich zu unterscheiden zwischen der individuellen Schuld und der Folge von Schuld. im Blick auf Schuld ist jeder persönlich für seine Sünde verantwortlich. Die Folge von Schuld kann aber auch Unschuldige treffen.
DIE FOLGEN POSITIV
Ungleich größer ist Gottes erbarmen, das nicht nur drei oder vier Generationen im Blick hat, sondern Tausenden gilt. Was kennzeichnet diejenigen, die in dieser umfassenden Weise Gottes erbarmen erfahren? „Sie lieben Gott und halten seine Gebote“. ein interessanter Doppelaspekt. An erster Stelle steht die Liebe. Die Liebe richtet sich auf das Gegenüber und nimmt dieses an, ohne dazu eigene Bilder zu produzieren. Und diese Liebe orientiert sich an Gottes Willen, wie er sich in seinem Gebot ausdrückt. Bei Jesus finden wir einen ganz ähnlichen Zusammenhang: „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.“ (Joh 14,15). DR. HARTMUT SCHMiD
https://lgv.org/fileadmin/LGV-Verband/Medien/10gebote/10_Gebote_-_02_Kein_Bildnis_machen.pdf

Was Gott will: Die Alleinverehrung

Im ersten und zweiten Teil dieser Reihe zu den zehn Geboten haben wir festgestellt, dass die zehn Gebote nicht mit einem Gebot beginnen, sondern mit der Vorstellung Gottes. In zwei Kurzaussagen ist komprimiert davon die Rede, wer Gott ist und was er tut. Dann folgen in 2. Mose 20 ab Vers 3 die Gebote. Diese fassen zusammen, was Gott will
1.Die Kern Inhalteder Offenbarung
Wer ist Gott? Was tut Gott? Was will Gott? Mit diesen drei kurzen Fragen lässt sich die ganze Offenbarung zusammenfassen. Dies gilt nicht nur für Gottes Offenbarung im Alten Testament, etwa durch Gottes Handeln beim Auszug aus Ägypten und die Willensoffenbarung am Sinai. Dies gilt für die ganze Offenbarung Gottes, auch im Neuen Testament. Zu Gottes Offenbarung im Alten Testament tritt hier die Offenbarung durch Jesus Christus. Auf die Frage „Wer ist Gott?“ antworten Christen mit dem Bekenntnis zum dreieinigen Gott. Auf die Frage „Was tut Gott?“ verweisen Christen auf den gekreuzigten und auferstandenen Jesus und die Sendung des Heiligen Geistes. Und auch der Wille Gottes ist uns gegeben, etwa im Liebesgebot.
Dies alles ist kein Widerspruch zur Offenbarung Gottes im Alten Testament, sondern ein Fortschritt der Offenbarung auf dem Weg der Heilsgeschichte.
2.Aufdie Reihenfolge kommtesan
Die Abfolge der drei Fragen mit ihren Antworten ist nicht zufällig und beliebig: Zuerst die Person Gottes, dann sein Tun für die Menschen, dann seine Forderung an die Menschen. Gottes Tun kommt vor dem Tun der Menschen. Dies gilt im Alten und Neuen Testament. Zuerst erwählt und schafft Gott Israel. Zuerst führt er Israel aus Ägypten. erst dann folgen die Gebote und der Bundesschluss. Zuerst sendet Gott seinen Sohn, zuerst stirbt er für die Sünden der Menschen. erst dann werden die Menschen zum Glauben und Gehorsam gerufen. Des Menschen Tun ist keine Vorleistung für Gottes Handeln. Glaube und Gehorsam sind immer Antwort auf Gottes vorausgehendes Handeln. Das ist Gnade.
3.DerAnspruchder Alleinverehrung
Womit beginnt Gottes Willens-Offenbarung in den Zehn Geboten inhaltlich? Der Gott Israels fordert die Alleinverehrung. Die geläufige Übersetzung „du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ kann man auch präziser mit „Nicht seien andere Götter vor mir“ übersetzten. Oder noch anschaulicher formuliert: „Nicht seien andere Götter vor meinem Gesicht.“ Andere Götter stehen nicht neben Jahwe, sondern vor ihm. Sie verdecken ihn, d.h. der Kontakt zwischen Jahwe und israel wird durch andere Götter unterbrochen, die Beziehung hört auf oder sie wird zumindest unklar und verdunkelt. Die Bundesformel im Alten Testament lautet: Du (Israel) bist mein Volk und ich (Jahwe) bin dein Gott. Sie ist genauso exklusiv wie 2. Mose 20,3. Gott teilt sich nicht. einen anderen Gott neben Jahwe zu haben wird im Alten Testament mit Ehebruch verglichen. Natürlich kann der Mensch bzw. Im Alten Testament Israel dies tun, aber Gott macht nicht mit er steigt aus bzw. er ruft Israel zur Umkehr bis hin zu seinem Rufen im und durch Gericht.
4.Konsequenter Monotheismus
Von Gott her gibt es für Israel nur die Alternative Jahwe oder andere Götter.
Josua stellte sein Volk vor diese Entscheidung (Jos 24,14-15).
Elia trat zu einer Zeit auf, in der viele in Israel die Klarheit des Glaubens an Jahwe nicht mehr hatten und Jahwe und Baal dienten (1Kön 18,21).
In solchen Situationen geht es um die Eindeutigkeit des Glaubens gemäß 2. Mose 20,3 oder 5. Mose 6,4.
Durch die Erwählung und Berufung durch Jahwe gab es für Israel – wollte es diese Erwählung annehmen und leben – nur diesen Weg. Andere Völker hatten ihre Götter. Die Alleinverehrung eines Gottes nennt man „Monolatrie“, in der die Existenz anderer Götter nicht bestritten wird. in der Bibel finden sich jedoch auch Aussagen, die Jahwe als den einzig wahren Gott beschreiben und andere Götter als Götzen bezeichnen (vgl. Ps.96,5; Jes 44,6; 46,9; Jer 2,11).
An diesen Stellen kommt ein konsequenter Monotheismus zum Ausdruck. entschieden abgelehnt wird der Polytheismus, also die Verehrung mehrerer Götter, wie dies viele Religionen in der Umwelt Israels hatten. im Polytheismus stehen die Götter nebeneinander und sind für verschiedene Bereiche zuständig oder kämpfen sogar gegeneinander. im Monotheismus steht ein Gott für alles. Wie ist in diesem Zusammenhang die Dreieinigkeit einzuordnen? Sie ist eine Sonderform des Monotheismus und entspricht nicht dem Polytheismus, weil die drei Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist eins sind und als einheit wirken (Joh 10,30).
Was Gott will: Die Alleinverehrung
Im ersten und zweiten Teil dieser Reihe zu den zehn Geboten haben wir festgestellt, dass die zehn Gebote nicht mit einem Gebot beginnen, sondern mit der Vorstellung Gottes. In zwei Kurzaussagen ist komprimiert davon die Rede, wer Gott ist und was er tut.
Dann folgen in 2. Mose 20 ab Vers 3 die Gebote. Diese fassen zusammen, was Gott will.
Dr. Hartmut Schmid https://lgv.org/fileadmin/LGV-Verband/Medien/10gebote/10_Gebote_-_00_Grundlegendes_03.pdf

Einleitende Bemerkungen zum 3. Buch Mose

Das 3. Buch Mose zählt – wenn ich recht sehe – in unseren Kreisen zu den biblischen Büchern, die nicht so häufig gelesen und ausgelegt werden. Ein kleines Indiz dafür ist die Ordnung der Predigttexte der Evangelischen Landeskirche. In sechs Jahrgängen ist kein einziges Mal ein Text aus dem 3. Mose vorgesehen, hingegen aus dem 1.Mosebuch 13 Texte, aus 2. Mose 8 Texte, aus 4. Mose immerhin 2 Texte und aus 5. Mose 4 Texte (die Texte der württembergischen Reihe nicht mitgezählt).
Wie kommt es zu dieser Fremdheit? Das dritte Buch Mose enthält fast ausschließlich Gebote und kaum erzählende Texte. Viele Gebote betreffen – im Unterschied zu den Zehn Geboten – den kultischen Bereich oder die spezielle Situation Israels. Die meisten dieser Gebote sind für uns Christen aus den Nationen somit in ihrem wörtlichen Sinn nicht mehr einzuhalten. Dann stellt sich jedoch die berechtigte Frage: Warum soll man sich noch damit beschäftigen? Der geistliche Gewinn ist doch mit viel Aufwand und einem langen Anmarschweg verbunden. Eine weitere Erschwernis kommt hinzu. Viele Gebote ergehen ohne nähere Begründung und Erklärung. Den damaligen Hörern musste der Sinn klar gewesen sein. Uns hingegen trennen die Geographie, die Geschichte (über 3000 Jahre), die sozialen und kulturellen Voraussetzungen und die Heilsgeschichte vom konkreten Sinn der Gebote.
Eine kleine Zwischenbemerkung sei erlaubt. Bei einer Israelreise wurde unser israelischer Führer bei der Fahrt durch den Negev nach dem Sinn einiger Gebote aus 3. Mose befragt. Es war für uns interessant, wie plausibel er die Gebote aus historischer und geographischer Perspektive erläutern konnte.
Die Gebote hatten für Israel einen tiefen Sinn. Wir können sie als für uns weithin nicht mehr verbindlich vorschnell abtun. Ich bin jedoch überzeugt: Dem, der sich darauf einlässt und sich intensiv damit beschäftigt, eröffnet sich ein großer Schatz. Klar muss allerdings sein: Ohne Mühe geht es nicht!
1. Name
In der hebräischen Bibel lautet die Bezeichnung der Mosebücher nach dem jeweils ersten Wort, bei 3. Mose: „Und er rief“. Die frühe griechische Übersetzung, der sich die lateinische anschloss, versah die Bücher mit Namen, die den Inhalt berücksichtigten. So heißt 3. Mose „Levitikus“.
Damit ist auf die vielen Gebote angespielt, die den Kult bzw. den Gottesdienst und sein Umfeld betreffen. Die Priester, die vom Stamm Levi waren, hatten es damit in besonderer Weise zu tun. Dennoch gelten die meisten Gebote nicht speziell den Priestern, sondern ganz Israel. Die Priester haben bei der Durchführung besondere Aufgaben, z.B. bei der Darbringung der Opfer oder bei der Feststellung von Unreinheit.
2. Stellung im Pentateuch
Die fünf Bücher Mose haben auch die aus dem Griechischen abgeleitete Bezeichnung „Pentateuch“ (fünf Schriftrollen) oder die hebräische Bezeichnung „Thora“ (Weisung). Das dritte Buch Mose ist das kürzeste der Mosebücher und steht in deren Mitte. Diese zunächst rein äußerliche Feststellung der Stellung innerhalb des Pentateuchs ist bei genauerem Hinsehen nicht unbedeutend. Zwei Beobachtungen sollen dies unterstreichen.
1. 3. Mose ist das einzige Buch im Pentateuch, das lokal gesehen ausschließlich am Berg Sinai, dem Berg der Offenbarung, handelt. 3. Mose ist mit ganz wenigen Abstrichen Offenbarung von Gottes Willen an Israel. Die meisten Kapitel beginnen mit dem Satz: „Der Herr redete mit Mose (und/oder Aaron) und sprach …“
Das 2. Buch Mose schildert bis Kapitel 18 den Weg der Befreiung aus Ägypten und die Wüstenwanderung zum Sinai. Ab Kapitel 19 ist Israel am Sinai. In 4. Mose ist Israel zunächst noch am Sinai (bis 4Mo 10,10). Dann wird die weitere Wüstenwanderung bis vor die Tore des verheißenen Landes berichtet.
Unter lokalen Gesichtspunkten kann man 2.-4. Mose folgendermaßen gliedern:
· Weg zum Sinai 2Mo 1-18
· Aufenthalt am Sinai 2Mo 19-40 – 3Mo – 4Mo 1-10,10
· Weg vom Sinai 4Mo 10,11-36,13
Zieht man 1. Mose und 5. Mose bei diesen Überlegungen noch hinzu, so schildert 1. Mose die heilsgeschichtliche Vorgeschichte mit den Verheißungen für Israel, ohne die das Weitere nicht verständlich wäre. 5. Mose schließt an 4. Mose an und beinhaltet Moses Vermächtnis, das er an Israel vor seinem Tod an der Schwelle zum verheißenen Land gab. Man kann 1. Mose als Voraussetzung, 5. Mose als Zusammenfassung von 2.-4. Mose bezeichnen.
2. Betrachten wir den Abschnitt vom Aufenthalt am Sinai 2Mo 19-4Mo 10,10, so ergeben sich weitere interessante Perspektiven. 2Mo 19-24 kann man als grundlegende Einleitung (Präambel) bezeichnen: erste Begegnung mit Gott am Sinai, Dekalog (Zehn Gebote), Bundesbuch und Bundesschluss sind der weiteren Sinaithora vorangestellt. In 2Mo 25-40 geht es dann um den Plan der Stiftshütte und die Ausführung, nur unterbrochen von der Affäre um das Goldene Kalb (32-34). Das Thema von 2Mo 25-40 ist das Heiligtum. Der heilige Gott möchte im Heiligtum in Israels Mitte wohnen (2Mo 25,8).
Das Volk, in dessen Mitte der heilige Gott im Heiligtum wohnen möchte, muss zu diesem Gott passen, ihm entsprechen. Das ist das Thema des 3. Buches Mose. Das heilige Volk steht im Mittelpunkt. 3.Mo 19,2: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig“ ist eine treffende Zusammenfassung von 3. Mose.
4Mo 1,1-10,10 bespricht eher organisatorische Fragen, wie z.B. die Zählung der einzelnen Stämme, die Gaben für die Stifthütte sowie die Ordnung der Stämme um das Heiligtum im Lager und unterwegs.
Fassen wir diese Beobachtungen zusammen:
1. Man kann den gesamten, langen Abschnitt, der am Sinai handelt, mit dem Stichwort „heilig“ zusammenfassen. Damit ist ein Stichwort aufgenommen und ausgeführt, das schon durch das erste Kapitel des Sinaiaufenthalts gegeben ist. „Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein“ (2Mo 19,6).
2. Eine grobe Gliederung ergibt folgenden Aufbau:
2Mo 25-40 Das Heiligtum
3 Mo Das heilige Volk
4 Mo 1,1-10,10 Das heilige Volk um das Heiligtum.
Man kann diese grobe Gliederung auch mit einem Weg vergleichen: es geht von außen (Heiligtum) nach innen (das heilige Volk) und wieder nach außen (das heilige Volk um das Heiligtum). Über diesen Abschnitt 2Mo 25 – 4Mo 10 hinaus lässt sich der ganze Pentateuch als ein solcher Weg verstehen. Die lange Verheißungsgeschichte führt zum Sinai, dem Ort der Gottesbegegnung, der Offenbarung, des Bundesschlusses und der Gabe der Thora. Mit diesen Gaben setzt Israel seinen Weg fort bis an die Landesgrenze, um dort nochmals diese Gaben von Mose eingeschärft zu bekommen (5. Mose).
3. Damit aber steht das 3. Buch Mose als drittes von fünf Büchern nicht nur nummerisch in der Mitte des Pentateuch, sondern auch inhaltlich. Das 3. Buch Mose kann als Herz des Pentateuchs bezeichnet werden. Hier geht es um die Bestimmung Israels als Gottes heiliges Volk.
3. Gliederung
Die Gliederung von 3. Mose ist bis Kapitel 16 klar und thematisch vorgegeben. Ab Kapitel 16 gehen die Vorschläge bei verschiedenen Kommentatoren auseinander. Ich schließe mich Gerhard Maier in seinem Kommentar „Das dritte Buch Mose“ (Wuppertaler Studienbibel) an.
I. Opfergesetze, Kap. 1-7
II. Einsetzung des Priestertums, Kap. 8-10
III. Reinheitsgesetze, Kap. 11-15
IV. Gesetz für den großen Versöhnungstag, Kap. 16
V. Gesetze zur Heiligung des ganzen Lebens, Kap. 17-25
VI. Ankündigung von Segen und Strafe, Kap. 26
VII. Bestimmung über Gelübde, Kap. 27
4. Themen
4.1. Gemeinschaft
Es geht in der Offenbarung am Sinai um die Gemeinschaft von Israel mit seinem Gott. Die ganze Gesetzgebung dient diesem Ziel. Über allen einzelnen Geboten, die für uns vielleicht unverständlich bleiben und auch zuweilen seltsam erscheinen, darf dieser grundsätzliche Zielaspekt nicht verloren gehen. Gott hat mit Israel einen Bund geschlossen (2Mo 24), Gott möchte in Israels Mitte wohnen (2Mo 25,8), dafür müssen die entsprechenden Regelungen getroffen werden.
4.2. Opfer
Mit den Opfergesetzen beginnt 3. Mose. Fünf verschiedene Opfer werden vorgestellt und die Art und Weise der Darbringung geregelt. Uns mögen diese Opferregelungen besonders fremd sein. Dies wird durch die fehlende Deutung der einzelnen Handlungen noch verstärkt. Die Darstellung ist beschreibender, nicht deutender Art. Und doch kann man einige Merkmale erheben. Am Anfang steht das Brandopfer. Es ist ein Ganzopfer, das komplett verbrannt wird. Dann gibt es Opfer, bei denen nur ein Teil verbrannt wird. Den anderen, genau festgelegten Teil bekommen die Priester, oder er wird von den am Opfer Beteiligten gemeinsam gegessen. Bei weiteren Opfern steht die Sühne im Mittelpunkt. Fassen wir die verschiedenen Aspekte zusammen, so geht es um Hingabe, Gabe an Gott und an das Heiligtum (Versorgung der Priester), Gemeinschaft und Vergebung. Zentrale Punkte des Glaubens kommen durch die verschiedenen Opfer zum Ausdruck.
4.3. Reinheit und Heiligkeit
Die Reinheitsgesetze sind mit fünf Kapiteln kein kleiner Teil von 3. Mose. Es geht um die Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren, um die Regelung für Frauen nach der Geburt eines Kindes, um die Unreinheit durch verschiedene Veränderungen der Haut sowie um die Ausflüsse bei Mann und Frau (Samenerguss und Blutung). Die Unterscheidung von rein und unrein macht deutlich, dass die Gemeinschaft mit Gott gewisser Voraussetzungen bedarf. Der Mensch kann von sich aus nicht wann und wie es ihm beliebt mit Gott in Kontakt treten.
4.4. Soziale Dimension der Gebote
Das ganze atl. Gesetz ist von einem hohen sozialen Niveau geprägt. Ganz deutlich wird dies am Bundesbuch (2Mo 21-23), das vor allem Gebote für das soziale Miteinander beinhaltet. Aber auch in 3. Mose stoßen wir auf diesen Zug des Gesetzes. Entscheidend dafür ist die Grundhaltung jedes Einzelnen zu seinem Nächsten. In 3Mo 19,18 lautet ein ganz grundsätzliches Gebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Die Nächstenliebe hat sich jedoch ganz konkret zu erweisen. Ein Beispiel soll dies unterstreichen. Nach den Regelungen über das Erlassjahr (3Mo 25) soll nicht ein Grundstück, sondern nur sein Ertrag verkauft werden. Damit bleibt das Grundstück im Besitz der Familie, und auch der Ertrag geht spätestens im Erlassjahr wieder an die Besitzer. Durch diese Ordnung ist der Besitz und damit die Versorgung für die nachkommenden Generationen gesichert. Das atl. Gesetz zielt auf die Freiheit und Selbständigkeit eines jeden Israeliten.
4.5. Totalität
Das atl. Gesetz regelt weite Bereiche des Lebens: das Verhältnis zu Gott, den Gottesdienst, die Feste, das Verhältnis zum Nächsten, die Abgrenzung von der heidnischen Umwelt sowie die Distanzierung von heidnischen Bräuchen; es legt fest, mit wem Geschlechtsverkehr grundsätzlich nicht stattfinden soll und vieles anderes mehr. Damit kommt zum Ausdruck, dass wirklich das ganze Leben in Beziehung zu Gott steht und dass das ganze Leben vom Glauben betroffen ist.
4.6. Vergebung
Israel ist berufen zur Heiligkeit. Diese Heiligkeit muss nicht zuerst verdient werden, sondern sie wird mit der Berufung verliehen. Die Gebote dienen dazu, diese Heiligkeit zu bewahren. Israel soll heilig sein, weil sein Gott heilig ist. Aber Israel scheitert immer wieder an dieser Forderung. Deshalb enthält 3. Mose nicht nur die Forderung der Heiligkeit, sondern auch die Möglichkeit der Sühne (Sünd- und Schuldopfer, großer Versöhnungstag). Eine Frage stellt sich jedoch, ob es aus dieser Spannung zwischen Heiligkeit und Vergehen einen Ausweg gibt.
4.7. Priester und Laien
Der Name „Levitikus“ könnte den Eindruck erwecken, als ginge es speziell um Gebote für Priester. Dies ist, wie schon ausgeführt wurde, bei weitem nicht der Fall. Zunächst muss man festhalten, dass ganz Israel zu einem „Königreich von Priestern“ berufen war (2Mo 19,6). Die Priester aus dem Stamm Levi hatten nicht einen besseren Stand, sondern nahmen in Vertretung Israels bestimmte Dienste im Kult wahr. Aber auch die Laien waren am Kult beteiligt. Deutlich wird dies bei den Opfern. Der Opfernde suchte das Tier aus, brachte es zur Stiftshütte, legte ihm die Hand auf, schlachtete es, zog das Fell ab, zerlegte und reinigte es. Nur der Blutritus und die Verbrennung geschahen durch die Priester.
5. Das 3. Buch Mose und die christliche Gemeinde
Zunächst können wir feststellen, dass im NT auf viele verschiedene Stellen aus 3. Mose Bezug genommen wird (vgl. die ausführliche Zusammenstellung bei G. Maier, Das dritte Buch Mose, S. 39-40). Jesus, sein Leben und Handeln, Leiden und Sterben ist ohne das AT insgesamt und ohne 3. Mose letztlich nicht zu verstehen. In vielen praktischen Fragen des Lebens orientierte sich Jesus an den Geboten. So schickte er etwa die geheilten Aussätzigen zum Priester, um die Heilung feststellen zu lassen (3Mo 13-14; Mt 8,4). Am häufigsten wird Bezug genommen auf 3Mo 16 (großer Versöhnungstag) und 3Mo 19 (u.a. Nächstenliebe). 3Mo 16 wird im Hebräerbrief mehrmals aufgenommen (Hebr 5,3; 7,27; 9,7ff u.ö.). Der Apostel macht deutlich, dass das in 3. Mose vorgestellte Sühnegeschehen in Jesus seine Erfüllung und Vollendung findet. Ausführlich vergleicht er in Hebr 7 das aaronitische Priestertum mit dem Hohenpriester Jesus und arbeitet den Unterschied heraus. Das AT zeigt uns vor allem in 3. Mose, dass Sühne nötig ist und wie sie geschieht: durch stellvertretendes Sterben. Gleichzeitig wird im AT immer deutlicher, dass der Sühnekult mit Tieren und sündigen Priestern nicht die Lösung ist. Allein das Leben des sündlosen Gottessohnes ermöglicht wahre Sühne. In Jesu einmaligem Tod ist dann die Forderung des Opfers und das atl. Priestertum erfüllt und bedarf keiner Wiederholung. Im Unterschied zu den kultischen Geboten, die durch Jesus erfüllt sind, stellt sich bei den ethischen Geboten die Frage, inwieweit sie für die christliche Gemeinde im wörtlichen Sinne weiterhin Gültigkeit haben. Die Entscheidung wird man nur aufgrund einer gesamtbiblischen Interpretation vornehmen können. So gibt es Gebote, die nur auf dem Hintergrund der damaligen Zeit, der religiösen und kulturellen Einbettung Israels in die Umwelt, der geographischen Lage, der Tatsache, dass Israel als Volk auch eine religiöse Einheit war, zu verstehen sind. Wir können teilweise diese Gebote gar nicht mehr umsetzen. Allerdings können sie uns auch heute bei unseren Entscheidungen in übertragener Weise als Orientierungsrahmen dienen. Nehmen wir als Beispiel nochmals 3Mo 25. Wir haben in Deutschland andere rechtliche Regelungen und können uns juristisch nicht einfach auf 3Mo 25 beziehen. Wir können uns aber in unserem Werteverständnis und in unserem gesamten Verhalten von der sozialen Dimension solcher Gebote leiten lassen. Andere Gebote wie 3Mo 19,18 sind ohne Abstriche gültig. Das zeigt die häufige Aufnahme im NT.
Das Thema von 3. Mose ist die Heiligkeit Israels. Israel wurde diesem Anspruch oft nicht gerecht. Auch die Christen werden als „Heilige“ bezeichnet (1Kor 1,2). Die Frage ist, wie wir diesem Anspruch gerecht werden (siehe dazu an anderer Stelle die Ausarbeitung zu 3Mo 19).
Lohnt sich die Beschäftigung mit 3. Mose? Lohnt es sich trotz eines langen Anmarschweges, der uns zum Verstehen nicht erspart bleibt? Ich meine ja. Dieses Buch hilft im Besonderen, um Jesu Werk und Leben und damit die göttliche Heilsgeschichte zu verstehen.
Pfarrer Hartmut Schmid,Studienleiter am Albrecht-Bengel-Haus, Tübingen
https://www.die-apis.de/bibel-und-medien/bibel-und-arbeitsmaterial/auslegungen-und-biblische-themen/altes-testament/3-mose/