freie Gnade Gottes

„Um allen Regungen geistlichen Hochmuts zu wehren, wollen wir immer daran denken, dass nicht wir Christus ergriffen haben, sondern dass Christus uns ergriffen hat; dass alles, was wir haben, uns von oben gegeben worden ist; dass die freie Gnade Gottes allein den Unterschied zwischen uns und anderen gemacht hat; dass wir, sollte Gott uns nur einen Augenblick unseren eigenen trügerischen Herzen überlassen, schwach und gottlos werden würden wie die anderen.“ Georg Whitefield

Wozu brauchen wir Gnade?

Wir brauchen Gnade Gottes nicht, um Krisen zu ertragen; die menschliche Natur und der menschliche Stolz reichen völlig aus, um Belastungen hervorragend zu meistern. Es braucht aber die übernatürliche Gnade Gottes, um jeden Tag, 24 Stunden lang in der Heiligung zu leben, sich als Jünger abzurackern und als Jünger Jesu ein gewöhnliches, unbeobachtetes und ungeachtetes Leben zu führen. Oswald Chambers

Gottes Gnade

Ihr Deutschen dürft nicht denken, daß ihr es [Gottes Gnade und Wort] ewig haben werdet; denn der Undank und die Verachtung wird es nicht lassen bleiben. Darum greife zu und halte fest, wer greifen und halten kann; faule Hände müssen ein böses Jahr haben.“ – Luther

Jeder bekommt, was er verdient.

„Jeder bekommt, was er verdient.“ Kennst du dieses Sprichwort? Wir leben in einer gnadenlosen Welt. Dabei gehört Gnade zu den bekanntesten Begriffen des christlichen Glaubens. Aber was bedeutet er eigentlich? In der deutschen Sprache kennen wir den Begriff heute kaum noch. Lediglich im Strafrecht taucht das Prinzip der Begnadigung auf – Gnade vor Recht. Jemandem etwas zuwenden, der es eigentlich nicht verdient hat. Durch die gesamte Bibel hindurch zieht sich „Gnade“ als Kernbegriff. Im Alten Testament ist er eng verknüpft mit dem Bund, den Gott mit seinem Volk schließt. Im Neuen Testament kommt an 155 Stellen das Wort „Gnade“ vor. Besonders Paulus legt einen großen Fokus auf die Gnade Gottes – womöglich aufgrund seiner eigenen Lebensgeschichte. Er macht uns deutlich, dass Gnade ein Geschenk ist, das man sich nicht verdienen, nicht erarbeiten kann. Die Gnade Gottes ist umsonst. Inmitten der Leistungsgesellschaft, in der wir leben, ist dies eine schöne und zugleich schwere Botschaft. Schön, weil wir alle gerne etwas geschenkt bekommen. Schwer, weil es aufgrund unseres Leistungsdenkens herausfordernd ist, diese Botschaft anzunehmen. Stattdessen verhalten wir uns doch ganz oft eher ungnädig – zu anderen und zu uns selbst. Die Gnade Gottes ist umsonst, aber sie ist nicht billig. Es geht nicht darum, Schuld einfach abzutun oder sie nicht beim Namen zu nennen. Schuld bleibt Schuld. Aber wo Buße und Umkehr von Schuld stattfinden, ist die Gnade vollkommen. Gnade ist nämlich wie Wasser: Sie fließt immer nur zu den tiefsten Punkten des Lebens, nicht zu den höchsten. Wir alle brauchen Gnade. Jeden Tag, jede Sekunde leben wir aus der Gnade Gottes. Wir leben mit dem Gott der zweiten, dritten und vierten Chance. Der Gott, der sagt: „Du darfst nochmal.“ Paulus wird bis heute als „Apostel der Gnade“ bezeichnet. Wie anders würde diese Welt aussehen, wenn wir als Christen anfangen, ebenso Apostel der Gnade zu sein?
Stephan Holthaus
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Meine Gnade genügt

„Einige von euch haben vielleicht davon läuten hören, daß ich in den letzten vierzig Jahren sehr viele und teilweise sehr dicke Bücher geschrieben habe. Ich darf aber frank und frei und auch fröhlich zugeben, daß die vier Wörtlein ‚Meine Gnade genügt dir‘ viel mehr und viel Besseres sagen als der ganze Papierhaufen.“ Karl Barth

Wir werden ohne Verdienst gerecht

Ein Junge hat sein Zeugnis mit den schlechten Noten selbst unterschrieben – mit den Namen seiner Eltern. Der Direktor bestellt die Eltern zu sich, holt das Kind dazu und präsentiert den Eltern die krakelige Unterschrift auf dem Zeugnis. Triumphierend fragt er: „Sollen das etwa Ihre Unterschriften sein?“ Der Junge will im Boden versinken, weil sein Betrug auffliegt und die Eltern von ihm jetzt sicher enttäuscht sind. Er fürchtet die Strafe. Aber zunächst sagt der Vater:“Ja, das ist meine Unterschrift“ und dann bestätigt auch die Mutter, das Zeugnis kenne sie natürlich und natürlich habe sie das unterschrieben. Die Eltern selbst stellen das Vertrauensverhältnis zwischen sich und ihrem Kind wieder her, obwohl das Kind etwas falsch gemacht hat. Sie stehen zu ihrem Kind – nicht nur mit seiner Schwäche, die sich in den schlechten Noten zeigt, sondern auch mit dem, was es falsch gemacht hat, mit seiner Schuld. So wie diese Eltern verhält sich auch Gott zu uns Menschen. Das ist gemeint, wenn Paulus im Römerbrief schreibt: „Wir werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.“ (Kapitel 3, Vers 24). Gott nimmt uns an, sagt Ja zu uns, auch wenn unsere Leistungen nicht ausreichen und er nimmt unsere Schuld auf sich und trägt sie weg. Gott ist gnädig, Gott sei Dank.

Was bedeutet Gnade?

Grundwort Gnade

Zur Einführung: Einige Vorbemerkungen zu dem Wort „Gnade“
In dem Wort „Gnade“ wird die ganze Geschichte des Heils Gottes in Jesus Christus zusammengefasst.
Gnade ist eines der häufigsten Worte in der Bibel (siehe Konkordanz), besonders in den Psalmen und bei Paulus. Zugleich ist es in unserer heutigen alltäglichen Umgangssprache ein relativ seltenes Wort (z.B. Gnadengesuch, begnadigt, ein begnadeter Künstler).
Martin Luther übersetzt die Worte „chen“ und „chäsed“ aus der hebräischen und „charis“ aus der griechischen Sprache mit „Gnade“, oft auch mit „Güte“. Sehr oft sind diese Worte in der hebräischen Sprache mit „emet“ oder „emuna“, in der griechischen Sprache mit „aletheia“ verbunden, d.h. mit dem Wort „Treue“. So begegnet uns immer wieder die Zusammenstellung von „Gnade und Treue“.
Das deutsche Wort „Gnade“ kann inhaltlich nicht die ganze Füllung dieses biblischen Wortes wiedergeben. Christoph Oetinger sagt in seinem Wörterbuch (1776): „Gnade heißt eigentlich … Freiwilligkeit, Gutherzigkeit, freie Neigung zu schenken und zu geben, ohne dass einem jemand etwas zuvor gegeben“. In dem Wort Gnade schwingt der Gedanke des Herabneigens, des Herunterbeugens mit. In Spr 16,15 begegnet uns eine solche Umschreibung der Gnade: „Wenn des Königs Angesicht freundlich ist, das ist Leben, und seine Gnade ist wie ein Spätregen“. Ähnlich auch Ps 40,1: „Er neigte sich zu mir“. Gnade meint eigentlich: Gott kommt mir nahe.
Was die Gnade, die uns in Jesus Christus begegnet, bedeutet, könnten wir in der Gemeinschaftsstunde etwa an Eph 2,4-10 besprechen (siehe Teil I). Dort begegnet uns zur Beschreibung der Gnade das Wort Gabe, Geschenk.
In der lateinischen Übersetzung der Bibel wird Gnade mit „gratia“ übersetzt. Daher kommt das deutsche Fremdwort „gratis“ – etwas umsonst bekommen.
Gnade ist die Bereitschaft, für einen anderen da zu sein. So hat sich Gott schon Mose vorgestellt (2Mo 3,12.14): „Ich werde sein, der ich sein werde“ im Sinn von: „Ich werde mit dir sein“. Paulus hat dies in der ihm eigenen größtmöglichen Kürze in Röm 8,31 so ausgedrückt: „Ist Gott für uns“. Dieses göttliche „Für-uns-Sein“ aus ewiger, unbegreiflicher Liebe ist der Inbegriff der Gnade.
Paulus fasst in dem Wort „Gnade“ das ganze Heilsgeschehen Gottes in Jesus Christus zusammen. Von dort her ist Martin Luther geprägt mit seinem „Allein aus Gnade“ (sola gratia). Gnade ist in der Bibel verbunden mit der Treue, der Barmherzigkeit und dem Bund Gottes. Diese Treue Gottes in der Verbindung mit Gnade meint vor allem die Zuverlässigkeit, Beständigkeit Gottes bis hin zu 2Tim 2,13: „So bleibt er doch treu.“
Es erfordert viel Weisheit, Geduld, Gebet, Nachdenken, Hineinhören in das heutige Leben, um dem modernen Menschen das Wort „Gnade“ inhaltlich nahe zu bringen. Er hält sich wie einst die Pharisäer und Schriftgelehrten vor Gott für gerecht. In seinem emanzipierten, selbständigen, vom Humanismus und Idealismus geprägten Denken geht er davon aus, dass der Mensch gut ist und deswegen keine Gnade braucht. Viele haben überhaupt kein Verhältnis mehr zu Gott. So ist es nicht leicht, deutlich zu machen, dass wir wirklich vor Gott Gnade brauchen, dass wir in seinem jüngsten Gericht ohne Gnade nicht bestehen können, dass wir ohne Gnade verlorene Menschen sind. Die lutherische Frage: „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ ist heute nicht mehr jedem verständlich. Dies alles müssen wir bedenken, wenn wir heute von „Gnade“ sprechen.
Trotzdem wollen wir durch die Behandlung dieses Grundwortes „Gnade“ zu dem frohmachenden reformatorischen „Allein aus Gnaden“ helfen.

I. Die Gnade hat einen Anfang
Mitten in der Geschichte der von Gott geschaffenen, aber dann von Gott abfallenden Menschheit beginnt die Geschichte der unbegreiflichen Gnade Gottes.
In 1Mo 6,3.5-8 steht: „Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden …, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden …, und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde … Aber Noah fand Gnade vor dem Herrn.“ Hier begegnet uns zum ersten Mal in der Bibel das Wort Gnade. Hier begegnet uns auch zum ersten Mal das Geheimnis der göttlichen Erwählung, dass Gott aus der großen Schar der dem Gericht verfallenen Menschheit sich einem zuneigt und mit ihm seine Geschichte der rettenden und weiterführenden Gnade beginnt.
Hier begegnet uns aber auch das die ganze Bibel und Geschichte Gottes mit der Menschheit durchziehende Gegenüber von Sünde und Gnade. Paulus hat dies in dem Satz aus Röm 5,20 so zusammengefasst: „Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger geworden.“
Mitten in der Zeit maßloser Unterdrückung des Volkes Gottes in Ägypten setzte Gott mit der Berufung des Mose neu mit seiner Geschichte der Gnade ein. Zu ihm sagt dieser Herr auf dem langen Zug durch die Wüste: „Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden“ (2Mo 33,17). Zugleich offenbart er ihm seinen Namen, der ewig mit der Gnade verbunden ist: „Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue“ (2Mo 34,6, mit allen Parallelen). Durch diese Gnade bekam Mose die Kraft, trotz aller Wirrnisse das Volk Israel bis an die Tore des verheißenen Landes Kanaan zu führen.
Dann geht Gottes Weg der Gnade weiter mit seinem Volk und seiner Menschheit in einer Zeit der harten Unterdrückung des Volkes Israel durch die Römer.
Der Engelfürst Gabriel wird in Nazareth zu der Jungfrau Maria gesandt und grüßt sie: „Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden“ (Lk 1,30). Dann spricht der Engel von Jesus.
Zur Geschichte der Gnade Gottes gehört Jesus, der Sohn Gottes, der König des kommenden Reiches Gottes. Das Wort Gnade taucht im irdischen Leben, Reden und Wirken Jesu, wie es uns die Evangelien berichten, kaum auf. Aber in seinem Dasein, Leben, Wirken und Leiden ist Jesus die Gnade Gottes in Person.
Was das Wort „Gnade“ meint, sehen wir anschaulich in dem, wie Jesus auf Menschen zugegangen ist: wie er Kranken, Sündern, Besessenen, Kindern, Frauen, Hungernden, seinen Jüngern, seinen Gegnern, dem römischen Statthalter begegnet ist.
In Jesus ist Gottes Gnade mitten unter uns Menschen da. Johannes hat das in Joh 1 so zusammengefasst: „Im Anfang war das Wort …, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit (Treue). Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit (Treue) ist durch Jesus Christus geworden.“ Jesus ist hier das Gegenüber von Mose, und die Gnade ist das Gegenüber zum Gesetz. Das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen, die Jesus aufnehmen und dadurch Gottes Kinder werden, ist nicht mehr durchs Gesetz, sondern durch die Gnade bestimmt (Joh 1,12). Der Apostel Paulus ist von seiner eigenen Lebensgeschichte her, mit der ihn Jesus als ehemaligen Feind angenommen und in den Dienst des Evangeliums gestellt hat, in besonderer Weise der „Prediger der Gnade“ geworden, des „Wortes seiner Gnade“ (Apg 20,32).
Er sieht sein neues Leben seit Damaskus als Geschenk der Gnade. So schreibt er es in seinem Brief an die Epheser (2,4-10): „Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden“. Hier stellt er die Barmherzigkeit, die Liebe und die Gnade zusammen, die uns zu einem neuen Leben mit Christus helfen. In den folgenden Versen macht Paulus deutlich, dass uns seine Gnade mit Christus hineinstellt in ein von der Auferstehung, von der himmlischen Welt und kommenden Herrlichkeit bestimmtes Leben. Die Gnade gibt die Perspektive nach vorne und gehört mit der Hoffnung zusammen. Gnade ist nicht nur ein augenblicklicher juristischer Rechtsakt, sondern bedeutet die jetzt im Glauben beginnende und einst im Schauen sich vollendende Seligkeit. Gnade meint Rettung durch Jesus Christus.
Noch einmal schreibt Paulus davon ganz persönlich in 1Tim 1,12-17. Gnade zielt auf eine ganz persönliche Geschichte Gottes mit uns, die zum Dank und zur Anbetung führt (das griechische Wort für Gnade „charis“ bedeutet auch „Dank“). Der Anfang dieser Gnadengeschichte liegt weit vor der Zeit unseres Lebens. Das fasst Paulus in 2Tim 1,9 so zusammen: „Er hat uns selig gemacht und berufen … nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Jesus Christus vor der Zeit der Welt.“
Immer neu betont er, dass wir nicht Werke, gute Werke, fromme Werke tun müssen, damit uns Gott gnädig wird. Es ist umgekehrt. Das schreibt er in Eph 2,10: „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“ Die Gnade führt zu einem Leben in guten Werken, in der Liebe, im Dienen, in Werken, die Gott für unser Leben im Voraus geplant, „zuvor bereitet“ hat.
In der Zeit der Geschichte des Alten Bundes wird diese Gnade Gottes im Glauben oft erfahren in den geschichtlichen Führungen Gottes. So sagt Elieser, der vertraute Knecht des Abraham, bei der Erfüllung seines nicht ganz einfachen Auftrags, nach einer Braut für Isaak zu suchen, die er in Rebekka findet: „Der Herr hat Gnade zu meiner Reise gegeben“ (1Mo 24,56).
Manfred Siebald hat das in einem seiner Lieder so gefasst: „Geh unter der Gnade“.
„Aus Gnade seid ihr selig geworden“ ist das eigentliche Thema des Neuen Bundes. Und diese Gnade geht von Gott aus und hat in Gott ihren Anfang.

II. Die Gnade hat einen Höhepunkt
Gottes Gnade und Liebe ist nicht nur eine Gesinnung Gottes uns Menschen gegenüber geblieben, sondern sie ist Realität, Tat geworden in der Sendung seines Sohnes in diese Welt und Menschheit hinein (vgl. Joh 3,16).
Paulus hat das zusammengefasst in Röm 8,32: „Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (hier steht das Zeitwort von Gnade). Der lebendige Gott, der uns liebt, will uns in seinem Mensch gewordenen Sohn seine Gnade persönlich offenbaren.
Die Gnade Gottes kann uns auch in seiner Schöpfung in der Natur begegnen, auch in der Geschichte. Aber heilbringend (Tit 2,11) begegnet sie uns in der Person Jesu Christi, dem Sohn Gottes. In Jesus Christus erscheint Gottes Gnade in ihrer ganzen Fülle (Joh 1,16). Jesus Christus ist ganz voll von Gnade. In einem Lied heißt es: „Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden“ (GL 1,7).
Nun ist es das Erstaunliche, dass wir Menschen, auch wenn wir von Hause aus alle Sünder sind, zu Jesus kommen dürfen, ihn suchen, uns ihm zuwenden, ihm unsere Sünden bekennen dürfen. Das wird alles in dem Wort „Buße“ zusammengefasst. Rechte Buße ist kein trauriges Geschäft, sondern sie führt uns zu der Freude, die uns teilgibt an der Gnade Gottes in Jesus Christus.
Damit sind wir am Höhepunkt der Gnade Gottes. Die Gnade Gottes begegnet uns in Jesu Kreuz, in dem Gekreuzigten auf Golgatha. Johannes der Täufer hat von ihm gesagt: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“ (Joh 1,29). Jesus Christus trug als der Sohn Gottes am Kreuz unsere verdiente Sündenstrafe. Wie schwer dieses Leiden war, wird uns deutlich an den sieben Worten Jesu am Kreuz.
Gott und seinen Sohn Jesus Christus hat dieser Weg mit dem Höhepunkt am Kreuz alles gekostet. Dieses Hingeben seines Sohnes in die Hände der Menschen ist der heißglühende Punkt der Liebe und Gnade Gottes. Hier begegnet uns, wie man heute auch sagen kann, „Gnade pur“. Darum geht uns Menschen unter dem Kreuz am stärksten auf, was Gottes Gnade ist und will.
Hier unter dem Kreuz und dem Aufsehen zu Jesus, dem Gekreuzigten und dann Erhöhten, entsteht in uns durch Gottes Wort und Gottes Geist der rettende Glaube an diesen Jesus Christus. Da können wir die Gnade Gottes fassen und zur Gewissheit unseres Heils kommen.
In der Vergebung, die wir durch Christi Tod und Auferstehung erlangen können, besteht der wesentliche Inhalt der Gnade Gottes. Ohne Kreuz Jesu und abseits vom Kreuz Jesu gibt es für uns Menschen keine rettende Gnade. Das Kreuz Jesu Christi ist im ganzen Neuen Testament die grundlegende und unerlässliche Voraussetzung, um an der Gnade Gottes teilzuhaben.
Mit der Gnade sind die Gnadengaben Gottes (charismata) für die Gemeinde und den einzelnen Jünger gegeben. Die größte Gnadengabe ist die Liebe (1.Kor 13,13).
Die Gnade führt zum Dienst der Liebe an unseren Mitmenschen. Aus der Gnade wächst ein Leben im Dienst heraus. Gnade führt zum Dienst und Dienst ist Gnade. So hat Paulus im Auferstehungskapitel 1Kor 15 (V. 10) von sich selbst geschrieben: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“.
Zu diesem „Höhepunkt“ der Gnade gehört „buchstäblich“ auch das Wort „Gnadenthron“. Das war in der Zeit des Alten Bundes in der Stiftshütte und im Allerheiligsten des Tempels der Deckel auf der Bundeslade, von den Seraphim umgeben. Es war der Ort der heiligen Gegenwart Gottes. In Röm 3,21-25 stehen bei Paulus die entscheidenden Sätze über die Rechtfertigung des Sünders vor Gott durch die Gnade und durch den Glauben. Er schreibt dort (V. 23): „Sie sind allesamt Sünder … und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne“ (in der früheren Lutherübersetzung steht hier wörtlich übersetzt: zu einem Gnadenstuhl).
In 3Mo 16,12-15 ist von diesem Gnadenthron die Rede. Der Priester soll etwas vom Blut des Stieres nehmen und es mit seinem Finger gegen den Gnadenthron sprengen. Solches soll geschehen am jährlichen großen Versöhnungstag (vgl. auch 2Mo 25,17-22).
Nun ist im Neuen Bund Jesus Christus der Gekreuzigte, Auferstandene und Erhöhte für seine Gemeinde und sein Volk dieser Thron der Gnade (Hebr 4,16). In Jesus haben wir Gemeinschaft mit Gott. Beides wird an diesem Gnadenthron in Jesus, dem Gekreuzigten und Erhöhten, deutlich: Gott nimmt die Sünde ernst. Sie kann nur durch das Blut des Lammes getilgt werden. Er ist aber nicht nur der richtende Gott, sondern auch der vergebende in seiner rettenden Liebe für den, der an Jesus aufgrund des Evangeliums glaubt.
In Hebr 4,12 wird von Jesus, dem großen Hohenpriester, gesagt, dass er mit uns sündig Werdenden mitleiden kann, weil er selbst versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. Darum werden wir eingeladen: „Lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.“ Jesus als dieser Gnadenthron ist in der himmlischen Welt immer für uns da, und wir dürfen uns ihm in Demut (vgl 1Petr 5,5; Spr 3,34) und Ehrfurcht, aber auch in Zuversicht im Gebet nahen.

III. Die Gnade hat ein Ziel
Die Gnade Gottes zielt nicht nur auf Einzelne oder auf ein auserwähltes Volk, sondern zu dieser Gnade gehört eine unerhörte Weite, die Weite des Schöpfers und des Allmächtigen. Die Gnade Gottes hat nichts Enges an sich. Schon in Ps 108 begegnet uns die Aussage (V. 5): „Denn deine Gnade reicht, so weit der Himmel ist, und deine Treue, so weit die Wolken gehen“ (vgl. auch Ps 103,11). Zur Gnade gehört auch die Ewigkeit. In Ps 89,2 lesen wir: „Für ewig steht die Gnade fest; du gibst deiner Treue sicheren Grund im Himmel.“ Jes 54,8: „… mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser“ (vgl. auch Ps 103,17; 100,5).
Gottes Gnade hat alle seine Menschen, auch heidnische Menschen, auch Menschen ohne Gott im Auge. In Tit 2,11 lesen wir: „Es ist erschienen die heilbringende Gnade Gottes allen Menschen.“ Freilich: Es gilt auch, diese Gnade anzunehmen und an sich wirken zu lassen. Der Schächer am Kreuz, der wusste, dass er mit Recht den Tod verdient hat, wendet sich an Jesus: „Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,41-43).
Weil Jesus zur Rechten Gottes thront und der in Herrlichkeit wiederkommende Herr ist, ist uns mit der Gnade auch eine große Hoffnung und ein ewiges Ziel gegeben.
Paulus schreibt darum in Röm 5,2: „Durch Jesus Christus haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen (der „Gnadenstand“ ist unser Lebensbereich), und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.“
Die Gnade macht uns zu Erben des ewigen Lebens (Pfarrer Fritz Rienecker „Das Schönste kommt noch“). In Tit 3,7 lesen wir: „Damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unserer Hoffnung“. Als Begnadigte gehen wir „aus Gnaden“ der ewigen Herrlichkeit entgegen, die mit der Auferstehung verbunden ist. Das Ziel der Gnade ist auch, dass wir einmal Jesu gleich werden und er der Erstgeborene unter vielen Brüdern ist (Röm 8,29 u.a.).
Das letzte Ziel der Gnade begegnet uns immer neu in den Lobgesängen der Offenbarung. Das Ziel der Gnade Gottes ist die Ehre Gottes, das Lob Gottes und die Anbetung Gottes. „…Siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm …, und alle Engel standen rings um den Thron … und beteten Gott an und sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Offb 7,11f). Auf diesem Weg der Anbetung kehrt die Gnade zu Gott zurück und kommt damit an ihr Ziel.

Zum Schluss einige seelsorgerliche Anmerkungen:
Gnade ist der Lebensbereich, in dem der täglich lebt, der an Jesus Christus glaubt. In Ps 109,21 bekennt der Beter: „Deine Gnade ist mein Trost“ (vgl. Ps 119,76). Über unserem Leben steht als feste Tatsache und tägliche Realität:
Eph 2,8: „Aus Gnaden seid ihr selig geworden“ oder Röm 5,1: Nachdem wir durch den Glauben Frieden mit Gott haben durch Jesus Christus, „haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen“ (vgl. auch Kla 3,23ff). In der Glaubensgemeinschaft mit Jesus, dem gekreuzigten und erhöhten Herrn, dürfen wir täglich aus seiner Fülle und in jeder Lage auch bei jedem Versagen „Gnade um Gnade nehmen“ (Joh 1,16) und uns in den schwersten Führungen an Ps 13,6 halten:
“Ich aber traue darauf, dass du so gnädig bist.“ In allen Anfechtungen dürfen wir uns an das Wort Jesu an den Apostel Paulus halten: „Lass dir an meiner Gnade genügen“ (2Kor 12,9).
Es gibt auch einen Missbrauch der Gnade. Bonhoeffer spricht in seine Kirche hinein mit großem Ernst von der „billigen Gnade“.
Hebr 12,15 ermahnt: „Sehet darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume.“ Und dieser Brief warnt in Kap. 10,29: „Eine wie viel härtere Strafe wird der verdienen …, der den Geist der Gnade schmäht.“ Das gilt auch für den, der die Zeit der Gnade (2Kor 6,2) nicht nützt (vgl. auch Röm 6,1; Jud 4).
Deswegen ermahnt Paulus die Christen in Antiochien: „dass sie bleiben sollen in der Gnade Gottes“ (Apg 13,43).
Die Bibel kennt auch immer wieder das Bitten um Gnade (Ps 119, 41 u.a.) und das Wachstum in der Gnade (2Petr 3,18).
Über allem, was in dieser Welt und in unserem Leben geschieht, auch über allen schweren und unbegreiflichen Wegen dürfen wir uns an die Zusage Gottes halten in Jes 54,10: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“
Gnade und Treue ist bei Gott eins. Es ist eigenartig, dass gerade Petrus, der den tiefen Fall der Verleugnung erlebt hat, seine Briefe mit dem Gruß beginnt: „Gott gebe euch viel Gnade“ (1Petr 1,2; 2Petr 1,2) und dass gerade er ermahnt: „Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade“ (1Petr 1,13). Auch Paulus beginnt und schließt seine Briefe immer mit dem Wunsch der Gnade.
Von daher verstehen wir die alte Sitte in unseren Gemeinschaften, dass wir zum Beschluss singen: „Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen“ (2Kor 13,13).
Es gibt gibt in unseren Gesangbüchern und Liederbüchern viele Lieder über die Gnade. So können wir auch am Schluss dieser Stunde singen: „Die Gottesgnad alleine steht fest und bleibt in Ewigkeit“ (GL 248,4). Pfarrer i.R. Walter Schaal, S-Degerloch
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Truth and Mercy

Some people are tempted by the hope of improving relationships by telling the whole truth. Being fully open and not hiding can feel purifying. But God’s Truth is not facts alone. Truth only brings life when it works with Love and Mercy. If the way you blow your nose truly disgusts me, I might choose in mercy not to tell you. The way Truth and Mercy work together is mysterious. We need God’s Wisdom to make the best imperfect choice. God help us to be sl…

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Wahrheit und Gnade
Manche Menschen sind versucht, Beziehungen zu verbessern, indem sie die ganze Wahrheit sagen. Voll offen zu sein und sich nicht zu verstecken, kann sich entschlacken. Aber Gottes Wahrheit ist nicht allein Fakten. Wahrheit bringt Leben nur dann, wenn es mit Liebe und Barmherzigkeit funktioniert. Wenn die Art und Weise, wie du deine Nase pustet, mich wirklich anwidert, könnte ich in Gnade wählen, um es dir nicht zu sagen. Die Art, wie Wahrheit und Barmherzigkeit zusammenarbeiten, ist mysteriös. Wir brauchen Gottes Weisheit, um die beste unvollkommene Wahl zu treffen. Gott hilf uns, langsam zu sprechen und schnell zu beten. Amen. Amen. Ellis H.Potter

 

Gnade am Anfang, Gnade am Ende

Es ist Gnade am Anfang und Gnade am Ende. Wenn du und ich auf dem Totenbett liegen, sollte diese eine Sache, die uns am Anfang half, uns trösten und helfen und stärken. Nicht, was wir gewesen sind, nicht, was wir getan haben, sondern die Gnade Gottes in Christus Jesus, unserem Herrn. Das christliche Leben beginnt mit Gnade, es muss fortgesetzt werden in Gnade, es endet mit Gnade. Gnade, wunderbare Gnade. Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Doch nicht ich, sondern die Gnade, die mit mir war.
Martyn Lloyd-Jones, Spiritual Depression: Its Causes and Cure, Wm. B. Eerdmans, Grand Rapids, 1965, S.132. Martyn Lloyd-Jones (1899-1981)

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1.Petrus 5,10 Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.

Der Ring schließt sich. Das ist das „Thema“ des ganzen Briefes, mit dem er begonnen, unter dem er geschrieben ist und mit dem er jetzt schliessen wird: der Gott aller Gnade. Wer Gott sagt, der sagt: alle Gnade, ganze Gnade Wie wenig verstehen wir oft, was Gnade ist, und wie groß die Gnade Gottes ist. Gnade setzt voraus, dass wir Sünder sind. Wenn wir keine Sünder wären, dann hätten wir nicht Gnade nötig, sondern Gerechtigkeit.
Der euch berufen hat macht deutlich: das neue Leben beginnt nicht mit dem Tun des Menschen, sondern mit Gottes Berufung. Die Berufung aber zielt hin auf unser Teilhaben an seiner ewigen Herrlichkeit. „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und was in keines Menschen Herz gekommen ist“, das „hat Gott bereitet denen, die ihn lieben“ (1 Ko 2, 9).
Petrus liefert eine präzise Beschreibung dieses irdischen Heiligungsprozesses durch Gott anhand von vier nahezu synonymen Begriffen: aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. All diese Worte beinhalten Stärke und Festigkeit, die Gott allen Gläubigen im geistlichen Kampf geben will (1Kor 15,58; 16,13; Eph 6,10; 2Tim 2,1).
„Herrlichkeit“ ist also nicht nur, nicht einmal primär unser individuelles Glück, sondern endgültige Heilung einer abgespaltenen Welt.
Gott selbst ist nicht Zuschauer oder Schiedsrichter im Kampf der Christen, sondern Bundesgenosse und machtvoller Helfer im Streit. Er bleibt auch inmitten des Kampfes „der Gott aller Gnade“. So wie am Anfang des Christenweges Gottes wirksamer Anruf stand, so ist von Anfang an das Ziel dieses Weges im Auge, das dieses innerzeitliche Zwischenstadium („kurze Zeit“, vgl. 1,6) der Leiden übergreift. Gott aber wird auch auf diesem Wege selbst den Bedrängten zu Hilfe kommen und ihnen Kraft verleihen.