Die Wirklichkeit des Christentums steht und fällt mit der Wirklichkeit der Existenz eines persönlichen Gottes und der Wahrheit der Aussage, dass das Universum “übernatürlich” ist, d. h. mehr als nur den naturwissenschaftlich erfassbaren Teil der Wirklichkeit umschliesst.
Christliches Leben ist Leben in den beiden Hälften der Wirklichkeit, der natürlichen und der übernatürlichen. Es ist gut möglich, dass Christen so sehr von der Denkweise des zwanzigsten Jahrhunderts erfüllt sind, dass sie den grössten Teil ihres Lebens so verbringen, als ob es das Übernatürliche nicht gäbe.
Aus: Francis Schaeffer. Geistliches Leben – was ist das? R. Brockhaus Verlag: Wuppertal 1975.
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Aktive Passivität
Heiligung geschieht, wie auch das Leben, Augenblick für Augenblick. Der Glaube von heute Morgen reicht nicht für heute Mittag. Das ist die Praxis der „aktiven Passivität“. Das ist die einzig mögliche Art zu leben; niemand kann anders als Augenblick für Augenblick leben. Maria ist dafür ein Beispiel: Nach der Ankündigung, dass sie den Messias gebären werde, antwortete sie: „Mir geschehe nach deinem Wort!“ (Lukas 1,38)
So strecken wir die leeren Hände des Glaubens Augenblick für Augenblick aus.
Aus: Francis Schaeffer. Geistliches Leben – was ist das? R. Brockhaus Verlag: Wuppertal 1975.
Merkmale für geistliches Wachstums
- Geistliches Wachstum ist für Christen essentiell, nicht optional!
- Geistliches Wachstum ist ein Prozess, kein Ereignis.
- Geistliches Wachstum ist Gottes Arbeit, erfordert aber mein Engagement.
- Geistliches Wachstum schließt alle Übungen, Erfahrungen und Beziehungen ein, die mir helfen, intensiv und nahe bei Jesus zu leben und mich so zu verändern, wie er es will.
- Geistliches Wachstum ist kein Teilziel. Gott ist nicht nur an meinem geistlichen Leben interessiert, sondern an meinem gesamten Leben – mit allem Drum und Dran!
- Geistliches Wachstum geschieht jeden Moment und ist nicht an besondere Zeiten oder Praktiken gebunden.
- Geistliches Wachstum vollzieht sich nicht individuell „im stillen Kämmerlein“, sondern passiert in Gemeinschaft und drückt sich im Dienst an anderen Menschen aus.
- Geistliches Wachstum wird nicht bestimmt durch die Herkunft eines Menschen, sein Temperament, seine Lebenssituation oder anderer äußerer Dinge. Sie ist für jeden zu jeder Zeit möglich.
- Geistliches Wachstum kann bei jedem Menschen anders aussehen, denn jeder Mensch ist einmalig und hat seine eigenen Bedürfnisse, seinen Rhythmus und seine Besonderheiten.
- Geistliches Wachstum ist gekennzeichnet von der Fähigkeit, Gott und andere Menschen zu lieben. Man kann sie nicht mit oberflächlichen Checklisten messen.
Wie viel Heiligung ist optional?
Ich gestehe – “Das ist nicht heilsnotwendig” ist keine Aussage, der ich sympathisch gesonnen bin. Auf jeden Fall löst sie in mir die unterschiedlichsten Gedanken aus, und zumindest dem bösen Cousin dieses Satzes bin ich recht gram. Nämlich dem, der uns gerne weiß machen möchte, Heiligung hätte Teile, die rein optionaler Natur wären.
Wie viel Heiligung ist also optional? Reicht es, um kein Ehebrecher zu sein, “nur in Gedanken Frauen zu begehren”? Dem widerspricht Jesus in der Bergpredigt. Ich töte ja auch niemanden, wenn ich jemanden “bloß” hasse, oder? Das Urteil über ein solches Verhalten fällt Jesus dabei jedoch deutlich. Vielleicht haben wir das einfach schon zu oft gehört, und sind müde davon, immer wieder mit der Bergpredigt konfrontiert zu werden, deswegen hier zur Erinnerung: “Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.” (Mt. 5,22)
Bekannte Ausflüchte werden wenig nützen: Auch wenn man der Meinung wäre, die Bergpredigt richte sich nur an die Juden, und wäre “etwas, das nicht zum Gnadenbund gehöre” oder man meint, Jesus kündgte an, dass er selbst die rechte Erfüllung des Gesetzes wäre. Beides Positionen, die ich entweder für falsch oder für unvollständig halte, – aber um des Argumentes willen, lasst uns das so annehmen – das Problem vor dem wir stehen, wäre nur um ein paar Seiten verschoben: Es ist ja bekanntlich der Galaterbrief, der Brief über den Neuen Gnadenbund schlechthin, der uns erinnert, dass alle die, die Werke des Fleisches tun, “das Reich Gottes nicht erben werden” (Gal. 5,21). Betrachten wir einige dieser “Werke des Fleisches”. Da wäre z.B. “Götzendienst”: Wie viel Götzendienst ist ok? Ist Gott mit seinem Volk etwa zufrieden, wenn es die großen Altäre Baals zerbricht, aber die kleinen Skulptürchen, die man unter einem Kamelsattel verstecken kann, könne man behalten? (Vgl. 1 Mo 31,34 mit 1 Mo 35,4). Kann ein “kleiner Götzendiener Gott zufriedenstellen? Vielleicht damit, dass sein Herz zu 80 % Gott dient und zu zwanzig Prozent den modernen Götzen, ob es nun Ruhm, Ehre, Schönheit, Wissen oder sonst was sei? Sollte es wirklich möglich sein, doch zwei Herren zu dienen? Wen anders, als den Gott Israels verachten wir, wenn wir zu Polytheisten verkommen?
Ein anderes Werk des Fleisches ist das “Fressen und Saufen”? Sollte man als “ein bisschen Alkoholiker” also durchkommen können? Oder ist das Fressen am Chinesischen Buffet ok ( – man hat ja schließlich dafür bezahlt)?
Ich glaube, es ist nicht schwierig, Beispiele dieser Art in Masse zu finden: Was war da schließlich so schlimm daran, am Sabbat Holz zu sammeln (4 Mo 15,32-36) oder den Namen des Herrn zu missbrauchen (3 Mo 24,22-23) oder sich an ein paar Gütern der Bürger Jerichos zu bedienen (Jos 7)? Doch in allen drei Fällen war eine von Gott angeordnete Steinigung die angemessene Bestrafung. Wie gesagt, wer meint dass es der schreckliche Gott des Alten Testamentes ist, sollte mal wieder die Offenbarung lesen (Wie wäre es mit Offb. 21,8?: “Die Feigen aber und Ungläubigen und Frevler und Mörder und Hurer und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod”).
Das Nachsinnen über den kompromisslosen Gott, der auf hundert Prozent Heiligung, exklusive Hingabe und bedingungslosen Gehorsam besteht, führt mich zu diesen zwei Überlegungen:
a) Gott fordert immer hundert Prozent. Er fordert alles. Er ist heilig. Ein kleiner Götze ist da bereits ein krasser Verstoß gegen das erste Gebot. Ein bisschen Begehren ist bereits ein hochmütiges Herabstoßen Gottes von seinem Thron (“Ich weiß besser als Gott was ich brauche”). Gott als absolut heilig! Wir sollten lernen dem in die Augen zu blicken, egal wie sehr uns das beschämt. Aber hier sollten wir auf die andere Seite, nämlich auf uns blicken. Das uns beim Denken an einen Absolut Heiligen Gott ziemlich mulmig zu Mute wird, zeigt ja im Besten Fall, dass wir uns wünschten Gott wäre anders. Immer wenn wir also geneigt sind, Gottes Gebote etwas abzumildern, möchten wir eigentlich nichts anderes, als einen Gott mit anderen Geboten. Einen anderen Gott, einen der uns mehr zu sagt. Klar ist auch der Feind und seine Verführungen hier beteiligt, aber auch unser Fleisch reizt uns zu einem Misstrauen gegenüber dem Gott, der da ist. Wir sehen in seinen Geboten nicht Richtlinien eines liebenden Vaters, sondern unberechtigte Ansprüche eines unbarmherzigen Tyrannen. Verschiedene Tücken lauern denke ich gerade an dieser Stellemin unserem Herzen. Wenn uns Gott (wieder mal) hart, unbarmherzig vorkommen sollte, ist das ein guter Grund innezuhalten und seine Motive zu hinterfragen.
b) Das Gott immer berechtigten Anspruch auf hundert Prozent hat, lässt einen auch einen ziemlich ernüchternden Blick auf sich selbst werfen: Wie oft wurde das Befehl des einen ewigen Königs nicht nur ignoriert, sondern bewusst gebrochen? In Röm. 7 klagt Paulus zurecht: “Ich lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, wurde die Sünde lebendig,” (Röm 7,9) – ja lebendig wurde die Sünde in mir und so starb und sterbe ich tausend Tode vor der Ahnung des rechtmäßigen Urteils Gottes. Nicht das Gesetz Gottes, das heilig, gut und gerecht ist (Röm 7,12) ist mein Problem, sondern meine Rebellion, die mich ins Elend stürzt. Und gerade hier erblicke ich nun eine bessere Hoffnung: “Denn das Gesetz brachte nichts zur Vollendung –, und eingeführt wird eine bessere Hoffnung, durch die wir Gott nahen.” (Heb. 7,19).
Oder um es mit dem Römerbrief auszudrücken: “Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: Er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, 4 damit die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, in uns erfüllt werde, die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.” (Röm 8,3-4)
Alles in meinem Versagen gegenüber Gottes absolut heiligem, guten und gerechtem Gesetz schreit nach Erlösung und weil ich mich nicht selbst erlösen kann, kommt Christus, erfüllt das Gesetz nicht nur auf völlige, perfekte Weise, nein er nimmt die Strafe, die ich für meine Übertretung verdiene, auf sich selbst. Worauf ich hinaus will: Je mehr ich auf den absoluten Anspruch Gottes blicke, desto größer wird meine Sehnsucht nach einem Erlöser. Je mehr ich aber auf diesen Erlöser, diesen einen Mittler zwischen Gott und Mensch blicke, desto mehr traue ich mich wiederum auf das Gesetz Gottes zu blicken. Als ich zu Jesus kam, ja vielmehr als Jesus mich verlorenes Schaf rettete, war mir noch gar nicht klar, wie schlimm es wirklich um mich steht. Und so ergänzt und befeuert der Blick auf das Gesetz, den Blick auf den Erlöser und umgekehrt. Doch es geschieht noch viel mehr: Meine Beziehung zum Gesetz Gottes wird verändert. Als Kind Gottes, weiß ich, dass durch den Glauben das Gesetz nicht aufgehoben, sondern vielmehr aufgerichtet wird (Röm 3,31). Durch Christus befreit kann ich nun dem Gesetz des Geistes dienen und bin vom Fluch des Gesetzes des Buchstabens befreit (Röm 7,6).
Es fällt mir nicht so leicht, die absoluten Forderungen des Gesetzes einerseits nicht durch einen vermeintlichen Blick auf die Gnade zu einer Gesetzlosigkeit verkommen zu lassen, und andererseits nicht durch einen Blick bloß auf das Gesetz zu einem ungeistlichen (= nicht vom Geist Gottes gewirkten) Perfektionismus verkommen zu lassen. Beides macht Abstriche: Abstriche an den Ansprüchen Gottes wie an dem Werk Christi. Ich glaube eine sehr ausgewogene Position nimmt der Heidelberger Katechismus in Frage 115 ein, nachdem er in Frage 114 aufklärt, dass wir im Halten der Gebote Gottes nicht über “einen geringen Anfang dieses Gehorsams” hinauskommen:
Frage 115. Warum lässt uns Gott dann die Zehn Gebote so eindringlich predigen, obwohl sie in diesem Leben niemand halten kann? – Erstens, damit wir unser ganzes Leben lang unsere sündige Art immer deutlicher erkennen und umso begieriger Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit in Christus
suchen (1Joh 1,9; Ps 32,5; Röm 7,24–25). Zweitens, damit wir uns ohne Unterlass bemühen und Gott um die Gnade des Heiligen Geistes bitten, damit wir immer mehr zum Ebenbild Gottes erneuert werden, bis wir nach diesem Leben das Ziel der Vollkommenheit erreichen
Veröffentlicht am 18. August 2021 von Sergej Pauli
https://www.glaubend.de/wie-viel-heiligung-ist-optional/
Sag die ganze Wahrheit
Es ist in der Tat traurig, dass unter uns christliche Leiter sind, die sich scheuen, den Menschen die ganze Wahrheit zu sagen. Sie fordern von Männern und Frauen nur, dass sie Gott das geben, was nicht mit Kosten verbunden ist. Die moralische Lage heute begünstigt nicht gerade einen Glauben, der so robust und zäh ist wie der, den unser Herr und Seine Apostel gelehrt haben.
Christus ruft Menschen auf, Sein Kreuz auf sich zu nehmen – wir rufen sie auf, in Seinem Namen Spaß zu haben! Er ruft sie auf, mit Ihm zu leiden – wir rufen sie dazu auf, gut bürgerlich all das zu genießen, was unsere moderne Lebenswelt bietet.
Er ruft sie zu heiligem Leben – wir rufen sie zu einer billigen, geschmacklosen Fröhlichkeit, die selbst die unbedeutendsten stoischen Philosophen verächtlich abgelehnt hätten.
Wann werden Gläubige lernen, dass man, wenn man Gerechtigkeit liebt, Sünde hassen muss, dass man, wenn man Christus annimmt, sich selbst verwerfen muss, dass, wer die Welt liebt, ein Feind Gottes ist? Wir sollten uns nicht schockieren lassen durch den Gedanken, dass das Leben in Christus Nachteile mit sich bringt. Aiden Wilson Tozer
„Seid heilig, denn ich bin heilig.“
Oft machen wir den Standard für unser Verhalten an falschen Maßstäben fest. Wir denken: „Solang ich mehr in der Gemeinde mache als der Durchschnitt, reicht es.“ „Wenn ich in Gesprächen merke, dass ich mein Christenleben besser im Griff habe als mein Gegenüber, habe ich alles erreicht was ich brauche.“ „Schau mal auf ihn/sie. Zum Glück bin ich da doch ein wenig christlicher.“
Gott gibt uns unsere Geschwister nicht, damit wir uns mit oder an ihnen messen. Wenn er auf unser Leben schaut, dann wird er unsere Taten auch nicht mit dem Durchschnitt der Christenheit vergleichen. Er wird seinen eigenen Maßstab an unser Verhalten legen. Und wer kann dann von sich behaupten, ein wirklich guter Christ zu sein?
Gott sagt: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“ (1. Petr 1,16). Die Hürde, die wir dafür überspringen müssten, ist zu hoch für uns. Niemand ist völlig heilig. Völlig perfekt. Niemand liebt Gott zu jeder Zeit mit allem was er hat und seinen Mitmenschen wie sich selbst. Und weil wir das merken, suchen wir uns eine niedrigere Hürde: Die Mit-Sünderinnen und Sünder dieser gefallenen Welt. Solang wir da im Mittelfeld mithalten, fühlen wir uns gut genug.
Lasst uns neu darauf ausrichten, Gottes Maßstab an unser Leben zu legen und uns in seinem Licht zu sehen. Er will uns heiligen, nicht nur „ein bisschen besser“ als den Durchschnitts-Christen machen. Sind wir dazu bereit?
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„Ihr sollt heilig sein“
Eine oberflächliche Art, sich nicht an die Welt anzupassen, ist die allseits bekannte Fußangel des Pharisäertums. Beim Reich Gottes geht es nicht um Knöpfe, Kinobesuche oder Tanzvergnügungen. Die Belange Gottes drehen sich nicht um Essen und Trinken. Bei der Berufung zu einem christlichen Lebensstil in Abgrenzung von der Welt geht es stattdessen um eine viel tiefgründigere Gerechtigkeit, die über die äußerlichen Dinge weit hinausgeht. Wenn man Frömmigkeit ausschließlich anhand von Äußerlichkeiten definiert, geht man an der Lehre der Schrift vorbei […]. Wer dies tut, dem ist entgangen, was Jesus sagen will, wenn er seinen Zuhörern erklärt, dass nichts von dem, was in den Mund hineingeht, den Menschen verunreinigt, sondern das, was aus dem Mund herauskommt. Wir wollen das Reich Gottes oft nur noch auf „Essen und Trinken“ beschränken. S. 195
Was wir für Kennzeichen der Frömmigkeit halten, kann in Wirklichkeit letztendlich Gottlosigkeit unter Beweis stellen. Wenn wir uns vorwiegend bei Kleinigkeiten aufhalten und unbedeutende Belanglosigkeiten überbewerten, äffen wir die Pharisäer nach. Wenn wir Nebensächlichkeiten zum Prüfstein der geistlichen Gesinnung erheben, setzen wir eine billige Moral an die Stelle echter Gewissenhaftigkeit. Wir tun das, um die tiefer gehenden Fragen im Blick auf praktische Gerechtigkeit zu verdunkeln. Jeder kann gewisse Nebensächlichkeiten vermeiden. Das erfordert keine moralische Anstrengung. Viel schwieriger ist es, die Zunge im Zaum zu halten, rechtschaffen zu handeln und die Frucht des Geistes hervorzubringen. […] Wer wirklich „gegen den Strom schwimmt“, ist ein Mensch, der sich nicht nach seinen Begierden richtet, der aufhört, Schlechtes über andere zu reden, der seine Faulheit aufgibt, der aufhört, zu hassen und bittere Gefühle zu nähren, und der die Frucht des Geistes in seinem Leben wachsen lässt. S. 195f. R. C. Sproul Die Heiligkeit Gottes
Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. 1. Petrus 2, 25
Unser Vers ist ein Mischzitat. In Anlehnung an Hesekiel 34,11.23 und Jesaja 53,6 beschreibt Petrus noch einmal diesen radikalen Wandel vom Sünder zum Gerechtfertigten. Der Ausdruck wie Schafe, die in die Irre gehen beschreibt bildhaft das eigensinnige, ziellose, gefährliche und hilflose Umherwandern von verlorenen Sündern, die Jesus als »wie Schafe, die keinen Hirten haben« bezeichnet (Mt 9,36).
Wie nüchtern beschreibt doch die Bibel den Zustand des „alten“ Menschen, der sich doch so klug und überlegen vorkommt! „Nun“ – das ist die Wende. „Ihr seid bekehrt“ (wörtlich „ihr habt euch umgewendet“) meint: Wir konnten in der Jesusbegegnung unseren eigenen, verderblichen Weg verlassen, die radikale Kehrtwendung vollziehen und sind nun bei dem »Hirten und Bischof« (wörtlich „dem Aufseher“), der unsere „Seelen“, unsere ganze Person zum und ins Heil führt..
Christus ist nicht nur das Vorbild und der Retter, er führt und beschützt auch die Verirrten (wie die irrenden Schafe), die von ihm fortgelaufen sind, dann aber zu dem Hirten und Bischof (episkopon) ihrer Seelen umkehrten, d. h. bekehrt wurden. Die Titel „Hirte“ und „Bischof“ versinnbildlichen die unvergleichliche Führung und Fürsorge, die Christus denen angedeihen läßt, die sich ihm anvertrauen (vgl. Hes 34,11 – 16).
Lust am Herrn
Frust statt Lust am Herrn? Warum viele Christen die Wirklichkeit Gottes in ihrem Leben so wenig erfahren.
«Habe deine Lust am Herrn, er wird dir geben, was dein Herz wünscht.»Psalm 37,4
«So seid nun Gott untertan. Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch. Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch. Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt eure Herzen, ihr Wankelmütigen.» Jakobus 4,7 bis 8
Die meisten Christen hoffen, dass nach ihrer Umkehr zu Gott auf einen Schlag alles anders ist: Selbstbezogenheit und die negativen Charaktereigenschaften wären einfach verschwunden. Weil dem nicht so ist, plagt sie tiefe Unruhe oder zumindest Unzufriedenheit mit sich selbst und der Tatsache, dass sie die Wirklichkeit Gottes in ihrem Leben immer weniger erfahren. Sie fragen sich: Bin ich wirklich wiedergeboren? Ist tatsächlich etwas Neues in mir geschehen? Kann ich mich ändern? Die Bekehrung ist der Anfang des christlichen Lebens. Die anschliessende Erneuerung hingegen ist ein Prozess. Die Bibel nennt ihn Heiligung. Gott arbeitet an uns, aber es ist unsere Sache, an dieser Veränderung mitzuarbeiten. Die neue Persönlichkeit ergibt sich nicht von selbst; sie will geformt werden. Wie kann das geschehen? Indem wir täglich ganz bewusst unsere inneren Haltungen und Motive von Gott formen lassen. Indem wir unsere Selbstbezogenheit aufbrechen und uns durch Gottes Geist bestimmen lassen, der in uns die Eigenschaften hervorbringen will, die wir an Jesus sehen. Gott hat uns geschaffen, dass wir seinem Bild ähnlich seien. Sein grösster Wunsch ist es, dass wir wieder werden, wozu wir geschaffen sind. Wir sollen Gottes Wesen spiegeln. Natürlich ist das Heil etwas, das uns ausschliesslich aus Gottes Gnade und ohne jedes menschliche Bemühen geschenkt wird (Römer 9,16). Aber ein Leben, das Gott entspricht, wird nicht dadurch erreicht, dass wir ein schnelles Gebet sprechen, mit dem wir unser Leben Gott unterstellen oder den Finger in die Bibel stecken und gleich wie in einem Orakel den aufgeschlagenen Text als Willen Gottes interpretieren. Christus möchte ein neues Leben in uns entfalten. Das Christenleben soll keine lästige Pflichtübung sein, vielmehr geht es darum, in einer lebendigen Gemeinschaft mit dem Herrn zu leben – Lust zu haben an ihm. Wie kommen wir dazu? Es gibt zwei Meinungen darüber, wie wir Gott erfahren können. Es gibt Christen, die ihn und seine Nähe vor allem in ihrer Seele erleben wollen, in Einsamkeit, Gebet und Stille. Und dann gibt es Christen, für die Gott ausschliesslich in gehorsamem Tun erfahrbar ist. Beide Sichtweisen sind begrenzt. Wer das äussere Tun einseitig betont, steht in der Gefahr, perfektionistisch und gesetzlich zu werden und damit zu einem Menschen, der keinen Zugang zur Gnade und Barmherzigkeit Gottes und zur Kraft, die darin liegt, findet. Bibelkenntnis ist absolut wichtig, aber theologische Richtigkeiten allein bringen noch kein Leben, solange ein Mensch nicht weiss, wie er die geistlichen Wahrheiten in seinen Alltag übersetzen soll. Deshalb soll Gottes Wort wie ein ganz persönlicher, wichtiger Brief zu mir sprechen! Angenommen, ich wäre in finanzieller Not und mir würde brieflich mitgeteilt, ich könnte auf der Bank eine Million Euro abholen, würde das bei mir eine starke Reaktion auslösen. Wäre der Absender des Briefes zuverlässig, würde ich mich unverzüglich aufmachen und das Geld holen. Christus muss mich zuerst ergreifen – doch ich muss mich von ihm auch tatsächlich ergreifen lassen. Anderseits – wird die innere Erfahrung zu stark betont, kann man leicht irregeleitet werden. Losgelöst von der Autorität der Schrift kann persönliche Erfahrung zum Götzen werden. Ein Mensch, der sich alleine auf seine Erfahrung beruft, steht in Gefahr, sich als «besserer Christ» zu fühlen. Die Erneuerung seines Wesens, die Heiligung, entschwindet seinem Blickfeld. Beides gehört zusammen: Wir brauchen immer wieder die Begegnung in der Stille mit dem Herrn. Je mehr wir ihn suchen, desto kostbarer wird uns seine Nähe. Damit wir aber nicht Selbsttäuschungen unterliegen, brauchen wir Gottes Wort, das uns Leitung und Korrektur ist. Weiterlesen