Von vielen wird Künstliche Intelligenz als immenser Fortschritt gefeiert und das nicht ohne Grund. Die meisten der bisher eingesetzten Computerprogramme waren lediglich in der Lage das abzuarbeiten, was man ihnen vorgegeben hatte. Dazu gehören durchaus auch ziemlich komplexe Berechnungen und Arbeitsabläufe. Der Rahmen war aber immer relativ fest gesetzt. Ständig arbeiteten Programmierer an Verbesserungen und Erweiterungen.
Künstliche Intelligenz erleichtert die Arbeit
Künstliche Intelligenz hingegen erledigt nicht nur stupide Arbeiten. In Sekundenschnelle schreibt sie Referate, Werbetexte oder Programmcodes. Künstliche Intelligenz trifft dabei nicht genau vorhersehbare Entscheidungen. Sie kann sogar kreative Aufgaben übernehme, wie das Erstellen von Gemälden oder das Komponieren von Musikstücken. Künstliche Intelligenz kann Informationen im Internet sammeln, auswählen und in neuen Formulierungen zusammenfassen. Sie kann schon jetzt Zeitungsartikel verfassen, Bücher schreiben und neue Computerspiele entwickeln. Das wird die Arbeitswelt und auch das Selbstverständnis des Menschen tiefgreifend verändern. Vorerst gibt es zumeist aber noch Menschen, die versuchen bei diesen Prozessen korrigierend einzugreifen.
Immer stärker wird Künstliche Intelligenz in der Zukunft Menschen das Denken und Entscheiden abnehmen. In manchen Fällen kann das durchaus hilfreich sein, weil Computer gewöhnlich weniger Emotionen und Eigeninteressen in ihre Entscheidung einfließen lassen als Menschen. Außerdem reagieren sie zumeist deutlich schneller. Schon mit bisheriger Technologie verringern computergestützte Prozesse in Autos, Flugzeugen und Zügen die Wahrscheinlichkeit von Unfällen erheblich. Computer und Sensoren können nicht müde oder abgelenkt werden. Künstliche Intelligenz kann helfen, ungeliebte Routineaufgaben leichter und schneller zu erledigen, Daten zu sammeln oder Formulare und Anträge auszuwerten.
Künstliche Intelligenz braucht solides Fachwissen
Wer sich in einem Fachbereich besonders gut auskennt, für den kann künstliche Intelligenz sehr hilfreich sein, weil er Fehler und Missdeutungen oft rechtzeitig erkennen kann. Wer aber noch nicht so viel Wissen mitbringt, der wird verführt den mühsamen Weg sich dieses Wissen anzueignen mit künstlicher Intelligenz abzukürzen. Rein äußerlich kommt man auf diese Weise viel schneller zum Ziel, zu dem erhofften Auftrag oder der gewünschten Note. Das Ergebnis wirkt zufriedenstellend, auch wenn man die produzierten Inhalten nur teilweise nachvollziehen und kaum auf Korrektheit überprüfen kann.
Auf der anderen Seite ist es nicht nur irgendwie unheimlich, wenn wichtige Entscheidungen von unpersönlichen Computer- Systemen abhängen, so etwas kann auch richtig gefährlich werden. Immer häufiger verlassen sich Menschen auf Informationen und Entscheidungen, die Computerprogramme für sie gesammelt und bewertet haben.
Künstliche Intelligenz muss kontrolliert werden
Bei Google war Geoffrey Hinton lange verantwortlich für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Weltweit gilt er als Pionier in diesem Bereich. Seit einigen Jahren konzentriert sich Hinton auf die Erforschung der Risiken Künstlicher Intelligenz. In diesem Zusammenhang gab er auch großen Medienanstalten wie der BBC und der New York Times entsprechende Interviews. Schon bald wären diese Anwendungen klüger als die Menschen, die sie benutzen, prognostiziert der Wissenschaftler. Die Software sei in der Lage, riesige Datenmengen innerhalb kurzer Zeit zu verarbeiten.
Neben eindeutigen Vorteilen verweist Hinton auch auf die Gefahren einer flächendeckenden Anwendung Künstlicher Intelligenz. Wenn Daten und Nachrichten erst einmal in einem größeren Umfang von Künstlicher Intelligenz erzeugt würde, könne sie durch niemanden mehr kontrolliert oder überprüft werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Künstliche Intelligenz auch gezielt für Desinformation und Manipulation eingesetzt wird, die dann noch schwerer aufgedeckt werden kann, als bei dem Einsatz herkömmlicher Technologie.
Zusammen mit dem Tech-Milliardär Elon Musk setzt Hinton sich in einem öffentlichen Aufruf für eine Pause bei der Entwicklung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz ein. Darin heißt es unter anderem „KI-Systeme mit einer Intelligenz, die Menschen Konkurrenz macht, können große Risiken für Gesellschaft und Menschheit bergen. […] Mächtige KI-Systeme sollten erst dann entwickelt werden, wenn wir sicher sind, dass ihre Auswirkungen positiv und ihre Risiken kontrollierbar sind.“
Der Deutsche Ethikrat forderte im März 2023 deshalb klare Regeln für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Weil diese Systeme keine Personen sind und auch über keine Vernunft oder Ethik verfügen, ist es höchst problematisch, ihnen wichtige Entscheidungen zu überlassen oder Informationen für die Öffentlichkeit durch sie zu interpretieren. Künstliche Intelligenz dürfe die menschliche Freiheit und Entwicklung nicht beeinträchtigen, forderten die Wissenschaftler.
Künstliche Intelligenz kann nur schwer zwischen echter und gefakter Information unterscheiden oder persönlichkeitssensible Daten als solche erkennen. Sie hat kein Gewissen und kennt keine Konzepte von Ethik oder Wahrheit. In jedem Fall müsste es zukünftig leichte und effektive Einspruchsmöglichkeiten gegen Aussagen und Entscheidungen Künstlicher Intelligenz geben, wenn man den Eindruck hat falsch behandelt worden zu sein.
Künstliche Intelligenz vernichtet Arbeitsplätze
Einige Studien gehen davon aus, dass der Einsatz von Künstliche Intelligenz und Robotik viele Berufe automatisieren kann und somit zu hohen Beschäftigungsverlusten führen wird. Das wird vor allem Tätigkeiten mit hohem Routineanteil treffen, in der Produktion, Administration, im Verkauf, Transport und der Logistik. Dadurch sind besonders die Bevölkerungsschichten mit niedrigerem Bildungsgrad und Gehalt betroffen. Künstliche Intelligenz wird dadurch die soziale Aufspaltung der Gesellschaft weiter vertiefen.
Künstliche Intelligenz wird schon in baldiger Zukunft viele Arbeitsplätze in der Verwaltung und auch in der Standard- Beratung überflüssig machen. Der US-Technologiekonzern IBM hat bereits angekündigt, dass er in den kommenden fünf Jahren 30% aller Verwaltungsstellen einsparen und durch Künstliche Intelligenz ersetzen will, insgesamt 7800 Stellen. Das spart Geld, und erhöht den Gewinn. Solche Ankündigungen sind allerdings erst der Anfang. Die Einsatzmöglichkeiten Künstlicher Intelligenz steigen schnell. Künstliche Intelligenz kann schon heute Übersetzer zumindest teilweise ersetzen, ebenso Graphikdesigner, aber auch Journalisten, sowie andere Text- und Bildproduzenten. Künstliche Intelligenz ersetzt künftig eben nicht nur wenig qualifizierte Stellen, sondern auch gut ausgebildete Arbeitnehmer. Auf der einen Seite erspart das natürlich manche lästige Routinearbeit. Nicht ganz unproblematisch ist es aber, wenn zukünftig immer mehr Anträge oder Prüfungen von Künstlicher Intelligenz bearbeitet werden, mit der man kaum verhandeln oder diskutieren kann.
Künstliche Intelligenz verleitet zu intellektueller Faulheit
Viele Menschen durchschauen Systeme Künstlicher Intelligenz nur schwer und verlassen sich dann umso stärker auf die dort vorgegebenen Informationen und Ergebnisse. Das führt zu steigender Abhängigkeit und Unfreiheit. Wer sich langfristig auf Systeme der Künstlichen Intelligenz verlässt, der verliert mit der Zeit die Fähigkeiten selber Informationen zu sammeln, auszuwerten und sachgerechte Schussfolgerungen zu ziehen.
Auch die durch Künstliche Intelligenz erzeugten Daten und Aussagen fließen wieder ins Internet ein und beeinflussen dadurch wiederum alle zukünftigen Recherchen von Menschen und Computerprogrammen. Weil auch Zeitungen, Zeitschriften und Wissenschaftler vermehrt auf Künstliche Intelligenz zurückgreifen, wird es in Zukunft ziemlich schwierig sein, eindeutig zu erkennen, wer mit welcher Expertise und Verantwortung hinter welchen Aussagen steht, oder woher vorgeblich sichere Fakten letztendlich wirklich stammen.
Künstliche Intelligenz bietet viel Potential zum Missbrauch
Die meisten Systeme Künstlicher Intelligenz werden von Firmen und Regierungen kontrolliert, die ihre eigenen Profit- oder Machtinteressen verfolgen. Es kann nicht sichergestellt werden, dass sie die in diesem Prozess recherchierten Daten korrekt verwenden und keinen Einfluss auf die Ergebnisse der von ihnen betriebenen Systeme nehmen, um ihre eigenen Interessen zu fördern. Im schlimmsten Fall kann man bestimmte Daten und Meinungen generell ausschließen oder Künstliche Intelligenz benutzen, um falsche Informationen unauffällig an möglichst vielen Stellen zu platzieren.
Nur sehr unbefriedigend kann die Frage beantwortet werden, wer bei einem Unfall mit autonomen Fahren oder einer medizinischen Therapie verantwortlich ist, die durch künstliche Intelligenz entschieden wurde. Künstliche Intelligenz kann natürlich auch von autonomen Waffensystemen oder zu Propagandazwecken eingesetzt werden. Die Verantwortung für Tötungen und Desinformation lägen dann theoretisch bei einem anonymen Computersystem.
Weil Künstliche Intelligenz keiner höheren Ethik oder Verantwortung verpflichtet ist, könnte sie zu letztlich absurden oder gesellschaftlich schädlichen Entscheidungen kommen. Solche autonomen Systeme könnten zukünftig beispielsweise zum Schluss kommen, dass man die Menschheit oder zumindest die Alten und Kranken am besten auslöscht, um ihr Leiden zu minimieren oder Kosten zu senken.
Künstliche Intelligenz darf menschliche Verantwortung nicht ersetzen
Nach Auskunft der Bibel kann ein Mensch die Verantwortung für sein Handeln und Reden keinem anonymen Computersystem überlassen. Er muss vor Gott Rechenschaft ablegen. „Drängt euch nicht danach, Lehrer zu sein, meine Brüder. Ihr wisst ja, dass wir als Lehrer ein strengeres Gericht zu erwarten haben, denn wir alle machen oft Fehler. Wer beim Reden keine Fehler macht, der ist ein vollkommener Mann.“ (Jak 3, 1+2)
Bei der Auswahl von Personen, die verantwortliche Entscheidungen für die Gemeinde treffen sollen, werden ganz besonders charakterliche Qualifikationen gefordert, die Systeme der Künstlichen Intelligenz nicht haben können, obwohl sie zukünftig immer mehr wichtige Entscheidungen treffen werden. „Ein Leiter muss ein Mann ohne Tadel sein, der mit einer Frau verheiratet ist. Er muss sich besonnen und verantwortungsbewusst verhalten, darf keinen Anstoß erregen, muss gastfreundlich und zum Lehren befähigt sein. Er soll kein Trinker und gewalttätiger Mensch sein, sondern ein freundlicher und rücksichtsvoller Mann, der auch nicht am Geld hängt. Er muss sich in vorbildlicher Weise um seine Familie kümmern, sodass seine Kinder ihn achten und ihm gehorchen.“ (1Tim 3, 2-4) (von Michael Kotsch)
Im Frühjahr 2023 veröffentlichte der staatlich finanzierte Fernsehsender ARTE unter dem Titel „Evangelikale – Mit Gott an die Macht“ eine dreiteilige Dokumentation über evangelikale Christen. Natürlich ist es immer erfreulich, wenn sich auch ein öffentlicher Sender mit Glaubensthemen beschäftigt. Da christliche Inhalte immer weniger bekannt sind, werden sie häufig ignoriert oder lediglich mit Klischees und Vorurteilen wahrgenommen. Immer stärker geraten Christen und christliche Positionen dadurch unter Generalverdacht. Vor diesem Hintergrund wäre eine seriöse Dokumentation zum evangelikalen Alltag durchaus sinnvoll. Diese Chance hat der staatliche Sender ARTE mit seiner aktuellen Produktion allerdings leider vertan. Stattdessen werden vor allem altbekannten Vorurteile erneuert und sogar noch verstärkt. Bei einer dreiteiligen Dokumentation staatlicher Qualitätsmedien dürfte man zumindest den Versuch einer neuralen Darstellung erwarten. Stattdessen aber werden evangelikale Christen in erster Linie als politische Extremisten und religiöse Fanatiker porträtiert.
Ein nichtreligiöser Zuschauer muss bei der vorliegenden, sensationsheischenden Darstellung den Eindruck gewinnen, bei Evangelikalen handele es sich um obskure politische Verschwörer und nicht um eine jahrhundertealte Form christlicher Spiritualität. In der Realität aber haben Evangelikale nicht mehr mit Politik zu tun, als andere gesellschaftliche Gruppen auch. Manche Evangelikale nehmen eben auch ihre demokratischen Rechte auf Meinungsfreiheit und politische Mitbestimmung in Anspruch. Es ist unzulässig ihnen dann vorzuwerfen, dass sie einer religionskritischen Politik überwiegend skeptisch gegenüberstehen. Der historische Rückblick der Dokumentation ist sträflich verkürzend. Gut belegte und leicht zugängliche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen deutlich, dass evangelikale Frömmigkeit in einer bereits 500jährigen Tradition der Reformation, des Täufertums, des Pietismus und der Erweckungsbewegungen steht. Sie ist nicht erst Mitte des 20.Jahrhunderts in den USA entstanden. Absurderweise wird der ehemalige US-Präsident Donald Trump in der betreffenden ARTE- Dokumentation ausführlich als Aushängeschild evangelikaler Christen vorgestellt, obwohl sich der Politiker selbst nicht als evangelikal versteht und viele evangelikale Glaubensüberzeugungen nicht teilt. Auch wenn viele amerikanische Evangelikale Donald Trump gewählt haben, lässt sich bei einer Internet- Recherche sehr schnell feststellen, dass der ehemalige US-Präsident bislang nie als evangelikaler Christ in Erscheinung getreten ist. Deshalb ist es absurd die Politik der Trump- Administration evangelikalen Christen anlasten zu wollen. Wenn in der betreffenden ARTE- Dokumentation auf weltweit rund 800 Millionen evangelikale Christen hingewiesen wird, sollte eigentlich klar sein, dass die weitaus meisten nicht in den USA leben und schon allein deshalb auch keine Trump- Wähler sind, wie der Film suggeriert. Es wird in diesem Zusammenhang auch bemängelt, dass sich die Evangelische Allianz sich nicht sofort öffentlich von Donald Trump distanziert hat. Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass die Evangelische Allianz keine politische, sondern seine religiöse Organisation ist, die sich auch nie für den US-Politiker ausgesprochen hatte. Evangelikalen wird in der ARTE- Dokumentation vorgeworfen, sie hätten durch die amerikanische Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels 2018, die politische Stabilität des Nahen Osten gefährdet. Zum einen sollte dabei aber nicht vergessen werden, dass es sich hier nicht um eine Aktion evangelikaler Christen, sondern um eine Entscheidung der demokratisch gewählten US-Regierung handelte. Außerdem wird ausgeblendet, dass Jerusalem bereits seit 1950 die Hauptstadt Israels ist und über Jahrzehnte hinweg von vielen auch als solche angesehen wurde. Es wird auch nicht erwähnt, wie gefährlich die von arabischen Staaten unterstützte Benennung Jerusalems als Hauptstadt eines palästinensischen Staates durch die PLO ist (1988). Vor allem aber blendet die ARTE- Dokumentation vollkommen aus, dass die Verlegung der US- Botschaft natürlich nicht von irgendwelchen evangelikalen Organisationen veranlasst worden ist. Es wird in der Dokumentation dann auch nahegelegt, evangelikale Christen seien für den politisch umstrittenen Siedlungsbau in Israel verantwortlich. Dabei wird man bereits nach einer oberflächlichen Internet- Recherche feststellen können, dass es sich hier um Beschlüsse jüdische Politiker der israelischen Regierung handelt. Der Einfluss evangelikal Christen wird wieder einmal ziemlich überschätzt. Journalistisch fragwürdig wird von ARTE der Sturm auf das Kapitol in Washington vom 6. Januar 2021 mit evangelikalen Christen in Verbindung gebracht. Dabei haben alle bisherigen Untersuchungen keinen einzigen Hinweis erbracht, dass primär eine religiöse Motivation oder Organisation hinter dieser Aktion stand. Ganz im Gegenteil war es sogar der evangelikale Vizepräsident Mike Pence, der die Nationalgarde beauftrage, sofort gegen die illegalen Besetzer vorzugehen. Als Drahtzieher wurden keine evangelikalen Prediger identifiziert, sondern Rechtsradikale, Milizenführer und Hard-Rock- Musiker. Obwohl Evangelikale und Katholiken in vielen ethischen Fragen durchaus ähnlich denken, bemüht sich die Dokumentation in Bezug auf Brasilien einen tiefen Gegensatz zu konstruieren. Das Wachsen evangelikaler Gemeinden sei ganz generell ein gesellschaftliches Problem für das größte südamerikanische Land. Diese Behauptung wird dann alleine damit begründet, dass überzeugte Christen eher eine politische Partei wählen, die sich für ihre ethischen Werte einzusetzen verspricht. Es ist äußerst problematisch, wenn man lediglich aufgrund seiner eigenen, eher links orientierten Weltsicht, Christen an den Pranger stellt, weil sie in Brasilien politisch nicht gegen ihre ethischen Überzeugungen abstimmen. Teilwiese werden politische Konfrontationen der Vergangenheit in der ARTE- Dokumentation aus weltanschaulichen Gründen umgekehrt. So werden hier die gesellschaftlichen Spannungen um die Legalisierung der Abtreibung einseitig evangelikalen Christen angelastet, obwohl diese sich lediglich für ein jahrhundertealtes Rechtsempfinden aussprechen. Abtreibungs- Aktivisten hatten diesen Commonsense jahrelang mit Provokationen und mit immensem politischem Druck infrage gestellt. Nicht nur evangelikale Christen sehen in einer ständigen Ausweitung der Abtreibung oder der Relativierung treuer Ehebeziehungen ein ethisches Problem. Das sind Werte, die seit Jahrhunderten auch von der katholischen, den orthodoxen, der armenischen, koptischen und aramäischen Kirche vertreten werden. Die ARTE- Dokumentation über evangelikale Christen berichtet weit mehr über konservative US-amerikanische Politik, als über den Glauben oder das alltägliche Leben der Evangelikalen. Kaum ein Wort wird beispielsweise über das ausgedehnte soziale Engagement evangelikaler Christen verloren, über ihre differenzierte pädagogische Arbeit oder über ihre praktische Seelsorge, die Millionen von Menschen weiterhilft. Vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dem man in Glaubensfragen sicher eine gewisse Expertise zusprechen kann, werden evangelikale Christen ganz anders beschrieben, als in der politisierende Arte- Dokumentation. Demnach zeichnen sich evangelikale Christen weniger durch politischen Extremismus aus, als durch Ehrlichkeit, Treue in der Partnerschaft, praktizierte Nächstenliebe, durch den Glauben an die Wahrheit der Bibel, die Auferstehung Jesu, die Vergebung der Sünden und ein Leben nach dem Tod. Für einen Regisseur, der sich selbst als säkularen Menschen definiert, scheint es schwierig zu sein, sich adäquat in gläubige Menschen hineinzuversetzen. Deshalb fällt diese Dokumentation fast durchgehend holzschnittartig und ziemlich tendenziös aus. Evangelikale und wertekonservative amerikanische Richter lassen „mit Blick auf die Zukunft das Schlimmste befürchten“, orakelt die von ARTE ausgestrahlte Dokumentation abschließend. Es ist allerdings schon sehr fragwürdig, wenn Journalisten die Gefährdung europäischer Demokratie durch evangelikale Christen prognostizieren, während kein einziger französischer Politiker sich zu dieser Gruppe zählt und auch fast alle deutschen Abgeordnete wenig mehr mit Evangelikalen zu tun haben als mit Handballvereinen. Noch ideologischer erscheinen diese Unterstellungen, wenn von Sympathisanten der Grünen und der Linken, wie in Hamburg 2018, ganze Stadtteile in Schutt und Asche gelegt werden, ohne dass man hier eine Gefährdung der Politik erkennen will. Die Zahl evangelikaler Christen beläuft sich in Deutschland auf etwa 1% der Bevölkerung. In Frankreich liegen die Zahlen noch deutlich niedriger. Fernsehzuschauern dieser beiden Länder nun ein Horrorbild fast unbegrenzter, böswilliger Machtentfaltung evangelikaler Christen vor Augen zu malen, deutet entweder auf eine ziemlich verschobene Realitätswahrnehmung oder auf böswillige Verleumdung. Diese, von einer staatlich finanzierten Sendeanstalt verbreitete Darstellung evangelikaler Christen, enthält zahlreiche Negativ- Klischees und Unterstellungen. Das kann jeder Mediennutzer sehr schnell selbst überprüfen, wenn er einige Veranstaltungen der nächsten Baptisten- oder Brüdergemeinde besucht. Wie so häufig gilt leider auch hier, dass man Ängste und Vorurteile am bestens schüren kann, wenn Zuschauer und diffamierte Menschen sich gegenseitig kaum kennt. Rechtradikale schüren so den Hass gegen Ausländer. Religionskritiker versuchen auf diese Weise ihre Vorurteile gegen evangelikale Christen zu verbreiten. Wenn man ähnliche Argumentationen auf andere gesellschaftliche Gruppen anwenden würde, stünde zurecht der begründete Verdacht von Verbreitung einer Verschwörungstheorie im Raum. Der reale Alltag evangelikaler Christen dreht sich kaum um Politik und schon gar nicht um die Beseitigung der Demokratie. Zwischenzeitlich aber müssen sie immer häufiger als politische Sündenböcke herhalten. Fast macht es hier den Eindruck, als würden staatlich finanzierte Medien benutzt, um weltanschaulichen Säkularismus zu verbreiten und Hass gegen religiöse Gruppen zu schüren. Leider waren Beschwerden wegen diskriminierender Einseitigkeiten bei ähnlich tendenziösen Dokumentationen bisher nur wenig erfolgreich. Das könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass die meisten Medien- Verantwortlichen selbst eine eher religionskritische Weltanschauung vertreten. (von Michael Kotsch) https://xuvu7p.podcaster.de/2023/05/18/arte-diffamiert-christen-mit-staatlicher-unterstuetzung/?fbclid=IwAR1Mo1JS-OnJ6VC3mP0gpgaLUOPJXMA5TORAX-gBXOHWBOM4nL5dXw-Xmrw
Schottland spielt in Großbritannien eine besondere Rolle. Im Gegensatz zur Zentralregierung wollten die meisten Schotten lieber Teil der Europäischen Union bleiben. Auch in Glaubensfragen unterscheidet sich Schottland vom übrigen Land. Briten gehören mehrheitlich zur anglikanischen Kirche, die meisten Schotten sind reformiert. Vor 500 Jahren setzte der von Calvin geprägte John Knox hier die Reformation durch. Im 19.Jahrhudnert gab es in Schottland eine Erweckungsbewegung. Deren wohl bekanntester Vertreter war Thomas Chalmers. Er gründete nicht nur die Free Church of Scottland und entwickelte neue Methoden, um die entkirchlichten und verarmten Arbeiter der großen Städte mit dem Evangelium von Jesus Christus zu erreichen, Chalmers gilt auch als der Vater der Evangelischen Allianz. Rund ein Jahrzehnt stand Nicola Sturgeon an der Spitze der Schottischen Nationalpartei (SNP) und war gleichzeitig Regierungschefin des Landes. Um die Nachfolge dieses wichtigsten politischen Amtes bewarben sich Ende März 2023 Humza Yousaf, der derzeitige Gesundheitsminister und Kate Forbes, die Finanzministerin. Yousaf ist praktizierender Muslim, Forbes tritt als überzeugte Christin auf und ist Mitglied der Free Church of Scottland. Viele Medien sympathisierten von Anfang an mit Yousaf, weil der sich für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen hatte. Forbes hingegen lehnt gleichgeschlechtliche Ehen ab, spricht sich gegen Abtreibungen aus und kritisiert vorehelichen Geschlechtsverkehr. Obwohl sich das Gesundheitswesen unter Yousaf verschlechtert hat und er sonst nur wenige politische Erfolge verbuchen kann, ist für viele Medienleute seine Stellung zu Homosexualität und Gender wichtiger. Die positive Berichterstattung vieler Medien für Yousaf und gegen die Evangelikale Forbes trug schließlich zu dessen Wahl als höchster schottischer Politiker bei. Sich offen zu christlichen Positionen zu stellen, kann in England heute offensichtlich ein deutlicher Nachteil sein. Es ist erschreckend, wie stark religiöse Diskriminierung in den englischen Medien und in der englischen Politik bereits etabliert sind. Nach Jahrzehntelanger einseitiger Berichterstattung gelten ein christlicher Glaube und christliche Werte vielen als generell verdächtig. In Großbritannien vertraut man zwischenzeitlich eher auf moderate Hindus und Muslime als auf überzeugte Christen. Der Umbau des Landes zu einer postmodernen, christenkritischen Gesellschaft geht weiter. Das ist ein bedenkliches Zeichen und muss wohl als Vorbote einer weiteren Umwertung der Werte und einer gottfernen Ideologisierung des öffentlichen Lebens gewertet werden. Deshalb beten Christen nicht nur für die verantwortlichen Politiker Deutschlands, sondern auch für die Regierenden der Nachbarstaaten. Am Ende ist es natürlich Gott, der die Herzen der Herrscher lenkt, zum Wohl oder zur Korrektur eines Volkes. (von Michael Kotsch) https://xuvu7p.podcaster.de/2023/03/28/schottlands-neuer-regierungschef-muslim-oder-evangelikale/?fbclid=IwAR1BfWC7_I5FuMG-DDf6jZFvpqLBeY3EYgI5LMDxLwu-Q3cMGG18aKMbp6M
Technologische Entwicklungen sind eng mit der Kirchen- und Heilsgeschichte verbunden. Letztlich hat dies auch einen theologischen Grund: Gott benutzt menschliche Kommunikationstechnologien wie Wörter und menschliche Schrift, um sich zu offenbaren. Als die Hebräer in Ägypten waren, lernten sie offensichtlich das protosemitische Alphabet kennen. Die Erfindung dieser Technik, um gesprochene Sprache durch Wörter aus Buchstaben zu Papier zu bringen, ist eine der wichtigsten in der ganzen Kulturgeschichte. Gott selbst nutzte sogleich das von Menschen erdachte Werkzeug. Nach dem Auszug, beim Bundesschluss am Sinai, sagte Gott zu Mose: „Komm herauf zu mir auf den Berg und bleib daselbst, dass ich dir gebe die steinernen Tafeln, Gesetz und Gebot, die ich geschrieben habe […]“ (Gen 24,12). Das Gesetz wurde aufgeschrieben, geschrieben „von dem Finger Gottes“ (Gen 31,18). Die frühen Christen nutzten dann bevorzugt eine ebenfalls noch recht junge Medientechnologie, den Kodex. Die heiligen Schriften wurden nicht mehr, wie in Israel und auch noch zu Jesu Zeiten, in Rollen aufbewahrt, sondern in einzelne Bögen zu Büchern zusammengebunden. Über eintausend Jahre lange mussten diese Bücher zur Vervielfältigung mühsam abgeschrieben werden. Ein weiterer Einschnitt stellte erst die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg um 1450 dar. In Die Druckmacher – Wie die Generation Luther die erste Medienrevolution entfesselte (C.H. Beck, 2022) stellt Thomas Kaufmann die Reformation als mediengeschichtliches Ereignis dar. Der Professor für Kirchengeschichte in Göttingen beschreibt in seinem neuen Buch ausführlich die enge Verzahnung von Produktionsvorgängen, theologischen Inhalten, verlegerischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Folgen.
Die Idee hinter Gutenbergs Erfindung war ebenso einfach wie genial. Auf einmal konnten interessante Texte in deutlich höherer Zahl als früher dauerhaft verfügbar gemacht werden. Die nach Bildung Strebenden griffen diese Erfindung sofort auf, da ihr Eigenstudium deutlich erleichtert wurde. Kaufmann spricht von der „Autonomisierung der Bildungsprozesse“ und nennt als Beispiel Ulrich Zwingli, der gerade einmal ein halbes Jahr Theologie studiert hatte, sich aber dank der gedruckten Bücher ständig autodidaktisch weiterbilden konnte. Der spätere Zürcher Reformator war „ein leidenschaftlicher Buchkäufer und –besitzer und ein emsiger Leser“. Er gehörte zu den ersten von Kaufmann „Printing Natives“ (in Anspielung an die heutigen Digital Natives) Genannten. Etwa eine Generation nach der Erfindung Gutenbergs geboren wuchsen sie schon in einer Kultur des gedruckten Buches auf und nutzten die neuen Möglichkeiten zielorientiert aus. Im Vergleich zu heute muten die Anfänge des Buchdrucks natürlich bescheiden an. Meist wurden in den ersten Jahrzehnten nur wenige hundert Exemplare eines Werks gedruckt. Vor allem das Papier war noch recht teuer und machte rund die Hälfte der Produktionskosten aus. Dennoch entwickelte sich zügig ein „gemeinsamer kultureller Kommunikations- und Erfahrungsraum“, so Kaufmann, denn nun konnte recht zeitnah über Politisches, Entdeckungen oder Naturereignisse berichtet werden. Auch die „Türkenfurcht“, die Bedrohung durch die Osmanen, wurde durch den Buchdruck verstärkt bzw. als europaweites Phänomen erst geschaffen. Diese wiederum regte den Absatz von Ablassbriefen an: „Große Ablasskampagnen […] setzten eine starke Nachfrage nach Druckaufträgen in Gang: Ablassbriefe, päpstliche Bullen, Summarien und Instruktionen in kürzeren und längeren, lateinischen der volksprachlichen Versionen, Werbeplakate und anderes mehre wurden benötigt […]. Der Ablassvertrieb brachte den Buchdruck in Schwung und förderte den Ausbau einer typographischen Infrastruktur.“ Die Kirche Roms nutzte also den Buchdruck auf allen Ebenen. Auch im katholischen Europa wurden von Anfang an zahlreiche Bücher gedruckt. Aber die Beziehung der Kirche zum gedruckten Wort blieb ambivalent. Einerseits, so Papst Leo X in der Bulle Inter sollicitudinis aus dem Jahr 1515, sei die Buchdruckerkunst „durch Gottes Gnade und Wohlwollen“ erfunden worden und schaffe großen Nutzen, doch stehen dem andererseits unabsehbare Gefahren gegenüber, da gerade Übersetzungen in die Volkssprache größte „Verirrungen“ im Glauben und Leben anrichten können. Noch im 15. Jahrhundert setzten die Bestrebungen des Papsttums zur Zensur ein. In den Augen der deutschen Humanisten wie Conrad Celtis gereichte die Erfindung des Buchdrucks vor allem Deutschland zu Ehre: „Mit dem Buchdruck […] habe das viel geschmähte ‘Barbarenland’ nördlich der Alpen den Anschluss an das Kulturniveau der Antike und seiner zeitgenössischen Erben gefunden“, so Kaufmann. Johannes Cochläus war nun stolz darauf, dass die Deutschen nun als „nicht stumpfer und weniger erfinderisch scheinen als irgendein Volk“. Martin Luther ging noch weiter und rückte laut Kaufmann „die technische Errungenschaft der mechanischen Textreproduktion in einen heilsgeschichtlichen Horizont: Ohne den Buchdruck sei keine Erkenntnis und Wissenschaft, keine Kunst, kein Fortbestand der Kultur und der Sprachen möglich. Auch das Evangelium sei an Buch und Schrift gebunden.“ In den Worten des Reformators: „Der Buchdruck ist das letzte und zugleich größte Geschenk, durch das Gott dem ganzen Erdkreis die Sache der wahren Religion am Ende der Welt bekannt gemacht und in alle Sprachen ausgegossen hat. Er ist gewiss die letzte, unauslöschliche Flamme der Welt.“ In diese Richtung äußerten sich auch Konrad Pellikan in Basel oder Theodor Bibliander in Zürich: „Christus habe in Straßburg durch Gutenberg das Druckhandwerk erfinden lassen, um ‘den Anschlägen des päpstlichen Antichristen mit der gewisse göttlichen Kunst, Bücher zu drucken’, entgegenzutreten.“ Auch für das konfessionelle Luthertum des 17. Jahrhunderts bestand „in dem bald erwarteten Niedergang des Papsttums […] der eigentliche Sinn des Buchdrucks“. Kaufmann teilt dieses vereinfachende „konfessionspolemisch-antikatholische Narrativ“ jedoch nicht und versucht hingegen den breiteren Kontext zu erläutern, der dann im Ergebnis dem Protestantismus starken Auftrieb gab. Eine wichtige Rolle spielte die Tatsache, dass schon vor dem Beginn der Reformation sich das Erlernen von Latein, Griechisch und Hebräisch als Schlüsselkompetenz etablierte. 1506 erschien die lateinische Grammatik der hebräischen Sprache De rudimentis hebraicis des großen Humanisten Johannes Reuchlin. Mit ihr lernten Luther wie auch Karlstadt und Zwingli als Autodidakten das Hebräische; durch Reuchlins Hebraica-Werke konnte sich die biblische Sprache als Lehrfach an den Universitäten durchsetzen. Für die Reformation war natürlich auch Erasmus von Rotterdams Novum Instrumentum, die griechisch-lateinische Ausgabe des Neuen Testaments von 1516, von grundlegender Bedeutung. Schon die erste Ausgabe dieses neuartigen Werks war ein enormer Erfolg; nur drei Jahr später folgte eine überarbeitete Neuauflage. Die eigene Übersetzung des griechischen Text ins Lateinische in parallelen Kolumnen, exegetische Kommentare und Textkritik, d.h. Angaben zur Überlieferung des Textes, machten, so Kaufmann, „diese Neuausgabe der heiligsten Texte der Christenheit zu einem verwegenen, fundamental autoritätskritischen und insofern spektakulären Buch.“ Der damals übliche lange Titel des Buches mündete in einen Appell des Humanisten an den Leser: „Du, der du die Theologie liebst, lies, erkenn und dann urteile. Wenn du auf etwas Geändertes stößt, nimm nicht sogleich Anstoß, sondern ermesse, ob nicht zum Besseren geändert wurde.“ Erasmus schrieb für seine Ausgabe des Neuen Testaments mehrere Vorreden wie z.B. die Paraclesis oder „Ermahnung“, die später in deutscher Übersetzung einzeln gedruckt wurde und die, wie Kaufmann schreibt, „alle Christenmenschen, Kleriker wie Laien beiderlei Geschlechts, zur Bibellektüre aufforderte“. Erasmus wünschte: „Wenn doch der Bauer mit der Hand etwas davon [sc. der Bibel] vor sich sänge, der Weber etwas davon mit seinem Schiffchen im Takt vor sich summte und der Wanderer mit Erzählungen dieser Art seinen Weg verkürzte.“ „Dass man durch das Lesen gedruckter Bücher Gottes- und Heilserfahrung machen konnte, war ein der lateineuropäischen Christenheit schon vor der Reformation geläufiger Gedanke“, fasst Kaufmann zusammen. Das Medium gedrucktes Buch machte aber auch lebhafte literarische Kontroversen möglich. Der Historiker schildert ausführlich den „Judenbücherstreit“ um Reuchlin, den der Konvertit Johannes Pfefferkorn mit seinem Handspiegel von 1511 entzündete – im Heiligen römischen Reich „das erste Medienevent der Gutenberg-Ära“. Viel Aufmerksamkeit widmet Kaufmann natürlich dem Beginn der Reformation und dem Zeitraum bis 1525. Mit seinen 95 Thesen vom Oktober 1517 suchte Luther selbst wohl noch nicht eine Breitenwirkung, aber die frühen Thesendrucke wie in Nürnberg und Basel machten den Streit um den Ablass zum Gespräch im Reich und auch in anderen europäischen Ländern (so schickte Erasmus die Baseler Ausgabe nach England). Ohne die Druckerpresse wäre der Reformationsfunke wohl sogleich erloschen. Ob Zufall oder nicht – hilfreich war in jedem Fall, dass die 95 lateinischen Thesen genau auf einen Druckbogen passten. Ablassprediger Johannes Tetzel antwortete auf Luther mit seiner Replik, den 106 Thesen. Im Frühjahr 1518 folgte Luthers Sermon von Ablass und Gnade, dessen geringer Umfang (der Satz passte auch auf einen Druckbogen) eine hohe Auflage und weite Verbreitung begünstigte. In den Augen Kaufmanns hat der Sermon als „ein in publizistischer Hinsicht geniales Werk“ zu gelten. „Mit dieser ersten Erfolgsschrift hat Luther gewiss weitaus mehr Menschen erreicht als jeder seiner Zeitgenossen.“ Tetzel reagierte hier ebenfalls mit einem volkssprachlichen Traktat. Luthers Werke erreichten auch Rom, wo Sylvester Prierias sich in die Debatte einschaltete. Luther Reaktion war prompt und ohne falschen Respekt. Schon 1520 hatte die publizistische Auseinandersetzung mit Vertretern Roms eine große Schärfe erreicht. Schon zuvor hatten Johannes Eck und Luthers Wittenberger Kollege Andreas Bodenstein von Karlstadt eine literarische Debatte geführt, in die sich dann auch Luther selbst einschaltete. Die Leipziger Disputation im Sommer 1519, an der die drei teilnahmen, war so publizistisch vorbereitet wie noch keine akademische Debatte zuvor. Ganz anders als Rom zielten die Reformatoren schon damals auch auf den mündigen Laien, dem auch in theologischen Fragen eine gewisse Kompetenz zugesprochen wurde. Dabei gingen sie noch viel weiter als Erasmus und andere Humanisten. Kaufmann führt aus: „Die theologische Überzeugung der Wittenberger, dass die Laien als Urteilsinstanz nicht übergangen werden durften, ließ es als geradezu zwingend erscheinen, permanent zu publizieren. Die theologische Idee des ‘Priestertums aller Gläubigen’ war exakt die Kirchen- und Sozialtheorie, die dem durch das Printmedium herausgeführten kommunikationskulturellen Wandel entsprach.“ In publizistischer Hinsicht war 1520 ein entscheidendes Jahr für die Reformation. Insgesamt 28 Schriften aus Luthers Feder mit einem Gesamtvolumen von 1004 Seiten gingen in den Druck, darunter die sog. „reformatorischen Hauptschriften“. In dem Jahr „schrieb Luther geradezu um sein Leben“, so Kaufmann. Ohne die großen Texte des Jahres „wäre die ‘die reformatorische Bewegung’ und schließlich die Reformation selbst schwerlich zustande gekommen.“ Vor allem De captivitate Babylonica ecclesiae war ein Schlüsseldokument, da sich an Luthers Sicht der Sakramente die Geister schieden. Im kommenden Jahr folgte Luthers Vorladung zum Wormser Reichstag. Seine Standhaftigkeit vor Kaiser und Kardinal Aleander wurde schon damals durch das Druckmedium zum Gespräch in weiten Teilen Europas. Kaufmann zu Luther in Worms: „Mehr als hundert Drucke sind aus diesem Anlass erschienen; durch keinen anderen Sachverhalt ist Luther so bekannt geworden wie durch diesen. Niemals seit Gutenberg war über ein Ereignis zeitnäher und dichter geschrieben, berichtet, publiziert worden. In Worms stand neben der Person des Ketzers sein gedrucktes Schrifttum vor dem Gericht des Reiches […].“ Aleander war bewusst, dass vor allem Luthers Ideen aus der Welt geschafft werden müssen, weshalb die vielleicht wichtigste Anordnung des Wormser Edikts auf die Vernichtung der Bücher Luthers und das Verbot des Druckes abzielte. Doch wirkungsvolle Mechanismen für die Umsetzung dieser Maßnahmen gab es nicht. Im föderal gegliederten Reich waren neue Ideen nicht mehr aufzuhalten. Der Titel von Kaufmanns Buch spricht bewusst von der „Generation Luther“, betrachtet also auch das publizistische Wirken anderer Reformatoren wie z.B. im Kapitel „Lagerbildung in der reformatorischen Bewegung“. Kaufmann geht näher auf Luthers Kollegen Karlstadt ein, der während Luthers Monaten auf der Wartburg der natürliche Anführer der Reformbewegung in der Stadt war. Der Professor legte Anfang 1522 in einer dann auch gedruckten Predigt eine umfassende Begründung für die Entfernung der Bilder aus den Kirchen dar, die von der Obrigkeit angeordnet worden war. Zu einem „Bildersturm“, wie oft behauptet, war es in der Stadt also gar nicht gekommen, weshalb eher von „Bilderentfernung“ zu reden ist. Luther kehrte im März zurück und nutzte die Situation, so Kaufmann, um den „zur Subordination nicht bereiten Kollegen Karlstadt zu inkriminieren und zu isolieren.“ Luthers Version der Vorgänge setzte sich durch und fand natürlich wieder in gedruckten Texten Niederschlag. „Der ordnungsstiftende Reformator sei chaotisch-aufrührerischen Fehlentwicklungen, zu denen es unter der Führung Karlstadt in seiner Abwesenheit gekommen sei, kraftvoll entgegengetreten und habe das Ruder herumgeworfen.“ Kaufmann hält dieses Narrativ so nicht für haltbar. Luthers „literarischer Vernichtungsschlag gegen Karlstadt“, seinen in Luthers Worten „höchsten Feind“, stellte dann die Schrift Wider die himmlischen Propheten aus dem Jahr 1525 dar. Das Druckwesen führte aber unweigerlich zu einer dauerhaften Pluralität der Auslegungen und Lehrauffassungen. Auch die Zahl der Autoren, „die nun die publizistische Bühne betraten, vermehrte sich sprunghaft“, so Kaufmann. Karlstadt wurde zwar in Wittenberg, das er bald verlassen musste, gleichsam geächtet, erzielte aber mehr Wirkung im Süden Deutschlands. In Zürich veröffentlichte Ludwig Hätzer (bald ein wichtiger Vertreter der Täuferbewegung) 1523 die am weitesten verbreitete Schrift zu Bilderfrage. In diesen Jahren veröffentliche in der Schweizer auch Zwingli zahlreiche Werke, allein 1522 sieben Schriften. Die Kirche Roms nutzte also den Buchdruck auf allen Ebenen. Auch im katholischen Europa wurden von Anfang an zahlreiche Bücher gedruckt. Aber die Beziehung der Kirche zum gedruckten Wort blieb ambivalent. Einerseits, so Papst Leo X in der Bulle Inter sollicitudinis aus dem Jahr 1515, sei die Buchdruckerkunst „durch Gottes Gnade und Wohlwollen“ erfunden worden und schaffe großen Nutzen, doch stehen dem andererseits unabsehbare Gefahren gegenüber, da gerade Übersetzungen in die Volkssprache größte „Verirrungen“ im Glauben und Leben anrichten können. Noch im 15. Jahrhundert setzten die Bestrebungen des Papsttums zur Zensur ein. In den Augen der deutschen Humanisten wie Conrad Celtis gereichte die Erfindung des Buchdrucks vor allem Deutschland zu Ehre: „Mit dem Buchdruck […] habe das viel geschmähte ‘Barbarenland’ nördlich der Alpen den Anschluss an das Kulturniveau der Antike und seiner zeitgenössischen Erben gefunden“, so Kaufmann. Johannes Cochläus war nun stolz darauf, dass die Deutschen nun als „nicht stumpfer und weniger erfinderisch scheinen als irgendein Volk“. Martin Luther ging noch weiter und rückte laut Kaufmann „die technische Errungenschaft der mechanischen Textreproduktion in einen heilsgeschichtlichen Horizont: Ohne den Buchdruck sei keine Erkenntnis und Wissenschaft, keine Kunst, kein Fortbestand der Kultur und der Sprachen möglich. Auch das Evangelium sei an Buch und Schrift gebunden.“ In den Worten des Reformators: „Der Buchdruck ist das letzte und zugleich größte Geschenk, durch das Gott dem ganzen Erdkreis die Sache der wahren Religion am Ende der Welt bekannt gemacht und in alle Sprachen ausgegossen hat. Er ist gewiss die letzte, unauslöschliche Flamme der Welt.“ In diese Richtung äußerten sich auch Konrad Pellikan in Basel oder Theodor Bibliander in Zürich: „Christus habe in Straßburg durch Gutenberg das Druckhandwerk erfinden lassen, um ‘den Anschlägen des päpstlichen Antichristen mit der gewisse göttlichen Kunst, Bücher zu drucken’, entgegenzutreten.“ Auch für das konfessionelle Luthertum des 17. Jahrhunderts bestand „in dem bald erwarteten Niedergang des Papsttums […] der eigentliche Sinn des Buchdrucks“. Kaufmann teilt dieses vereinfachende „konfessionspolemisch-antikatholische Narrativ“ jedoch nicht und versucht hingegen den breiteren Kontext zu erläutern, der dann im Ergebnis dem Protestantismus starken Auftrieb gab. Eine wichtige Rolle spielte die Tatsache, dass schon vor dem Beginn der Reformation sich das Erlernen von Latein, Griechisch und Hebräisch als Schlüsselkompetenz etablierte. 1506 erschien die lateinische Grammatik der hebräischen Sprache De rudimentis hebraicis des großen Humanisten Johannes Reuchlin. Mit ihr lernten Luther wie auch Karlstadt und Zwingli als Autodidakten das Hebräische; durch Reuchlins Hebraica-Werke konnte sich die biblische Sprache als Lehrfach an den Universitäten durchsetzen. Für die Reformation war natürlich auch Erasmus von Rotterdams Novum Instrumentum, die griechisch-lateinische Ausgabe des Neuen Testaments von 1516, von grundlegender Bedeutung. Schon die erste Ausgabe dieses neuartigen Werks war ein enormer Erfolg; nur drei Jahr später folgte eine überarbeitete Neuauflage. Die eigene Übersetzung des griechischen Text ins Lateinische in parallelen Kolumnen, exegetische Kommentare und Textkritik, d.h. Angaben zur Überlieferung des Textes, machten, so Kaufmann, „diese Neuausgabe der heiligsten Texte der Christenheit zu einem verwegenen, fundamental autoritätskritischen und insofern spektakulären Buch.“ Der damals übliche lange Titel des Buches mündete in einen Appell des Humanisten an den Leser: „Du, der du die Theologie liebst, lies, erkenn und dann urteile. Wenn du auf etwas Geändertes stößt, nimm nicht sogleich Anstoß, sondern ermesse, ob nicht zum Besseren geändert wurde.“ Erasmus schrieb für seine Ausgabe des Neuen Testaments mehrere Vorreden wie z.B. die Paraclesis oder „Ermahnung“, die später in deutscher Übersetzung einzeln gedruckt wurde und die, wie Kaufmann schreibt, „alle Christenmenschen, Kleriker wie Laien beiderlei Geschlechts, zur Bibellektüre aufforderte“. Erasmus wünschte: „Wenn doch der Bauer mit der Hand etwas davon [sc. der Bibel] vor sich sänge, der Weber etwas davon mit seinem Schiffchen im Takt vor sich summte und der Wanderer mit Erzählungen dieser Art seinen Weg verkürzte.“ „Dass man durch das Lesen gedruckter Bücher Gottes- und Heilserfahrung machen konnte, war ein der lateineuropäischen Christenheit schon vor der Reformation geläufiger Gedanke“, fasst Kaufmann zusammen. Das Medium gedrucktes Buch machte aber auch lebhafte literarische Kontroversen möglich. Der Historiker schildert ausführlich den „Judenbücherstreit“ um Reuchlin, den der Konvertit Johannes Pfefferkorn mit seinem Handspiegel von 1511 entzündete – im Heiligen römischen Reich „das erste Medienevent der Gutenberg-Ära“. Viel Aufmerksamkeit widmet Kaufmann natürlich dem Beginn der Reformation und dem Zeitraum bis 1525. Mit seinen 95 Thesen vom Oktober 1517 suchte Luther selbst wohl noch nicht eine Breitenwirkung, aber die frühen Thesendrucke wie in Nürnberg und Basel machten den Streit um den Ablass zum Gespräch im Reich und auch in anderen europäischen Ländern (so schickte Erasmus die Baseler Ausgabe nach England). Ohne die Druckerpresse wäre der Reformationsfunke wohl sogleich erloschen. Ob Zufall oder nicht – hilfreich war in jedem Fall, dass die 95 lateinischen Thesen genau auf einen Druckbogen passten. Ablassprediger Johannes Tetzel antwortete auf Luther mit seiner Replik, den 106 Thesen. Im Frühjahr 1518 folgte Luthers Sermon von Ablass und Gnade, dessen geringer Umfang (der Satz passte auch auf einen Druckbogen) eine hohe Auflage und weite Verbreitung begünstigte. In den Augen Kaufmanns hat der Sermon als „ein in publizistischer Hinsicht geniales Werk“ zu gelten. „Mit dieser ersten Erfolgsschrift hat Luther gewiss weitaus mehr Menschen erreicht als jeder seiner Zeitgenossen.“ Tetzel reagierte hier ebenfalls mit einem volkssprachlichen Traktat. Luthers Werke erreichten auch Rom, wo Sylvester Prierias sich in die Debatte einschaltete. Luther Reaktion war prompt und ohne falschen Respekt. Schon 1520 hatte die publizistische Auseinandersetzung mit Vertretern Roms eine große Schärfe erreicht. Schon zuvor hatten Johannes Eck und Luthers Wittenberger Kollege Andreas Bodenstein von Karlstadt eine literarische Debatte geführt, in die sich dann auch Luther selbst einschaltete. Die Leipziger Disputation im Sommer 1519, an der die drei teilnahmen, war so publizistisch vorbereitet wie noch keine akademische Debatte zuvor. Ganz anders als Rom zielten die Reformatoren schon damals auch auf den mündigen Laien, dem auch in theologischen Fragen eine gewisse Kompetenz zugesprochen wurde. Dabei gingen sie noch viel weiter als Erasmus und andere Humanisten. Kaufmann führt aus: „Die theologische Überzeugung der Wittenberger, dass die Laien als Urteilsinstanz nicht übergangen werden durften, ließ es als geradezu zwingend erscheinen, permanent zu publizieren. Die theologische Idee des ‘Priestertums aller Gläubigen’ war exakt die Kirchen- und Sozialtheorie, die dem durch das Printmedium herausgeführten kommunikationskulturellen Wandel entsprach.“ In publizistischer Hinsicht war 1520 ein entscheidendes Jahr für die Reformation. Insgesamt 28 Schriften aus Luthers Feder mit einem Gesamtvolumen von 1004 Seiten gingen in den Druck, darunter die sog. „reformatorischen Hauptschriften“. In dem Jahr „schrieb Luther geradezu um sein Leben“, so Kaufmann. Ohne die großen Texte des Jahres „wäre die ‘die reformatorische Bewegung’ und schließlich die Reformation selbst schwerlich zustande gekommen.“ Vor allem De captivitate Babylonica ecclesiae war ein Schlüsseldokument, da sich an Luthers Sicht der Sakramente die Geister schieden. Im kommenden Jahr folgte Luthers Vorladung zum Wormser Reichstag. Seine Standhaftigkeit vor Kaiser und Kardinal Aleander wurde schon damals durch das Druckmedium zum Gespräch in weiten Teilen Europas. Kaufmann zu Luther in Worms: „Mehr als hundert Drucke sind aus diesem Anlass erschienen; durch keinen anderen Sachverhalt ist Luther so bekannt geworden wie durch diesen. Niemals seit Gutenberg war über ein Ereignis zeitnäher und dichter geschrieben, berichtet, publiziert worden. In Worms stand neben der Person des Ketzers sein gedrucktes Schrifttum vor dem Gericht des Reiches […].“ Aleander war bewusst, dass vor allem Luthers Ideen aus der Welt geschafft werden müssen, weshalb die vielleicht wichtigste Anordnung des Wormser Edikts auf die Vernichtung der Bücher Luthers und das Verbot des Druckes abzielte. Doch wirkungsvolle Mechanismen für die Umsetzung dieser Maßnahmen gab es nicht. Im föderal gegliederten Reich waren neue Ideen nicht mehr aufzuhalten. Der Titel von Kaufmanns Buch spricht bewusst von der „Generation Luther“, betrachtet also auch das publizistische Wirken anderer Reformatoren wie z.B. im Kapitel „Lagerbildung in der reformatorischen Bewegung“. Kaufmann geht näher auf Luthers Kollegen Karlstadt ein, der während Luthers Monaten auf der Wartburg der natürliche Anführer der Reformbewegung in der Stadt war. Der Professor legte Anfang 1522 in einer dann auch gedruckten Predigt eine umfassende Begründung für die Entfernung der Bilder aus den Kirchen dar, die von der Obrigkeit angeordnet worden war. Zu einem „Bildersturm“, wie oft behauptet, war es in der Stadt also gar nicht gekommen, weshalb eher von „Bilderentfernung“ zu reden ist. Luther kehrte im März zurück und nutzte die Situation, so Kaufmann, um den „zur Subordination nicht bereiten Kollegen Karlstadt zu inkriminieren und zu isolieren.“ Luthers Version der Vorgänge setzte sich durch und fand natürlich wieder in gedruckten Texten Niederschlag. „Der ordnungsstiftende Reformator sei chaotisch-aufrührerischen Fehlentwicklungen, zu denen es unter der Führung Karlstadt in seiner Abwesenheit gekommen sei, kraftvoll entgegengetreten und habe das Ruder herumgeworfen.“ Kaufmann hält dieses Narrativ so nicht für haltbar. Luthers „literarischer Vernichtungsschlag gegen Karlstadt“, seinen in Luthers Worten „höchsten Feind“, stellte dann die Schrift Wider die himmlischen Propheten aus dem Jahr 1525 dar. Das Druckwesen führte aber unweigerlich zu einer dauerhaften Pluralität der Auslegungen und Lehrauffassungen. Auch die Zahl der Autoren, „die nun die publizistische Bühne betraten, vermehrte sich sprunghaft“, so Kaufmann. Karlstadt wurde zwar in Wittenberg, das er bald verlassen musste, gleichsam geächtet, erzielte aber mehr Wirkung im Süden Deutschlands. In Zürich veröffentlichte Ludwig Hätzer (bald ein wichtiger Vertreter der Täuferbewegung) 1523 die am weitesten verbreitete Schrift zu Bilderfrage. In diesen Jahren veröffentliche in der Schweizer auch Zwingli zahlreiche Werke, allein 1522 sieben Schriften.
Kaufmann geht auch auf Thomas Müntzer und den radikalen Flügel der Reformation sowie die Bauernaufstände ein. Er weist darauf hin, dass die Zwölf Artikel gemeiner Bauernschaft „einer der meistgedruckten Text der Zeit überhaupt“ waren. Seine breite Rezeption schufen „erst jenen Zusammenhang, der es sinnvoll und möglich macht, von dem Bauernkrieg zu sprechen.“ Anfangs dem Anliegen der Bauern wohlwollend gegenüber verschärfte Luther wegen Gewaltausbrüchen seinen Ton und sprach in Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern vom „Werk des Teufels“. „Luthers eigenen Agieren im Bauernkrieg erzeugte vor allem unter den oberdeutschen Anhängern der Reformation den Eindruck, dass Gott ihn wegen seiner Hoffart ‘den wahrhaftigen geyst entzogen‘ habe“, so Kaufmann. Dieser „publizistisch induzierte Imageschaden“ war nicht mehr zu korrigieren. Der Buchdruck führte die Streitkultur auf ein neues Niveau, was in Kaufmanns Buch gut deutlich wird. Der Autor zusammenfassend: „Der unablässige literarische Wortwechsel, die gleichsam auf bedrucktem Papier geführte Dauerdisputation wurde im Zuge der Reformation zu einem Kennzeichen der theologischen Diskurskultur – zwischen den sich ausformenden konfessionellen Lagers, aber auch innerhalb derselben.“ Ein weiteres wichtiges Ergebnis der ersten Medienrevolution war der Auftrieb für nationale Sprachkulturen. Volkssprachliche Drucke erlangen immer höheren Anteil an der Gesamtproduktion. Damit verbunden stieg der des Lesens kundige Bevölkerungsanteil. Als neues Genre entstanden Gesangbücher für die Gemeindeglieder. Sie und zahlreiche Katechismen, von denen in der Reformationsepoche insg. über 700 deutsche und knapp 800 lateinische Ausgaben erschienen, gelangten in die Häuser der Gläubigen. Auf ein breites Lesepublikum zielte auch Luthers Übersetzung des Neuen Testaments von 1522. Seine Vorreden auf die einzelnen Bücher darin zielten ebenfalls auf die Laien. „Bis zu Luthers Todesjahr lagen dann über vierhundert Voll- und Teilausgaben seiner Übersetzung vor – etwa eine halbe Million Exemplare“, so Kaufmann. Die Bibel wurde zu einem religiösen Volksbuch. Gedruckte Bücher sind Wissensspeicher. In Kompendien und Enzyklopädien, Predigtsammlungen und Traktaten, Flugblättern und theologischen Kommentaren wurden Ideen verschiedenster Art – ob orthodox oder häretisch, traditionell oder fremdartig – verschriftlicht und aufbewahrt. „War das Fremde erst bibliothekarisch eingelagert, konnte es allerlei unerwartete, eigenständige Wirkungen entfalten“, stellt Kaufmann fest. Er nennt das Beispiel von Calvins Zeitgenossen und Gegner Sebastian Castellio, der in seiner Schrift gegen die Ketzerverfolgung von 1554 Texte zusammenstellte, die die Tötung von Ketzern zurückwiesen – darunter Zitate aus Luthers Von weltlicher Obrigkeit oder auch von Calvin. Einmal gedruckte Ideen bleiben in der Welt und können Jahre oder gar Jahrhunderte ungewohnte Resonanz in neuen Kontexten finden. Dies gilt für die Idee der Toleranz oder des „allgemeinen Priestertums“ wie auch für Luthers antijüdische Schriften, die bald in Vergessenheit gerieten und dann erst wieder Ende des 19. Jahrhunderts auf breites Echo stießen. Kaufmanns Buch ist – dem Thema entsprechend – sehr ansprechend gestaltet. Zahlreiche Illustrationen zeigen die im Text besprochenen Werke. Hat man sich an die manchmal etwas abgehobene Sprache des Professors gewöhnt, ist Die Druckmacher ein echtes Lesevergnügen. Man hätte sich gewünscht, dass Kaufmann sich ein wenig ausführlicher zur Frage geäußert hätte, welche Erkenntnisse für die Gegenwart und das Leben in der zweiten, der digitalen Medienrevolution zu gewinnen wären. In Einleitung und Epilog bleibt der Autor nur sehr skizzenhaft. In Wir amüsieren uns zu Tode (1985) grenzt Neil Postman das „Zeitalter der Erörterung“, das der Buchdruck hervorbrachte, scharf vom „Zeitalter des Showbusiness“ ab, das durch das Fernsehen entstand. Kaufmann hilft, diesen Eindruck des radikalen Kontrastes zu verfeinern, denn bei allen offensichtlichen Unterschieden zwischen den Medienzeitaltern zeigen sich eben auch nicht wenige Parallelen und überraschende Kontinuitäten. So verbinden wir heute Geschwindigkeit mit dem blitzschnellen Internet und der digitalen Revolution. Doch schon im 16. Jahrhundert publizierten die Reformatoren und andere teilweise äußerst schnell. Luther z.B. (wie Kaufmann selbst nachwies) gab manchmal Manuskriptteile schon in den Satz, bevor er ein Werk abgeschlossen hatte, d.h. die Produktion des Buchs in der Druckerei begann schon vor der Fertigstellung des eigentliches Textes. Die Generation Luther fühlte genau den Puls der Zeit und reagierte möglichst zügig auf die immer neuen Herausforderungen. Von der ersten Medienrevolution gibt es heute noch viel zu lernen. Der Druckmacher hilft dabei. https://lahayne.lt/2023/01/19/das-groste-geschenk-gottes/
Berühmtheit im Werk des Herrn ist gewöhnlich schlecht. »Und du, du trachtest nach großen Dingen für dich? Trachte nicht danach!« (Jer 45,5). Christus trachtete nicht danach. »Warum verbrachte der Sohn Gottes all diese Jahre in einer Schreinerei? Warum besuchte er nicht Rom und Athen und Alexandria und hielt Vorträge in den großen Weltstädten? Und warum verbrachte er die allermeiste Zeit seines Lebens auf der Erde als Zimmermann? Dieses Verhalten ist für uns heute unverständlich, weil die Menschen in unserer Zeit wild auf Berühmtheit in den Medien sind, wo die Menschen alles unter der Sonne unternehmen, um auf der ersten Seite abgebildet zu werden oder im Fernsehen zu erscheinen … Wir hätten unseren Herrn erwachsen auf die Erde kommen lassen als Weltreisenden, der Vorträge an Universitäten hält. Nicht auszudenken, was die Medien für ihn hätten tun können! Wenn er ein Wunder vollbracht hatte, sagte er stattdessen: »Sprecht nicht darüber.« Seine Brüder drangen in ihn, dass er aus der Zurückgezogenheit hervorkommen und auf die belebten Straßen gehen sollte. Er hätte einen guten Presseagenten gebraucht! Er tat Wunder und hängte sie nie an die große Glocke. Heute kündigen wir sie an, aber wir können sie nicht tun« (Vance Havner) https://info2.sermon-online.com/german/WilliamMacDonald/Seiner_Spur_Folgen_2008.pdf
Was ist das? Es liegt auf der Treppe und lügt. Antwort: Die Zeitung.Das erzählte man sich in der braunen Nazizeit und der roten DDR-Diktatur. Natürlich hinter vorgehaltener Hand. Ich frage mich: Steht denn heute in den Zeitungen die Wahrheit? Aktuell wird doch in Zeitungen, im Fernsehen und im Internet nicht nur informiert, sondern auch manipuliert und Angst geschürt. Dichtung und Wahrheit liegen zu oft zu dicht beieinander. Was die Medienlandschaft betrifft, gehöre ich eher zu den Skeptikern und finde häufig das Wort „Lückenpresse“ bestätigt.Besonders wundere ich mich, wie viele Menschen alles glauben, was in den Medien vorkommt und im gleichen Atemzug das ablehnen, was in der Bibel steht. Darin steht nämlich eine wichtige Ansage von Jesus: „Ich bin die Wahrheit“. Mit Jesus und seiner Wahrheit können seit hunderten von Jahren Millionen Menschen im Frieden leben und im Frieden sterben. Durch die biblischen Nachrichten bringt Jesus auf allen Kontinenten Hoffnung ins Leben. Von der Wahrheit, die schon so lange Bestand hat, die Diktaturen und Demokratien überlebt hat, sollten heute alle erfahren und dann ausprobieren, ob es stimmt.Und eins muss ich noch hinzufügen, weil das auch in der Bibel steht. Gewiss, das gilt allen Menschen, aber im Besonderen auch den Medienleuten: Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen! (Jesaja 5,20) Lutz Scheufler Hier anhören … lutz-scheufler.dewww.lutz-scheufler.de https://www.lutz-scheufler.de/wp-18Fm52xH/uploads/210421_Medien.mp3?fbclid=IwAR26sYAEIYu2VIb9p4nMyN_22sfVeq7Jm9Jtjpv5TKhc2YaBxJpNszW__CA