Predigt zu Psalm 23, gehalten in der ref. Kirche Egerkingen am 17.03.2013 um 10:00 Uhr
„Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Strasse um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.“ (Psalm 23 in der Lutherübersetzung).
Der Psalm beginnt mit: „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Auf den ersten Blick stösst uns dies ab. Geht’s eigentlich noch! Ich bin doch kein dummes Schaf! Ich kann selber entscheiden! Heutzutage könnten wir sagen: Gott ist der Bräutigam an einer Hochzeit. Er leitet durch das ganze Programm und hat die Kontrolle über den Tagesablauf.
Er ist wie ein Vorgesetzter, der uns an der Hand nimmt. Gott will uns führen und leiten wie ein Hirte seine Schäfchen. Wenn wir dies zulassen, wird uns nichts fehlen. „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele.“ Dies nenne ich „die Hirtenidylle.“ Schöpfung, die schöne Natur. Saftige, grüne Landschaften. Ein Hotel mit gewaltigem Garten, in dem man eine Hochzeit feiert.
„Er führet mich auf rechter Strasse um seines Namens willen“ (Psalm 23,3). Wichtig: Um seines Namens willen. Fünfmal steht im Alten Testament, im Propheten Hesekiel, dass Gott handelt „um meines Namens willen“ (Hesekiel 20,9; 20,14; 20,22; 20,44; 36,22), also damit sein heiliger Name nicht entweiht wird.
Vielleicht ist es für uns heute ein schwieriger Gedanke, nachzuvollziehen, warum Gott „um seines Namens willen handelt.“ Doch im Zentrum der Bibel steht eben nicht der Mensch, sondern Gott, der dich liebt! Der Gott, der dich weiterbringt und dich stärkt.
Und plötzlich geschieht eine drastische Wendung: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal.“ Vorbei ist es mit der Hirtenidylle, mit den schönen Landschaften!
Das „finstere Tal“ bedeutet wortwörtlich das Tal des Todesschattens oder das Tal der Finsternis. Gemeint sind wohl die schwersten Anfechtungen, Krankheit, die Todesangst oder der Todeskampf. Oder Liebeskummer. Oder das teure Auto geht kaputt. Probleme in einer Beziehung oder am Arbeitsplatz. Quälende Sorgen. Unsicherheit. Fragen, die einen beschäftigen.
In dieser äussersten und extremsten Not, heisst es weiter: „Fürchte ich kein Unglück!“ Warum? „DENN DU BIST BEI MIR!“ Genau in der Mitte des Psalmes steht: „Denn du, Gott, bist bei mir.“ In den schwersten Zeiten müssen wir keine Angst haben, weil Gott selber bei uns ist. Wie kann er das tun? Diese kritische Frage ist berechtigt: Kann Gott überhaupt fühlen, wie es mir geht? Ist er nicht mit anderen Sachen beschäftigt? Jesus selber durchlitt im Garten Gezemane und am Kreuz Todesängste. Deshalb kann sich Gott auch in uns hineinversetzen, weil er selber litt!
Ein Geheimnis: Gott lässt das Leid zu, obwohl er es verhindern könnte. Er ist aber bei uns im Leid. Oft beinhalten die Zeiten des Leids die intensivsten Momente mit Gott. Dies erkennen wir, wenn wir auf unser Leben zurückschauen. Das Problem ist, dass wir kein Sensorium, also keinen Sinn haben wie Gehörsinn, Sehsinn oder Tastsinn, ob Gott, unser Schöpfer, bei uns anwesend ist oder nicht. Nur weil wir uns von Gott verlassen FÜHLEN, heisst das noch lange nicht, dass wir es auch tatsächlich sind.
Deshalb ist es auch unerlässlich, den Glauben nicht auf das GEFÜHL zu gründen, sondern auf die Bibel mit ihren Versprechen, die Gott uns gibt! Dass er uns liebt und auch in der Not bei uns ist. [Gegen Schleiermacher, der um den Glauben einen Schleier machte!]
Wie können wir das konkret im Alltag umsetzen?
Es hilft, immer eine Gideonbibel im Hosensack dabei zu haben. Dadurch man kann immer einen Psalm lesen. Praxisberichte: Einmal war ich sehr traurig wegen einer zerflossenen Beziehung. Ich zückte diese kleine Bibel und wurde ermutigt: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des HERRN Werke verkündigen“ (Psalm 118,17). Für mich bedeutete dies in meiner Situation: ich werde nicht besiegt werden, sondern weiterhin auf meinem Weg bleiben. Ein anderes Mal hatte ich Probleme mit der Uni und um Mitternacht sprach Gott zu mir durch Psalm 58, „Sie sollen zergehen wie Wasser, das verrinnt“ (Psalm 58,8) und „Es gibt doch Lohn für den Gerechten; es gibt doch einen Gott, der auf Erden richtet“ (Psalm 58,12), so dass ich laut lachen musste und befürchtete, ich würde meine Familie aufwecken. Einige Gideonbibeln liegen hinter in der Kirche auf. Bitte bedienen Sie sich!
Als modernere Variante kann auch das kostenlose BibleApp dienen.
„Dein Stecken und Stab trösten mich.“ Ein Hirte braucht Stecken und Stab, um seinen Schafen wieder aufzuhelfen, wenn sie gestürzt sind. Sie können nämlich nicht selber aufstehen. Ebenso benützt Gott die Bibel, um uns wieder aufzurichten.
Zweiter Teil: Das Festmahl
Plötzlich wechselt die Kulisse: „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ Nun sind wir an einer Hochzeit mit Festmahl, an einem feierlichen Bankett, an einem hochzeitlichen 9-Gängemenu. Gott selber lädt uns ein, an seinem grossen Tisch zu essen und zu trinken.
„Du salbest mein Haupt mit Öl.“ Dies war eine Geste, die der Gastgeber den Gästen tat: Öl auf den Kopf giessen. Wir würden heute sagen: er bietet ihnen einen Wellnessaufenthalt an. Es ist also eine Hochzeit mit Übernachtung in einem Fünfsternehotel.
„Mein Becher fliesst über.“ Gott ist so grosszügig an diesem Fest! Der Kelch ist so voll, dass er überläuft. Hier steigt eine richtig fette Party! Das Spezielle ist:
„Im Angesicht meiner Feinde.“ Warum werden hier Feinde erwähnt? Es gibt ein Sprichwort: „Wer sich einsetzt, setzt sich aus!“ Wenn wir uns für Gott einsetzen, setzen wir uns Kritik und seinen Gegnern aus. Trotzdem dürfen wir uns nicht unterkriegen lassen: Gott ist stärker und er versorgt uns jeden Tag mit dem, was wir brauchen.
„Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang.“ Jetzt dürfen wir Gott vertrauen, dass er uns unser ganzes Leben lang richtig führen wird. Er hat einen guten Plan für unser Leben. Gott wird uns im Leben weiterbringen.
„Und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.“ Das Lied hört auf mit dem Wunsch, immer im Tempel in Jerusalem, im damaligen Hause Gottes, zu bleiben. Im Tempel war Gott anwesend. Wegen Jesus brauchen wir jetzt keinen Tempel mehr (vgl. Johannesevangelium 4,21-23). Gott ist überall anwesend, wo Leute sich wegen Jesus zusammenfinden.
esus spricht: „denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte. “ (Matthäusevangelium 18,20). Für uns heute bedeutet das, dass es sehr wichtig ist, regelmässig Gemeinschaft zu haben mit anderen Christen und sich gegenseitig im Glauben zu ermutigen und füreinander und miteinander zu beten. Konkret kann dies im Sonntagmorgengottesdienst sein, oder auch in einem Hauskreis oder in einem sonstigen Anlass der Kirche. So geschieht Gemeinschaft mit Menschen und Gott.
Wie sind die beiden Teile, die Hirtenidylle und das Festmahl, überhaupt miteinander verbunden? Der „HERR“ kommt am Anfang und am Schluss des Psalms vor und bildet eine Klammer: „Der HERR ist mein Hirte“ und „Ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.“ Nun können wir uns fragen: Wer ist denn dieser HERR?
Jesus spricht: „Ich bin der gute Hirte“ (Johannesevangelium 10,11a). Jesus ist es! Die älteste Darstellung von Jesus in einer Katakombe in Rom etwa 250 n.Chr. zeigt Jesus als Hirten, der ein Schaf auf seinen Schultern trägt! Und nicht etwa als Richter.
Was heisst das, wenn Jesus sagt, er sei der gute Hirte? Jesus identifiziert sich mit Gott, er stellt sich Gott gleich. Jetzt können wir nachfragen: Warum ist genau Jesus der gute Hirte?
Er erklärt es gleich selbst: „Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe“ (Johannesevangelium 10,11b). Jesus hat nicht nur schöne Worte gesprochen und lange Reden geschwungen, sondern auch gehandelt. Die Tat entscheidet! Jesus hat „sein Leben gegeben als Lösegeld für viele“ (Markusevangelium 10,45).
Was heisst das konkret? Am Karfreitag im Jahr 30 n.Chr. liess sich Jesus kreuzigen auf dem Hügel Golgatha vor Jerusalem. Das war aber kein Zufall. Jesus erklärt: „Ich lasse mein Leben, um es wiederzunehmen. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Vollmacht, es zu lassen, und habe Vollmacht, es wiederzunehmen“ (Johannesevangelium 10,17-18).
Jesus nahm unsere Sünde auf sich, um uns mit Gott zu versöhnen, das heisst Frieden zu machen zwischen Gott und Menschen. Er ist an Ostern auferstanden! Er lebt!
Was bedeutet das alles für uns? Das EVANGELIUM, die frohe Botschaft und gute Nachricht!
Wegen Jesus können wir einen Neuanfang mit Gott bekommen. Wir können eine lebendige Beziehung mit ihm führen. Wenn wir Jesus im Gebet unsere Sünden bekennen, ihn um Verzeihung bitten und ihn bitten, in unser Leben zu kommen, dann werden wir seine Nachfolger (vgl. 1.Johannesbrief 1,9 und Johannesevangelium 1,12).
Jesus spricht: „Ich bin gekommen, damit sie [=meine Nachfolger] Leben haben und es in Überfluss haben“ (Johannesevangelium 10,10). Jesus ist kein Spassverderber oder Spielverderber, sondern er lädt uns an dieses gewaltige Hochzeit mit Wellnessprogramm für Körper und Seele ein!
Zudem steht er uns immer treu bei unseren Problemen und im Leid bei, egal, ob es durch Menschen (die Feinde, die gegen uns toben) oder Umstände (das dunkle Tal) ausgelöst wird. Jesus ist der Gott, der uns im konkreten Alltag weiterhilft!
Jesus spricht: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe“ (Johannesevangelium 19,11).
Wir dürfen Jesus vertrauen und ihm antworten:
„Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“ (Psalm 23,1).
Amen.
Ergänzung:
Martin Luther erklärt: „Und er [=Gott] hat auch eben darum diesen und andere Psalmen geschrieben, dass wir gewiss dafür halten sollen, dass in rechten Anfechtungen nirgends Rat und Trost zu finden sei, allein das sei die güldene Kunst, sich an Gottes Wort und Zusage halten, nach derselbigen und nicht nach des Herzens Fühlen urteilen; so soll gewiss Hilfe und Trost folgen und gar an nichts mangeln.“ (Der 23.Psalm, S. 40). „So wenig man ausserhalb Gottes Wort zu Gottes und der Wahrheit Erkenntnis und zum rechten Glauben kommen kann, so wenig ist Trost und Friede des Gewissens ausser demselbigen zu finden. Die Welt hat auch ihren Trost und Freude. Sie währet aber nur einen Augenblick; wenn Angst und Not und sonderlich das letzte Stündlein kommt, gehts wie Salomon sagt (Sprüche 14,13): „Nach dem Lachen kommt Trauern und nach der Freud kommt Leid.“ Die aber von diesem frischen und lebendigen Wasser trinken, die leiden wohl in der Welt Trübsal und Ungemach, doch wird’s ihnen am rechten Trost nimmermehr fehlen.“ (S. 50-51).