Die Überheblichkeit des Szientismus

Bei der Betrachtung der Rolle der menschlichen Vernunft haben wir gezeigt, dass Wissenschaft in einer Welt, deren Elemente sie bis ins Letzte beschreiben könnte, unmöglich ist. Die Person des Forschers selbst bliebe völlig außen vor, obwohl dieser der Autor jeglicher wissenschaftlicher Beschreibung ist. Nach logischen Gesichtspunkten betrachtet, ist es absurd, das menschliche Denken im Namen der Wissenschaft, das diese produziert, ausklammern zu wollen. Ebenso ist es praktisch unmöglich, keine Werturteile abzugeben und Aussagen, ein Objekt sei schön oder hässlich und eine Handlung sei gut oder schlecht unter dem Vorwand, solche Urteile würden jeglicher wissenschaftlicher Basis entbehren, zu unterlassen. Menschliches Leben müsste dann auf alles verzichten, was es interessant macht. Keine Gesellschaft könnte ohne minimale Übereinkünfte in ethischen Fragen überleben. Werturteile und menschliches Zusammenleben sind jedoch nur möglich, weil sie grundsätzlich auf anderen als mit wissenschaftlichen Methoden erlangten Gegebenheiten basieren.
Keine Methode kann von der Beschreibung des Ist (was Inhalt der wissenschaftlichen Forschung ist) zum Soll (was Inhalt ästhetischer oder ethischer Regeln ist) führen.
Wenn die Wissenschaft also den Menschen nicht darin erschöpfend beschreiben kann, was seine Rationalität, seinen Geschmack und sein ethisches Verhalten betrifft, kann sie auch keine Welt fordern, die der Einflussnahme eines mit Persönlichkeit ausgestatteten Wesens verschlossen wäre. Mehr noch: es wäre in einer solchen geschlossenen Welt gar kein Wesen denkbar, dass in der Lage wäre, Wissenschaft zu betreiben! Wer also die Existenz Gottes und die Möglichkeit der göttlichen Einflussnahme auf das Geschehen der Welt negiert, hat keine wissenschaftlich fundierte Begründung für seine Aussagen. Letztlich ist es nicht die Wissenschaft, die Gott negiert, sondern die ideologische Überheblichkeit des Szientismus.
Die Tatsache, dass in Bezug auf den Mensch die wissenschaftliche Beschreibung an ihre Grenzen stößt, ist kein Zufall. Nach Aussage der Bibel wurde der Mensch „zum Bilde Gottes“ geschaffen. Seine Stellung in der Natur ist daher von gewissen Analogien zur Beziehung Gottes zur Welt geprägt. Versucht man, Gott aus seinem Weltbild auszuklammern, muss man sich gezwungenermaßen der schwierigen Frage stellen, wie die Position des Menschen in einem solchen Weltbild adäquat definiert werden kann.
Lydia Jaeger über die Grenzen des Szientismus (Wissenschaft ohne Gott?, 2007, S. 86–87)

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