Charles Manson – Ende einer satanistischen Selbstinszenierung

Ende der 1960er Jahre sorgte er mit mehreren grausamen Morden für den spektakulärsten Prozess seiner Zeit. Jetzt ist er tot, der selbsternannte Herrscher der Welt.
Am 19.November 2017 starb Charles Manson mit 83 Jahren in einem kalifornischen Gefängniskrankenhaus. Vielen galt der kriminelle Sektenführer als Inkarnation des Bösen schlechthin. Auf der anderen Seite hatte er auch nicht wenige Fans, die ihn für seine morbide Inszenierung liebten. Jahr für Jahr erhielt er tausende von Briefen und Autogrammanfragen. Zahlreiche Frauen baten Manson sie zu heiraten. 2014 wäre es auch fast dazu gekommen. Manson erhielt eine Genehmigung, die 26-jährige Afton Elaine Burton zu heiraten. Seine publicitysüchtige Fast-Ehefrau forderte jedoch freie Verfügungsgewalt über Mansons Körper nach dessen Tod. Mit ihrer Rolle als Frau Manson und der Ausstellung seiner Leiche wollte sie Geld verdienen und langfristig in die Medien kommen. Manson verzichtet schließlich auf diese Eheschließung. Weiterlesen

Vom Atheisten zum Christen

Andreas Solymosi

Vom Atheisten zum Christen

Als junger Mann, aufgewachsen im Ostblock, war ich überzeugter Atheist, Marxist. In der Schule und an der Universität wurde jedem gelehrt, dass es keinen Gott gibt. Das marxistische Weltbild erschien mir so logisch, so wissenschaftlich, dass ich damals nicht nur daran geglaubt, sondern auch meine ganze Lebensphilosophie auf diese Denkweise gebaut habe. Wenn mir damals jemand behauptet hätte, ich würde mich irgendwann mit Fragen in Zusammenhang mit Gott beschäftigen, hätte ich ihn ausgelacht. Das war für mich Aberglaube. Ich meinte, dass Kirche, Beten und Bibel für alte Tanten und für hässliche Mädchen sind, die in der Diskothek nicht ankommen. Ich philosophierte aber sogar beim Tanzen gerne über die Theorie der Erkennbarkeit der Welt und behauptete, dass der Geist bloß das Nebenprodukt einer extrem komplex organisierten Form der Materie sei. Ich hatte griechische Philosophen gelesen, Hegel und Mao; von Marx und Lenin musste ich Prüfungen ablegen; aber auch von der Bibel meinte ich, dass es zur Allgemeinbildung gehört, sie gelesen zu haben.

Ich hatte viele Freunde und Freundinnen. Es war mein Ziel, dass die Menschen mich mögen. Ich war überzeugt: Wer nicht so glücklich ist wie ich, sei selber schuld. Ich war nicht eingebildet, aber stolz, und meinte, dieser Zustand würde ewig andauern, weil er nur an mir liegt. Dann kam eine Krise. Das erste Mal in meinem Leben geriet ich in eine Situation, wo ich genau wusste, wie meine Philosophie funktionieren sollte, sie tat es aber nicht. Ich verlor den Boden unter meinen Füßen. Ich blieb alleine, wurde krank. Die Todesangst ließ mich einsehen, dass in einer materialistischen Welt mein Leben keinen Sinn hat. Ich wurde verzweifelt, und habe nur deshalb keinen Selbstmord begangen, weil auch das keinen Sinn hatte.

Dann erinnerte ich mich daran, was ich in der Bibel gelesen hatte, und begriff: Meine einzige Chance ist, wenn das, was sie behauptet, wahr ist. Ich nahm sie wieder zur Hand und fand darin mich selbst beschrieben. Es ging um den Menschen, der nicht glaubt, nur an sich selbst; genau wie ich. Aber ich musste einsehen, dass das ein Irrglaube war: Ich war nicht in der Lage, mein Leben zu meistern. Die Bibel empfahl mir einen anderen Weg: Wenn ich mich Gott anvertraue, sorgt er für mich. Damals wusste ich noch nicht, ob es einen Gott gibt; aber meine alleinige Aussicht war, es auszuprobieren, und ich probierte es aus. Nachdem ich mich entschieden hatte, in das Risiko einzugehen, stellte sich heraus, dass es ihn gibt und was die Bibel von ihm sagt, stimmt.

Wie hat sich das herausgestellt? Heute, als gläubiger Christ, kann ich sagen, dass meine Sünde mich in die Krise hineingerissen hatte. Damals sah ich das natürlich anders: Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es auch keine Sünde. Da habe ich nur festgestellt, dass ich nicht so bin, wie ich sein müsste, um der glückliche Menschen zu werden, den ich aus mir machen wollte. Ich habe beschlossen, mich zu ändern. Und das ist nicht gelungen. Ich wollte meine Sünde loswerden, aber ich konnte nicht. Jesus Christus hat mich aber davon befreit; wozu ich nicht in der Lage war, hat er getan: Er hat mich verändert.

Heute, als Wissenschaftler und Hochschullehrer, sehe ich, dass diese Veränderung mein ganzes Leben bestimmt. Dass ich in der Lage bin, als Vater von vier Kindern auch in meinem Beruf zu bestehen, ist ohne Gottes Kraft nicht denkbar. Aus diesem Grund sehe ich auch als meine Verantwortung, mich auch über das Fachliche hinaus um meine Studenten als von Gott geliebte Menschen zu kümmern. Meine Beziehung zu meinen Kollegen und Mitarbeitern, Nachbarn und Freunden, wird von meiner Beziehung zu Gott geprägt. Meine tägliche Gemeinschaft mit Ihm gibt mir die Weisheit für anstehende Entscheidungen, sei es in der Kindererziehung, Betreuung von Studenten oder aktuelle Lebenssituationen. Hierdurch erfahre ich täglich, dass das Leben, das Er für mich bereitet und durch das Er mich führt, das einzige ist, das sich lohnt zu leben. https://mystory.me/story/andreas-solymosi/de/

Denkmal einer Idee

   

Öffentliche Denkmäler des Reformators Johannes Calvin gibt es weltweit nur ganz wenige. Eine freistehende, mannshohe Skulptur – die einzige dieser Art – befindet sich in Budapest, der ungarischen Hauptstadt. Als Teil des evangelischen Unionsdenkmals in der Stiftskirche in Kaiserslautern repräsentiert Calvin die reformierte Konfession, Luther die lutherische. Außerdem befindet sich an der Friedrichstadtkirche in Berlin am Gendarmenmarkt eine Bronzeplatte, die den Genfer Reformator zeigt (angefertigt zur 250-Jahr-Feier der Aufnahme der Hugenotten in Brandenburg 1935).
Das war‘s dann auch. In Calvins Geburtsstadt Noyon in Nordfrankreich würde man vergeblich ein Denkmal suchen. Dass jeglicher Personenkult eines Kirchenmannes zu verwerfen ist, haben die reformierten Christen also weitgehend beherzigt. Die deutschen Lutheraner machten dagegen nach den Kriegen gegen Napoleon Martin Luther zu einem ihrer großen Nationalhelden. 1821 wurde das Lutherdenkmal in Wittenberg errichtet, künstlerisch verantwortlich waren die Top-Künstler der Zeit, Schinkel und von Schadow (Letzterer schuf auch die Quadriga auf dem Brandenburger Tor). Der Wittenberger Luther war übrigens das erste Denkmal für einen Bürgerlichen überhaupt im Land. Bis dahin waren diese Fürsten und Adeligen vorbehalten. Dutzende Lutherdenkmäler, vor allem natürlich in Deutschland, folgten im 19. und frühen 20. Jahrhundert.

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Luther in Wittenberg (von Schadows Skulptur; Baldachin von Schinkel)

Prägend wurde außerdem das Lutherdenkmal in Worms aus dem 1868; die Figur von Ernst Rietschel ließ man in vielen Ländern nachgießen. Die Komposition gilt auch als „Reformationsdenkmal“, da dem alle überragenden Luther andere Reformatoren beigeordnet sind wie Melanchton und Vorreformatoren wie Hus und Wycliff.
Das „internationale Reformationsdenkmal“ befindet sich aber in Genf in der Schweiz. Es ist ein Kunstwerk ganz eigenen Stils. Im Zentrum der Maueranlage befindet sich Calvin selbst – sechs Meter hoch, neben ihm stehend Guilliaume Farel, der ihn einst nach Genf holte, Theodore Beza, sein Nachfolger in der Stadt, sowie John Knox, der Reformator Schottlands, der sich auch einige Jahre in der Schweizer Stadt aufhielt. Nur rund einhundert Meter entfernt liegt Calvins einstige Predigtkirche St. Pierre.
Das Denkmal wurde 1917, vor einhundert Jahren, eingeweiht. Es war die erste öffentliche Ehrung Calvins in dieser Form. Jahrhundertelang achteten die Genfer Calvins letzten Willen, ihn persönlich in keiner Weise zum Objekt der Verehrung zu machen. Bekanntlich verhinderte er sogar die Kennzeichnung seines Grabes (was heute als Grab besucht werden kann, markiert nicht den tatsächlichen Ort der Bestattung, der unbekannt ist).
Initiator des Denkmals war der Genfer Professor für Kirchengeschichte Auguste Chantre. Von ihm stammte die Idee, zum 400. Geburtstag des Reformators 1909 ein Monument zu errichten. Um Calvins Anliegen aber dennoch gerecht zu werden, sollte das Kunstwerk „weniger einem Menschen als einer Idee“ gewidmet sein. In der Vorgabe zu einem Wettbewerb war die Abbildung zahlreicher Personen vorgesehen, darunter auch „Männer des Staates und des Degens“. Sage und schreibe 71 Entwürfe gingen ein.
Der erste Preis ging an das Projekt von vier Schweizer Architekten mit dem schlichten Namen Le Mur – die Mauer. Die Grundsteinlegung erfolgte noch 1909. Zweidrittel der Kosten wurden durch Spenden aus Genf selbst aufgebracht. Die „Volkstümlichkeit“ war eine der Vorgaben des Wettbewerbs, und tatsächlich erfreute sich das Monument international de la Réformation in der Stadt sofort großer Beliebtheit. Bis heute ist es ein Besuchermagnet. Die vier Personen im Zentrum werden bis heute gerne ikonographisch herausgegriffen als Symbol der Reformation überhaupt, so auch in Litauen im Rahmen des diesjährigen Reformationsjubiläums.
Die Stärke des Monuments ist sicherlich, dass die Figur Calvins in die Gruppe der drei anderen Reformatoren eingebunden und nur ganz dezent, vor allem durch die Haltung seiner Arme, herausgehoben ist (ganz anders war dies beim zweitplatzierten Entwurf vorgesehen). Es gilt jedoch zu beachten, dass alle vier mit der Genfer Reformation verbunden sind (Knox gleichsam als deren Exporteur). Das Denkmal erinnert damit nicht an die Schweizer Reformation oder die reformierte Konfession allgemein, schließlich fehlten dafür so wichtige Personen wie Ökolampad, Musculus und natürlich Bullinger. Trotz des Namens ist auch nicht die europaweite Reformation als solche Thema, denn deren ‘Urväter’ finden nur wie beiläufig Erwähnung: In den Seitenmauern sind die Namen „Luther“ und „Zwingli“ eingemeißelt.

Die Figurengruppe im Zentrum ist nur der Mittelteil des an die einhundert Meter breiten Monuments. Links und rechts der Vier befinden sich die Skulpturen von sechs weiteren Personen, die jeweils um die drei Meter hoch sind. Abgesehen vom Puritaner Williams ist keiner von ihnen ein ordinierter Pfarrer oder Theologe; sind die vier Figuren Männer der Kirche, so handelt es sich bei den anderen um die ja schon in den Vorgaben geforderten Männer des Staates (als solcher ist auch Williams als Gründer von Rhode Island in Nordamerika aufgenommen).

Das dritte Element der komplexen Komposition stellen Flachreliefs und dazugehörige Texte dar, die Episoden aus der Reformationsgeschichte in Deutschland, Frankreich, Ungarn oder der Schweiz veranschaulichen. Sie sind den sechs Personen zugeordnet. Hier ein kurzer Überblick:

Gaspard de Coligny war Armeeführer und einer der Köpfe der Hugenotten in Frankreich, das prominenteste Opfer des Massakers in der Bartholomäusnacht im Jahr 1572. Damals wurden innerhalb weniger Tage Tausende reformierte Christen umgebracht. Ein Vierteljahrhundert später kamen die Religionskriege zu einem Ende, als der französische König Heinrich IV 1598 das Toleranzedikt von Nantes unterzeichnete, festgehalten im Relief.

Wilhelm von Nassau, der Schweiger oder der Schweigsame, ist abgebildet, Anführer der niederländischen Unabhängigkeitsbewegung. Der später „Vater des Vaterlands“ Genannte war maßgeblich beteiligt an der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Provinzen der Niederlande von Spanien, vorgenommen durch die Generalstaaten 1581.

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Friedrich Wilhelm von Brandenburg wird ebenfalls geehrt (im Bild o. links). Der Große Kurfürst nahm nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 durch Ludwig XIV in seinen Territorien hugenottische Glaubensflüchtlinge auf.

Viel weniger bekannt ist Stephan Bocskai: Im Relief ist dargestellt, wie der reformierte Fürst von Siebenbürgen 1606 dem ungarischen Landtag den Friedensvertrag von Wien übergibt. Darin sicherte der katholische Kaiser Rudolf II von Österreich den Protestanten Ungarns Religionsfreiheit zu.

Viele werden überrascht sein auch Oliver Cromwell zu sehen. Der General im englischen Bürgerkrieg Mitte des 17. Jahrhunderts übernahm in der kurzzeitigen Republik als „Lordprotektor“ die Herrschaft; gerne bezeichnet man ihn als Diktatoren. Vergessen wird dabei meist, dass der Puritaner Independent war, also „Freikirchler“. Er widerstand einer protestantischen Nationalkirche, und sei sie auch presbyterianisch. Sein Ruf war „Gewissensfreiheit!“. Daher blickt das ihm zugeordnete Relief nach vorne: Vertreter der Parlamentskammern überreichen 1689 Wilhelm von Oranien und seiner Frau Maria die „Declaration of Rights“. Aus dem Dokument ging im selben Jahr die „Bill of Rights“ hervor, die einen Meilenstein auf dem Weg zu modernen Parlamentarismus darstellt. In der Genese der Menschen- und Bürgerrechte spielt die Bill of Rights ebenfalls eine wichtige Rolle.

Schließlich ist Roger Williams zu sehen. Der englische Puritaner war einer der Väter des Baptismus und Vorkämpfer der Trennung von Kirche und Staat. 1654 wurde er zum Präsidenten von Rhode Island in Nordamerika gewählt, setzt sich für Glaubens- und Gewissensfreiheit ein. „Soul Liberty“ ist auch auf dem Buch zu lesen, das die Figur des Monuments in der Hand hält (s.u. Foto). Im Relief wird dargestellt, wie die Pilgerväter der Mayflower 1620 die Kolonie Plymouth in Neuengland gründen. (Zwei weitere Reliefs beziehen sich auf Farel und Knox.)

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Über das ganze Denkmal zieht sich außerdem in sehr großen Lettern die Inschrift POST TENEBRAS LUX („Nach der Dunkelheit Licht“) – seit dem 16. Jahrhundert der Wappenspruch des reformierten Genf und aller Reformierten, die in der protestantischen Reformation eine Rückkehr zum Licht sahen.

Aber nicht nur die konfessionell reformierten Christen schätzen diesen Spruch. Genf selbst führt ihn immer noch in seinem Wappen, obwohl die Stadt inzwischen weitgehend säkular geprägt ist und die Reformierten nur noch 10 Prozent der Bevölkerung des Kantons ausmachen. Das Reformationsdenkmal zeigt recht klar, dass schon um 1900 das „Licht“ eine Prägung gewonnen hat, an die Calvin und Kollegen so sicher kaum gedacht hatten.

Die Idee des Denkmals ist nämlich nicht die Erneuerung des Evangeliums, des Glaubens oder der Kirche; es ist also nicht der konfessionelle Protestantismus und auch nicht die Reformation als solche. Die Idee des Monuments ist die in ganzen Staatswesen verankerte und konkret umgesetzte Religions-, Glaubens- und Gewissensfreiheit. War unter Calvin und Beza Genf theologisches Zentrum und Ausgangspunkt einer breiten Missionsbewegung, so schlägt das Reformationsdenkmal eine andere Brücke: von Genf zur modernen Toleranzidee. Genf als Hort des modernen politischen Freiheitsgedankens.

Diese Idee ist sicher nicht zu verwerfen. Der Calvinismus hat mit dazu beigetragen, dass sich Glaubens- und Gewissensfreiheit nach und nach etablierten. Allerdings war dies ein sehr gewundener Weg, auf dem viel gestolpert wurde; das Genf Calvins und das Schottland des Knox kannten noch keine moderne Religionsfreiheit. Außerdem nahm dieser Weg seinen Ausgang sicher nicht allein in Genf (Basel, wo Sebastian Castellio wirkte, und die Niederlande können hier sicher auch ‘Urheberrechte’ anmelden).

Das Genfer Reformationsdenkmal zeigt uns eine Deutung der Reformation, die als „kulturprotestantisch“ bezeichnet werden kann (diese Deutung nimmt auch der bekannte evangelische Theologe Jan Rohls ganz am Ende dieses Vortrags vor). Der Kulturprotestantismus entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Teil der breiten Strömung des Neuprotestantismus. Der evangelische Glaube sollte aus kirchlichen und dogmatischen Bindungen gelöst und zu einer modernen Bildungsreligion jenseits konfessioneller Beschränkungen umgeformt werden. Man glaubte an die kulturelle Führerschaft und Überlegenheit des Protestantismus. Angestrebt wurde eine Synthese oder Durchdringung der Kultur durch Religion. Durchdringung der Welt mit Freiheit und Toleranz – dies wird konkret im Reformationsdenkmal ausgedrückt.

Dieser freie oder liberale Protestantismus betonte vor allem Bildung und Fortschritt. In der Satzung des Deutschen Protestantenvereins hieß es, eine „Erneuerung der protestantischen Kirche im Geist evangelischer Freiheit und im Einklang mit der ganzen Kulturentwickelung seiner Zeit“ werde angestrebt. Seinen Höhepunkt erreichte der Kulturprotestantismus um 1900; Namen wie Adolph von Harnack und Ernst Troeltsch sind hier für Deutschland zu nennen. Der Kulturprotestantismus strahlte aber auch in andere Länder wie die Schweiz ab, und dass im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts dort solch eine Gedenkstätte geschaffen wurde, ist alles andere als Zufall.

Mit dieser Einordnung in den kulturellen Geist der damaligen Zeit soll das Genfer Monument nicht entwertet werden. Aber wir wissen ja inzwischen nur zu gut, welchen Luther man im 19. Jahrhundert in Deutschland aufleben ließ und in gewissem Sinne schuf – eine kulturelle deutsche Überfigur. Ganz im Sinne des Kulturprotestantismus trat die kirchlich-konfessionelle Dimension weit zurück. Im Calvinismus der Genfer hatte der Kulturprotestantismus nicht diese nationale Ausprägung. Das dortige Denkmal ist tatsächlich erfrischend international. Aber es ist eben fast gar nicht mehr ein Ort, an dem es um eine kirchliche Reformbewegung geht. Das „Licht“ des Evangeliums hat Kulturen verändert, wurde dabei aber auch säkularisiert und ein Stück womöglich sogar entkernt. Beim Betrachten des „internationalen Reformationsdenkmals“ sollte man auch dies beachten.
http://lahayne.lt/2017/10/15/denkmal-einer-idee/

 

„Ehe für alle“ – Fortschritt wohin?

Ein Diskussionsbeitrag von Gastautor Dr. Reinhard Junker
Der Artikel kann mit ausführlicheren Anmerkungen hier als PDF heruntergeladen werden.
„Ehe für alle“ – klingt gut und einladend, es wird niemand „diskriminiert“, es gelten gleiche Rechte für alle, niemandem wird etwas weggenommen. Und wenn Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, ist das doch wertvoll und verdient Unterstützung, unabhängig davon, ob es sich um eine hetero- oder homosexuelle Beziehung handelt. Wo also  ist das Problem?
In diesem Beitrag möchte ich zunächst darlegen, was aus christlicher Sicht zur Ehe gesagt werden kann und anschließend die Argumente untersuchen, die spezifisch von kirchlicher Seite für die „Ehe für alle“ vorgebracht werden. Im zweiten Teil soll es um Argumente gehen, die unabhängig von christlicher Dogmatik und Ethik in der Diskussion über die „Ehe für alle“ (Efa) vorherrschen: Wie begründen die Befürworter die Efa und aus welchen Gründen lehnen sie ihre Gegner ab? In einem dritten Teil werden einige Konsequenzen erörtert. Weiterlesen

Gesetzeswerke – Glaubenswerke

 Luthers Betonung der biblischen Rechtfertigungslehre (nicht aus Gesetzeswerken – allein aus Glauben) stieß auf heftigen Widerspruch. Sowohl von Katholiken als auch von einzelnen Wiedertäufern wurden seine Überzeugungen zum Teil sehr entstellt wiedergegeben, so als ob Luther Werke des Glaubens für unnötig halten würde. – Das Gegenteil ist der Fall!
Das Thema “Rechtfertigung aus Glauben” nimmt in Luthers Werken einen sehr breiten Raum ein. Immer wieder kommt er darauf zu sprechen. Und immer wieder finden sich folgende Punkte:
  • Vor Gott wird ein Sünder allein aus Gnade durch den Glauben an Christus gerechtfertigt.
  • Werke können keinerlei Beitrag zu unserer Rechtfertigung leisten.
  • Mit echtem Glauben sind dann aber unausbleiblich gute Werke verbunden.
  • So bestätigen gute Werke die Echtheit des Glaubens.
  • Deshalb ist es nötig, dass auch die Notwendigkeit guter Werke deutlich gepredigt wird.
  • Dennoch tragen auch die Glaubenswerke in sich selbst nichts zum ewigen Heil bei.Hier eine nur kleine Auswahl von Zitaten dazu aus dem Lebenswerk Luthers. Wie bei Luther nicht anders zu erwarten ist, finden sich einige markante Aussprüche und ansprechende Sprachbilder darunter. Die Quellenangaben beziehen sich auf die Ausgabe von Walch. [Hervorhebungen und Ergänzungen in eckigen Klammern von mir.]
Weil wir sagen, daß man allein durch den Glauben an Christo hangend zum Himmel kommen, schreien die Widersacher: man verbiete gute Werke. 8,308
Auf den Glauben folgen die Werke, gleichwie der Schatten dem Leibe folgt. 6,613
Obwohl der Glaube genug ist zur Seligkeit, und durch den Glauben ich das Himmelreich erlange, dennoch so müssen die guten Werke hernach folgen, oder der Glaube ist nicht rechtschaffen. Denn der Glaube ist so ein ernst Ding, daß er nicht ohne gute Werke bleibt. 7,27
Du mußt gute Werke thun, und allezeit gute Werke gegen den Nächsten üben, auf daß der Glaube äußerlich leuchte im Leben, wie er sonst inwendig im Herzen leuchtet. 7,1990
Doch nicht der Meinung, daß man nicht gute Werke tun soll, sondern, daß man, Gnade bei Gott und ewiges Leben zu erlangen, allein diesen Christum durch den Glauben zuvor haben muß, aber nach und neben dem Glauben auch gute Werke thue, und die Liebe beweise; allein, daß dieser Unterschied recht gehalten werde, daß man unserm Leben und Werken nicht zumesse die Kraft und Verdienst, daß sie uns sollten hinauf zum Vater bringen.
Wir geben zu, daß man auch von guten Werken und von der Liebe lehren muß, aber zu seiner Zeit und an seinem Orte, nämlich wenn man die Frage von den Werken behandelt außerhalb dieses Hauptartikels [von der Rechtfertigung]. 9,187
Sie [die Werke] müssen gethan werden, nicht als die Ursache, sondern als die Frucht der Gerechtigkeit. 9,229
Denn wenn diese [die guten Werke] nicht auf den Glauben folgen, so ist es ein ganz gewisses Zeichen, daß der Glaube nicht der rechte Glaube ist. 9,750
Darum schleuß den Glauben und die guten Werke zusammen, daß also in den beiden die Summa des ganzen christlichen Lebens stehe; nicht daß die Werke etwas zur Rechtfertigung vor Gott thun, sondern daß der Glaube ohne sie nicht ist, oder ist kein rechter Glaube. 9,1153
Werk ohne Glauben ist Abgötterei. Glaube ohne Werke ist Lügen und kein Glaube. 9,1807
Denn wenn wir gerecht würden um der Werke willen, welche aus dem Glauben folgen, so würden wir schon nicht mehr durch den Glauben selbst gerecht, auch nicht um Christi willen, sondern um unser selbst willen, die wir nach dem Glauben Werke thun; das heißt Christum verleugnen. 9,1862
Denn die Werke folgen erst auf den Glauben, und wirken nichts zur Rechtfertigung, sondern kommen nach. Der Glaube und das Wort aber sind vorher zugegen und thun das Ihrige, das ist, sie machen gerecht. 9,1877
Wie sollten wir denn durch das Evangelium solche Predigt einführen, die da erlaubt Böses zu thun? … Man deutet und verkehrt unsere Lehre fälschlich, wenn man sagt, sie lehre nicht gute Werke thun noch achten. 12,776
Die Werke können den Glauben wohl anzeigen, aber nicht wirken. Denn wo die Werke der Gottseligkeit fehlen, da folgt, daß auch der Glaube selbst nicht da sei. 12,1834
Glaube ist eine lebendige, erwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiß, daß er tausendmal darüber stürbe. Daher der Mensch ohne Zwang willig und lustig wird, jedermann Gutes zu thun, jedermann zu dienen, allerlei zu leiden Gott zu Liebe und zu Lob, der ihm solche Gnade erzeigt hat, also daß unmöglich ist, Werke vom Glauben zu scheiden, ja, so unmöglich als Brennen und Leuchten vom Feuer mag geschieden werden. 14,100
Denn gleichwie er [Johannes] im Evangelio den Glauben treibt, also begegnet er in der Epistel denen, die sich des Glaubens rühmen ohne Werke, und lehrt mannigfaltig, wie Werke nicht außen bleiben, wo der Glaube ist; bleiben sie aber außen, so ist der Glaube nicht rechtschaffen, sondern Lügen und Finsterniß. 14,126
Wo der Glaube des Geistes ist, da folgen die Früchte des Geistes von sich selbst. 19,1431
Die Werke, die nach dem Glauben folgen, machen nicht gerecht, sind nicht eine Ursache, sondern eine Frucht der Rechtfertigung. 19,1431
Wir gestehen, daß die guten Werke auf den Glauben folgen müssen, ja, nicht nur folgen müssen, sondern aus freien Stücken folgen, gleichwie ein guter Baum nicht gute Früchte tragen muß, sondern er trägt dieselben von selbst. 19,1440
Die Werke leuchten durch die Strahlen des Glaubens und gefallen [Gott] um des Glaubens willen, nicht umgekehrt. 22,453
Günter Vogel·Mittwoch, 1. November 2017
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Evangelikale Zukunft

In den Nachkriegsjahren haben sich die Evangelikalen um zwei Kernüberzeugungen gesammelt, nämlich die volle Autorität der inspirierten Schrift und die Zentralität von Jesu stellvertretendem Sühnetod (S. 5). Dem folgte eine anhaltende Schwächephase durchsteigende Gleichgültigkeit gegenüber biblischer Lehre. „Das Christentum wurde zunehmend auf private, innere, therapeutische Erfahrung reduziert.“ (S. 8) Zudem wurde der Glaube von der lokalen Gemeinde losgelöst. „Der Glaube wurde individualistisch, selbst-fokussiert und konsumorientiert“ (S. 11). Das zweite große Segment seit den 1980er-Jahren bilden die sogenannten „Marketers“. Sie holten mit dem Argument „wir behalten die alte Botschaft, verpacken sie einfach neu“ Businessstrategien in die Kirche. Wells vergleicht Gemeinden mit den Einkaufszentren: Wir holen uns, wann wir es wollen, das, wozu wir gerade Lust haben. Dies bereitete den Boden für eine nächste Generation, die Emergenten. Sie sind besonders skeptisch gegenüber Macht und Strukturen. Sie schließen sich in losen Netzwerken zusammen. Was von den „Marketers“ inhaltlich ausgehöhlt worden war, besetzen sie mit einem Sammelsurium von neuen Inhalten. Sie experimentieren mit anderen Gottesdienstformen. Die Diagnose stimmt nachdenklich: „Ich weiß nicht, was die evangelikale Zukunft sein wird, aber ich bin sicher, dass der Evangelikalismus keine gute Zukunft hat“ (S. 21). Zumindest dann, wenn keine Kursänderung gelingt.
Courage to be Protestant: Truth-lovers, Marketers and Emergents in the Post-modern World (Englisch) Gebundene Ausgabe – 18. April 2008 von David F Wells