Der Christ, das seltsame Wesen

Ein wahrer Christ ist eigentlich ein seltsames Wesen. Er empfindet höchste Liebe für jemanden, den er nie gesehen hat. Er spricht in vertrauter Weise täglich mit jemandem, den er nicht sehen kann, erwartet, in den Himmel zu gehen kraft eines Anderen, leert sich selbst, damit er gefüllt sein möge, gesteht sein Unrecht ein, damit er für gerecht erklärt wird und lässt sich fallen um aufzustehen. Er ist am stärksten, wenn er am schwächsten ist, am reichsten, wenn er am ärmsten ist und am glücklichsten, wenn er sich am schlimmsten fühlt. Er stirbt, damit er leben kann, verzichtet, damit er hat, gibt auf, damit er behalten kann, sieht das Unsichtbare, hört das Nichthörbare und weiß, was das Wissen übersteigt.
Aiden Wilson Tozer

Die Angst vor dem Loslassen

“Mir vorzustellen, ich hätte nur noch 24 Stunden zu leben: Entsetzlich! Ich fühle mich sofort wie ein zum Tode Verurteilter, der erfährt: „Morgen um fünf Uhr wirst du hingerichtet, verbring jetzt deinen Tag. Du kannst machen, was du willst.“ Wie grauenhaft. Wie kann man da überhaupt noch mit Freude entscheiden, was man gerne machen würde? Ich wäre bestimmt gelähmt vor lauter Todesangst. Wahrscheinlich würde ich nur versuchen, in dieser Zeit die Menschen, die meiner Seele am nächsten sind, unentwegt bei mir zu haben. Meine Frau, meine Tochter und mein Enkelkind. Ansonsten wäre mir selbst für die Henkersmahlzeit der Appetit vergangen.”
Diese Sätze schreibt eine Legende des Wiener Burgtheaters, Gert Voss. Wir alle sind getrieben von dem Gedanken, dass wir einmal sterben müssen. Nein, nicht getrieben, das ist das falsche Wort, denn wir versuchen mit aller Macht diesem Gedanken aus dem Weg zu gehen. Hier in unserer Welt tut man alles dafür, um nur nicht an diesen Moment zu denken, in dem du dein Leben aushauchst.
“Für mich ist das Leben immer dann am schönsten, wenn ich die größte Freiheit habe, ein Gefühl der Unbegrenztheit.” Ja, so ist es. Das Lebensgefühl, wenn es denn stimmt, hat diesen Gedanken der Freiheit, eine Vollendung des Seins, es ist die Sehnsucht nach dem unendlichen Ende. “Sobald sich Grenzen zeigen, fühle ich mich beengt. Das war schon in der Schule so, wenn ich wusste, diese Klassenarbeit muss ich in einer Stunde abliefern. Dann fiel mir nichts mehr ein. Kopfblockade. Auch beim Theater gibt es Grenzen, etwa das Ende der Proben, und manchmal läuft einem die Zeit davon wie in einem Taxi das Taxameter. Das ist zum Wahnsinnigwerden. Aber selbst da hat man immer noch die Möglichkeit, zur Not die Premiere zu verschieben oder eine Vorstellung nicht zu spielen.”
Grenzen, wir hören dieses Wort nicht gern, spielen auch beim Tod eine Rolle. Denn es ist DIE Grenze. Es setzt dem Mensch das Ende, die Ränder der Freiheit werden abgesteckt. “Wenn der Tod kommt, gilt das alles nicht. Ich glaube, ich möchte deshalb auch nicht wissen, wann es so weit ist. Und wenn ich die Nachricht erhielte, würde sie mich vermutlich verändern. Wahrscheinlich würde ich völlig neue Seiten an mir kennenlernen. Für jeden Menschen wären solche Zwänge einschneidend, buchstäblich wesensverändernd. Auch deshalb ist es fast unmöglich, mir diese letzten 24 Stunden auszumalen. Ich kann doch jetzt nicht darüber befinden, ob ich dann in heller Panik wäre oder – wer weiß? – womöglich sogar gelöst.”
Was ist es, dieser Tod? Was ist es, wenn ich ihn mir bildlich vor Augen halte? Warum tun wir das nicht alle, ist er doch eine unausweichliche Realität? Eben weil der Gedanke daran kein angenehmer ist. Gert Voss schreibt am Ende: “Genau das frage ich mich: Werde ich die Fähigkeit haben, gleichmütig zu werden, loszulassen? Ganz ehrlich: Ich glaube nicht.”
Genau das ist es, was es uns so unangenehm macht. Es bleibt am Ende nichts, alles, was wir auf der Welt hatten, wird zur unwichtigsten Unwichtigkeit degradiert. Es bleibt nur eins: die Frage, was danach kommt. Vielleicht ist es so, dass wir uns Menschen zu wenig Gedanken darum machen. Deswegen finde ich auch gut, wenn mal so jemand wie Voss darüber schreibt. Er ruft in Erinnerung, er sagt, was eigentlich essenziell ist. Und gleichermaßen merkt man auch: Er kennt keine Antwort. Er ist hoffnungslos.
Diese Hoffnung ist etwas, was mich grundlegend von ihm unterscheidet, und jeden Christen mit mir. Wir haben keine Angst, wir haben keine Wehmut, wir müssen nichts loslassen, wir sehen auch nichts Negatives mehr. Wenn du einen Chrsiten fragst nach den letzten Stunden seines Lebens, dann kann er antworten: Klar muss ich viel loslassen, was mir hier lieb ist, aber ich freue mich, denn jetzt geht das Leben los! Die Sehnsucht ist erfüllt, das Ziel ist erreicht!
Das ist die Botschaft von Ostern. Ist sie dir entgangen?
“Diese sinds, die gekommen sind aus der großen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben sie hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. Sie werden nicht mehr hungern noch dürsten, es wird auch nicht auf ihnen lasten die Hitze der Mittagssonne, denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.”
Offenbarung 7,14-17
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Simon

 

Internetpornografie und ihre Folgen

Thomas Schirrmacher hat eine Vorlesung an der Theologischen Fakultät der Uni Paderborn online gestellt.
Was lehrt Internetpornografie Kinder und Jugendliche?

  1. Sex ist überall möglich und gut, zu jeder Zeit und mit jedermann.
  2. Sex hat keine Konsequenzen.
  3. Sex ist ein Zuschauersport, der möglichst öffentlich stattfinden sollte.
  4. Treue ist langweilig.
  5. Frauen müssen immer zu allem bereit sein.
  6. Frauen sind nackte Wesen und vor allem zur Befriedigung geschaffen.
  7. Männer sind die Bestimmenden und es hat nach ihren Wünschen zu gehen.
  8. Das Aussehen bestimmt den Wert der Menschen.
  9. Man kann den Partners nach eigenen Wünschen zusammenstellen oder wechseln.
  10. Oft tritt hinzu: Gewalt/Schmerzen und Sex gehören zusammen.

Tabus sind gefallen, durch andere Tabus ersetzt:

Man tabuisiert die Sexsucht. Man tabuisiert die Pornografiesucht. Man tabuisiert die Folgen, die es für die Entwicklung von Kindern hat, wenn sie im Alter von zum Beispiel zehn Jahren in Filmen und Bildern gemeinsam Dinge sehen, die andere nicht einmal zu denken wagen. Man tabuisiert, dass die Botschaft der Verfügbarkeit der Frau alle Erfolge der Gleichberechtigung zunichte macht. Man tabuisiert, wieviele Scheidungen auf Pornografie und Sexsucht oder durch sie ausgelöste Seitensprünge zurückgehen. Massenhafte Pornografie reduziert nachweislich den Wunsch auf langfristige Beziehungen und den Kinderwunsch. Aber es ist tabu, darüber zu sprechen, welche Rolle die sexuelle Verwahrlosung dabei spielt, dass die Deutschen immer weniger Kinder bekommen.

http://www.thomasschirrmacher.info/wp-content/uploads/2012/02/Schirrmacher-Internetpornografie-Paderborn-2010-lang.pdf

Hat der Herr Jesus im Totenreich gepredigt?

„Hinabgestiegen in das Reich der Toten“ heißt es im Apostolischen Glaubensbekenntnis. Früher wur – de das drastischer formuliert: „Niedergefahren zur Hälle“. Deshalb spricht man von einer „Höllenfahrt“ Jesu und meint damit, daß Er die drei Tage zwischen Seinem Tod und Seiner Auferstehung im Totenreich zugebracht hat, und zwar mit einer ganz bestimmten Absicht. Als Begründung für diese Lehre dienen vor allem folgende zwei Bibelabschnitte:

1. Pt. 3,18-20

18 Denn es hat auch Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Unge­rechten, damit er uns zu Gott führe, zwar getätet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist. 19 In diesem ist er auch hingegangen und hat den Geis­tern im Gefängnis gepredigt, 20 die einst ungehorsam gewesen waren, als die Lang­mut Gottes in den Tagen Noahs abwartete, während die Arche gebaut wurde …

1. Pt. 4,6

Denn dazu ist auch den Toten gute Botschaft verkündigt worden, damit sie zwar den Menschen gemäß nach dem Fleisch gerichtet werden, aber Gott gemäß nach dem Geist leben mächten.

Für diese beiden Texte gibt es verschiedene Auslegungen:

  • Der Herr Jesus hat zwischen Seinem Tod und Seiner Auferstehung den Geistern der Verstorbe – nen, die vor der Sintflut gelebt hatten, das Heil verkündigt und angeboten.
  • Andere wenden dies auf alle Verstorbenen an nach 1. Pt. 4, 6: Denn dazu ist auch den Toten gute Botschaft verkündigt worden …
  • Wieder andere lehren, die „Höllenfahrt“ Jesu nach der Kreuzigung habe dazu gedient, den gefallenen Engeln Seinen Sieg zu verkündigen, wie ja auch das Apostolische Glaubensbekenntnis formuliert: „niedergefahren in das Reich der Toten“

Was ist zu diesen Auslegungen zu sagen?

1) Es gibt keinerlei biblische Belege für die Ansicht, daß der Herr Jesus den Geistern der Verstorbenen das Heil verkündigt und angeboten hat. Das Neue Testament lehrt ganz klar, daß es die Möglichkeit, das Evangelium zu hören und das Heil anzunehmen, nur während des irdischen Lebens gibt:

Joh. 3, 18

Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.

2. Kor. 6, 2

Denn er spricht: «Zur angenehmen Zeit habe ich dich erhärt, und am Tage des Heils habe ich dir geholfen.» Siehe, jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils.

Außerdem muß 1. Pt. 4, 6 keineswegs so verstanden werden, daß es sich auf eine Verkündigung Jesu im Totenreich bezieht (dazu später noch mehr). Ich sehe die Gefahr dieser Auslegung darin, daß man aus ihr die Lehre einer zweiten Chance nach dem Tod ableitet. Aber wozu dann noch Evangelisation und Mission, wenn die Menschen nach dem Sterben sowieso noch eine Möglichkeit bekommen, den Herrn Jesus anzunehmen?

2)    Genauso unhaltbar erscheint mir eine Proklamation des Sieges Jesu gegenüber den gefallenen Engeln zwischen Seinem Tod und Seiner Auferstehung. Der Kontext von 1. Pt. 3 zeigt deutlich, daß die „Geister“, denen gepredigt wurde, keine Engelwesen waren, sondern die Zeitgenossen Noahs, die einst ungehorsam gewesen waren, als die Langmut Gottes in den Tagen Noahs abwartete, während die Arche gebaut wurde … (V. 20)

2)Ich ziehe folgende alternative Auslegung vor: 1

Die „Geister“ (pneumasin, ein Terminus, der normalerweise für übernatürliche Wesen gebraucht wird, jedoch mindestens in einem Fall auch auf menschliche „Geister“ bezogen wird, vgl. Hebr 12,23) werden in 1. Petrus 3,20 als jene gekennzeichnet, die einst ungehorsam waren, als Gott harrte und Geduld hatte zur Zeit Noahs, als man die Arche baute. Sie hatten sich in den 120 Jahren, die der Bau der Arche in Anspruch nahm, gegen die Botschaft Gottes aufgelehnt. Gott hatte erklärt, daß er die Schlechtigkeit der Menschen nicht für immer hinnehmen, sondern seine Geduld nur noch um 120 Jahre verlängern würde (1. Mose 6,3). Da die gesamte Menschheit außer Noah (1. Mose 6,5 – 9) bäse war, beschloß Gott, „die Menschen von der Erde zu vertilgen“. Die „Geister“, von denen Petrus in 1. Petr 3,19 spricht, sind wahrscheinlich die Seelen dieser schlechten Menschen, die zur Zeit Noahs lebten. Ihre „Geister“ sind nun „im Gefängnis“ und warten auf das Jüngste Gericht am Ende der Zeiten.

Problematisch bleibt die Frage, wann Christus diesen „Geistern“ predigte. Die Erklärung zur Auferstehung Christi in 1. Petr 3,18 – „nach dem Geist“ – enthält möglicherweise die Vorstellung, daß der präexistente Christus tatsächlich in Noah war und mit Hilfe des Wirkens des Heiligen Geistes durch ihn predigte. Petrus (1. Petr 1,11) spricht auch vom „Geist Christi“ in den alttestamentlichen Propheten. An anderer Stelle bezeichnet er Noah als „den Prediger der Gerechtigkeit“ (2. Petr 2,5). Der Geist Christi predigte durch Noah vor den gottlosen Menschen, die zur Zeit der Abfassung des Petrusbriefes „Geister im Gefängnis“ waren und auf das Gericht warteten.

Diese Deutung scheint dem Tenor dieses ganzen Abschnittes (1. Petr 3, 13 – 22), sich in ungerechter Bedrängnis ein gutes Gewissen zu bewahren, am ehesten zu entspre­chen. Noah wird zum Beispiel eines Menschen, der seinem Gewissen entsprechend handelte, obwohl er sich damit öffentlich lächerlich machte. Er schämte sich nicht vor seinen Zeitgenossen, sondern gehorchte Gott und verkündete die ihm aufgetragene Botschaft. Die Belohnung, die ihm dafür zuteil wurde, daß er, um sein Gewissen rein zu halten, die Schmähungen seiner Umwelt in Kauf nahm, war die Rettung seiner selbst und seiner ganzen Familie, die gerettet wurden durchs Wasser hindurch.

Ich gebe zu: diese Auslegung erscheint etwas künstlich, zumal die Elberfelder Bibel einen anderen Zeitablauf andeutet:

19 In diesem ist er auch hingegangen und hat den Geistern im Gefängnis gepredigt,

20 die einst ungehorsam gewesen waren, als die Langmut Gottes in den Tagen No­ahs abwartete, während die Arche gebaut wurde

Von der Verkündigung Jesu wird im Perfekt (unvollendete Vergangenheit) gesprochen, vom Ungehorsam der Menschen dagegen im Plusquamperfekt (Vorvergangenheit), so daß wir zwei verschiedene zeitliche Ebenen haben; demnach geschah die Verkündigung Jesu wesentlich später als zur Zeit Noahs.

1 John F. Walvoord/ Roy B. Zuck (Hrsg.): Das Neue Testament erklärt und ausgelegt, Neuhausen-Stuttgart:Hänssler 1992

Man muß jedoch beachten, daß die griechischen Zeitformen grundsätzlich gar nicht die Absicht haben, eine genaue zeitliche Abfolge wiederzugeben, und daß der Grundtext hier alles in der gleichen erzählenden Vergangenheitsform (Aorist bzw. Imperfekt) berichtet. Man kann also genauso übersetzen:

19 In diesem ist er auch hingegangen und hat den Geistern im Gefängnis gepredigt,

20 die einst ungehorsam waren, als die Langmut Gottes in den Tagen Noahs abwar­tete, während die Arche gebaut wurde

Das halte ich für die beste Übersetzung, zu der die oben zitierte Auslegung sehr gut paßt.
Wie ist aber 1. Petrus. 4, 6 zu verstehen?
1. Pt. 4,6  Denn dazu ist auch den Toten gute Botschaft verkündigt worden, damit sie zwar den Menschen gemäß nach dem Fleisch gerichtet werden, aber Gott gemäß nach dem Geist leben mächten.

Daß mit den Toten hier Menschen gemeint sind, die physisch lebendig, aber geistlich tot sind, schließt der Zusammenhang aus, denn im Vers davor wird gesagt, daß Gott Lebende und Tote richten wird; das kann sich eigentlich nur auf körperlich Tote beziehen, vgl. Offb. 20, 12. Ebenso unmöglich ist es, in diesen „Toten“ Menschen zu sehen, die im Totenreich (noch einmal) das Evangelium hören und so eine zweite Chance zur Entscheidung für den Herrn Jesus bekommen. Denn die Bibel sagt eindeutig, daß nur dieses irdische Leben die Gelegenheit bietet, die Vergebung der Schuld durch Jesus Christus anzunehmen (s.o.):
Hebr. 9, 27
Und wie es den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht …
Nach dem Tod kommt das Gericht (für die Gläubigen das Preisgericht, das ihnen Lohn bringt, für die übrigen das Endgericht, das ihnen Strafe bringt), aber es gibt keine Möglichkeit der Entscheidung mehr.
Die beste und m.E. einzig richtige Auslegung dieses Verses ist, daß die „Toten“ hier verstorbene Gläubige sind, die zu ihren Lebzeiten das Evangelium gehört und angenommen haben.
Im vorliegenden Vers ermutigt Petrus seine Leser, im Gegensatz zu Vers 5, mit der Tatsache, daß diejenigen, die das Evangelium von Jesus Christus gehört und daran geglaubt haben, nicht dem Gericht für ihre Sünden, sondern einer vollkommen anderen Zukunft entgegengehen. Die Strafe für ihre Sünden ist von Christus am Kreuz bezahlt worden. Einzig der leibliche Tod besteht als Wirkung der Sünde auf Erden noch fort. Auch die Gläubigen sterben noch; sie werden nach Menschenweise gerichtet (vgl. das Leiden im Leben, „im Fleisch“, V. 1). Doch ihr leiblicher Tod mündet nicht in das Gericht, sondern in das ewige Leben: Nach Gottes Weise haben sie das Leben … im Geist. Wer sich mit dem „Sinn Christi“ wappnet, wird auf ewig bei Gott leben.2
Daher ist es m.E. unbiblisch, von einer „Höllenfahrt“ Jesu oder einer Verkündigung Jesu im Toten – reich zu sprechen.
Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang noch auf eine weitere Bibelstelle eingehen, die diese Lehre zu stützen scheint:
2 John F. Walvoord/ Roy B. Zuck (Hrsg.): Das Neue Testament erklärt und ausgelegt, Neuhausen-Stuttgart:Hänssler 1992
Eph. 4, 8 – 10
8 Darum heißt es: «Hinaufgestiegen in die Hölle, hat er Gefangene gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben.» 9 Das Hinaufgestiegen aber, was besagt es anderes, als daß er auch hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde? 10 Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfüllte.
Auch dieser Abschnitt wird vom bereits zitierten Kommentar m.E. gut und schlüssig erklärt:
Die Verse 9 – 11 sind eine Art Kommentar zu zwei Verbformen in dem Zitat in Vers 8: aufgefahren (V. 9 – 10) und „eingesetzt“ (V. 11; V. 8: „gegeben“). In den Versen 9 – 10 konzentriert Paulus sich zunächst auf die Wendung: Er ist aufgefahren. Die beiden Verse bilden sozusagen einen Einschub, denn in dem Abschnitt geht es eigentlich nach wie vor um die Gaben. Bevor Christus auffahren konnte, mußte er hinabsteigen. Was ist mit den Tiefen der Erde gemeint? Der Genitiv kann auf drei verschiedene Arten ausgelegt werden: (1) „In die Tiefen, d. h. auf die Erde“ (Appositi­on). In diesem Fall ginge es um die Inkarnation Christi, sein „Herabsteigen“ auf die Erde. (2) „In die Tiefen unter der Erde“ (Umstandsbestimmung des Ortes). Das würde bedeuten, daß Christus in der Zeitspanne zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung in die Unterwelt hinabgestiegen ist. (3) „In die Tiefen, die zur Erde gehören“ (Genitivus possessivus). Das bezöge sich auf Christi Tod und sein Begräbnis. Die dritte These fügt sich am besten in den vorliegenden Kontext, weil Christus in seinem Tod die Sünde besiegt und damit diejenigen erlässt hat, die der Gemeinde als „Gaben“ gegeben werden.3
Ich halte allerdings die zuerst angeführte Auslegung für die naheliegendste, zumal ich in V. 9 statt „In die unteren Teile der Erde“ eher „in die Niederungen der Erde“ übersetzen würde. „Tiefe der Erde“ ist m.E. nicht korrekt.
Diese Auslegung wird auch von der Parallelstelle Joh. 3, 13 gestützt:
Joh. 3, 13
Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen.
In V. 12 ist bezeichnenderweise das Gegenstück zum „Himmlischen“ nicht das „Unterirdische“, also das Totenreich, sondern das Irdische; also ist auch hier mit dem Herabsteigen Jesu nicht Seine angebliche „Höllenfahrt“ gemeint, sondern Seine Menschwerdung.
Und die Gefangenen, die Er laut Eph. 3, 8 gefangen geführt hat, sind nicht die Bewohner des To – tenreiches, wie manche meinen. Das ist schon deshalb unmöglich, weil in diesem Zusammenhang nicht von „hinabgestiegen in das Totenreich“ die Rede ist, sondern – im Gegenteil – von „hinaufgestiegen in die Höhe“. Mit den Gefangenen sind m.E. die Menschen gemeint, die vorher in der Gefangenschaft Satans bzw. der Sünde gelebt haben (vgl. Eph. 2, 1 – 3).
Außerdem vermag ich in Eph. 4 keine Logik in dem Gedanken zu erkennen, daß der Herr Jesus, um den Menschen Gaben zu geben, sich nicht nur in den Himmel begeben mußte (soweit ist es nachvollziehbar, denn der Heilige Geist, der uns die Geistesgaben bringt, kam erst nach der Rückkehr des Herrn in den Himmel), sondern auch noch bis in die Tiefen des Totenreiches. Dafür gibt es keine Bestätigung an einer anderen Stelle in der Bibel. Im übrigen fällt auf, daß von einer Verkündigung im Hades hier nicht die Rede ist. Der Herr Jesus dient hier nicht speziell den Verstorbenen, sondern allen Gläubigen generell.
Auch Eph. 4, 8 – 10 kann also nicht als Belegstelle für die Ansicht dienen, der Herr Jesus sei zwischen Seinem Tod und Seiner Auferstehung im Totenreich gewesen, um dort den Verstorbenen das Evangelium zu verkündigen bzw. gegenüber den gefallenen Engeln Seinen Sieg zu proklamieren.
Es werden auch noch andere Bibelstellen als Beweise für diese Lehre genannt, die sich aber fast alle schon beim oberflächlichen Lesen als irrelevant erweisen: Ps. 49, 16/ Ps. 89, 49/ Ps. 139, 8 beziehen sich eindeutig nicht auf den Herrn Jesus (wobei die letztgenannte Stelle auch nur rein hypothetisch von einem Aufenthalt im Totenreich spricht); in Hos. 13, 14 geht es um Israel und in Jona 2 natürlich nur um Jona.
Von Jona spricht allerdings auch der Herr Jesus in Mat. 12, 40 und benutzt dort eine Formulierung, die auf eine „Höllenfahrt Jesu“ hinzuweisen scheint:
Mt. 12,40
Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des großen Fisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein.
Ist mit „Herz der Erde“ das Totenreich gemeint? Das ist theoretisch möglich, aber es erscheint mir sehr unwahrscheinlich. Die Bibel benutzt diesen Ausdruck nie in diesem Sinn (er kommt sonst nie vor). Und er hat hier als Gegenstück den Bauch des Fisches, in dem Jona sich aufgehalten hat. Das Zeichen des Jona war, daß er drei Tage im Fisch überlebt hat – das war ein „Typus“ (eine Vorschattung) der Auferstehung Jesu; das Zeichen Jesu, das hier von Ihm gefordert wurde, war Seine Auferstehung. Auch hier geht es nicht um einen Aufenthalt im Totenreich, sondern eben um die Auferweckung Jesu. Deshalb ist mit dem „Herz der Erde“ mit Sicherheit nicht das Totenreich gemeint, sondern das Grab, in dem der Leichnam des Herrn drei Tage gelegen hat.
Zunächst schwierig zu verstehen ist Apg. 2, 31. In seiner Pfingstpredigt zitiert Petrus hier Ps. 16, 10:

Denn meine Seele wirst du dem Scheol nicht lassen, wirst nicht zugeben, daß dein Frommer die Grube sehe.
Er weist darauf hin, daß David dies gesagt hat, daß David aber noch nicht auferstanden ist, und bezieht diese Aussage dann auf den Herrn Jesus:

Apg. 2, 30 – 31
30 Da er nun ein Prophet war und wußte, daß Gott ihm mit einem Eid geschworen hatte, einen seiner Nachkommen auf seinen Thron zu setzen, 31 hat er vorausse­hend von der Auferstehung des Christus geredet, daß er weder im Hades zurückge­lassen worden ist noch sein Fleisch die Verwesung gesehen hat.
Hier ist nun scheinbar doch von einem Aufenthalt Jesu im Hades, also im Totenreich, die Rede. Die Behauptung des Walvoord-Kommentars zu dieser Stelle, daß „Hades“ hier und anderswo teilweise für das Grab steht, hält einer Überprüfung nicht stand. Ist der Herr Jesus also doch vorübergehend im Totenreich gewesen? Nun, wenn diese Stelle das aussagen wollte, dann würde sie uns zumindest nicht den Zweck dieses Aufenthaltes verraten. Von einer Verkündigung im Totenreich ist hier absolut nicht die Rede.
Beide Stellen sind m.E. mißverständlich bzw. ungenau übersetzt. Ps. 16, 10 müßte präziser lauten: Denn meine Seele wirst du dem Scheol nicht überlassen
Das bedeutet nach der neutestamentlichen Interpretation des Petrus, daß die Seele unseres Herrn nicht in den Scheol (= ins Totenreich) gegangen ist. In diesem Sinn formuliert es auch der griechi – sche Grundtext in Apg. 2, 31:
31 … hat er voraussehend von der Auferstehung des Christus geredet, daß er we­der in den Hades überlassen worden ist
Im Grundtext steht nämlich nicht „im Hades“ sondern „in den Hades (hinein)“. Das ist m.E. in der Elberfelder Bibel nicht korrekt übersetzt. Nur dadurch konnte der Eindruck entstehen, daß es hier um einen Aufenthalt Jesu im Totenreich geht. Aber das Gegenteil ist der Fall! Auch diese Stelle sagt eindeutig, daß Er dort nie gewesen ist.
Wo der Herr Jesus in den drei Tagen zwischen Tod und Auferstehung tatsächlich war und wie Er die – se Zeit verbracht hat, darauf finden wir klare Hinweise:
Kurz vor Seinem Sterben betete Er: „Vater, in Deine Hände übergebe ich meinen Geist!“ (Lk. 23, 46). Das bedeutet: nachdem Er gestorben war, wurde Sein Leichnam ins Grab gelegt, aber sein „Geist“, also der immaterielle Teil Seiner Persönlichkeit, kehrte sofort zu Seinem himmlischen Vater zurück – ohne einen dreitägigen Umweg durch das Totenreich.
Und zu dem einen Seiner beiden Mitgekreuzigten sagte Er bereits vorher: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk. 23, 43). Er hat keineswegs hinzugefügt: „Vorher muß ich aber noch drei Tage lang ins Totenreich, wo ich einen wichtigen Auftrag zu erfüllen habe.“ Zu dem Ausdruck „Paradies“ schreibt ein Ausleger treffend:
In der jüdischen Literatur wird das „Paradies“ normalerweise der „Gehenna“ oder „Hälle“ gegenübergestellt. Die jüdischen Schriften … waren sich einig, daß es der Zu­fluchtsort der Gerechten nach dem Tod oder nach der Auferstehung sei. Jesus und dieser Verurteilte würden also nach dem Tod direkt an diesen Zufluchtsort gehen.4
In 2. Kor. 12, 4 geht aus dem Zusammenhang eindeutig hervor, daß auch dort das Wort „Paradies“ als Synonym (gleichbedeutender Begriff) für den „Himmel“ gebraucht wird.
Allein schon die beiden angeführten Stellen aus dem Lukasevangelium schließen m.E. also eine „Höllenfahrt“ Jesu aus.
Interessant ist hierzu auch 1. Kor. 15, 1 – 7. Hier haben wir eine Formulierung der Botschaft des Evangeliums, wie Paulus es empfangen hat; es ist sozusagen ein paulinisches Glaubensbekenntnis:
1 Ich tue euch aber, Brüder, das Evangelium kund, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch steht, 2 durch das ihr auch errettet werdet, wenn ihr festhaltet, mit welcher Rede ich es euch verkündigt habe, es sei denn, daß ihr vergeblich zum Glauben gekommen seid. 3 Denn ich habe euch vor al­lem überliefert, was ich auch empfangen habe: daß Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften; 4 und daß er begraben wurde und daß er aufer­weckt worden ist am dritten Tag nach den Schriften; 5 und daß er Kephas erschie­nen ist, dann den Zwölfen. 6 Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten bis jetzt übriggeblieben, einige aber auch entschlafen sind. 7 Danach erschien er Jakobus, dann den Aposteln allen …
Christus ist also gestorben, begraben und auferstanden; von einer „Höllenfahrt“ wird hier nichts ge – sagt. Nun muß man grundsätzlich vorsichtig sein mit dem „argumentum e silencio“ (Argument aus dem Schweigen), denn eine bloße Nichterwähnung beweist noch nicht, daß die umstrittene Sache nicht existiert. Aber wenn der Herr Jesus wirklich zwischen Tod und Auferstehung im Totenreich ge – wesen wäre, dann hätte das hier eigentlich erwähnt werden müssen, so, wie es ja im „Apostolischen Glaubensbekenntnis“ der Fall ist.
Eine ähnliche Darstellung des „Weges“, den der Herr Jesus von Seiner Menschwerdung bis zu Seiner endgültigen Erhöhung „gegangen“ ist, finden wir in Phil. 2, 5 – 11:
5 Habt diese Gesinnung in euch, die auch in Christus Jesus <war>, 6 der in Gestalt Gottes war und es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein. 7 Aber er machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich ge­worden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, 8 erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. 9 Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen ist, 10 damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, 11 und jede Zunge bekenne, daß Jesus Christus Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Die Erniedrigung unseres Herrn endete mit Seinem Tod – danach erfolgte sofort Seine Erhöhung. Wäre Er nach dem Sterben noch im Totenreich gewesen, dann wäre dies hier sicherlich als weiterer Teil Seiner Erniedrigung erwähnt worden. Natürlich wird zwar gelehrt, daß Er im Totenreich nicht gelitten hat oder gedemütigt worden ist, sondern daß Er dort evangelisiert bzw. Seinen Sieg proklamiert hat – aber in die Tiefen des Totenreiches hinabzusteigen, ist ja wohl dennoch nicht gerade als eine Erhöhung anzusehen.
Nein, eine genauere Untersuchung der biblischen Angaben zu diesem Thema zeigt m.E. klar, daß der Herr Jesus nie im Totenreich gewesen ist, sondern sofort nach Seinem Kreuzestod zu Seinem Vater zurückgekehrt ist – natürlich zunächst nur vorübergehend, weil Er ja nach drei Tagen wieder auferstanden ist. Wenn also das Apostolische Glaubensbekenntnis formuliert: „hinabgestiegen ins Reich der Toten“, dann beruht das auf einem Irrtum bzw. auf einer falschen Bibelauslegung.

Copyright (c) 2004 Detlev Fleischhammel

 http://www.jesus-service.de/Verkuendigung_Totenreich.PDF

1. Petrus 3, 18 Denn auch Christus hat „einmal“ für die Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führte, und ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist.

Von allen Seiten her dringt Petrus immer wieder zum selben Zentrum vor, weil er  jedes Wort von dorther bekommt. Er hat zu reden von dem, was ein mal geschah am Karfreitag und Ostermorgen, in einer Einzigartigkeit, die sich nie und nirgends wiederholt, aber gerade so vollgültig für alle Zeiten und alle Räume den Zugang zu Gott wieder aufgetan hat.
Christus hat … für die Sünden gelitten (vgl. 1. Petr 2,21.24). Die Wendung „für die Sünden“, wird in der Septuaginta für das Sühnopfer gebraucht.
Daß sein Sühnopfer ein für allemal gilt, ist eine ganz bedeutsame Aussage. Sie macht den grundlegenden Unterschied zwischen den Tieropfern des Alten Bundes und dem Opfer deutlich, das den Neuen Bund begründet. Während die Opfer des Alten Bundes ständig wiederholt werden mußten und dabei doch nicht imstande waren, die Sünden wirklich wegzunehmen (Hbr 10, 11), ist das Opfer Christi einmalig, endgültig, ewig wirksam, indem es die Sünde der ganzen Welt für immer getilgt hat. Deshalb heißt es hier: um der Sünden willen (vgl. auch Gal 1, 4; Rö 4, 25).
Die Opfer des Alten Bundes waren „Hilfen auf Zeit“, Jesu Opfer ist „Hilfe für die Ewigkeit“.
Das Stellvertretende am Tode Christi zeigt sich in der Wendung „der Gerechte für die Ungerechten“. Christus, der „Gerechte“, ist in einzigartiger Weise dafür qualifiziert, anstelle der „Ungerechten“ zu sterben. Das göttliche Ziel, das durch Christi Opfertod erreicht wurde, war die Versöhnung der Menschen (damit er euch zu Gott führte).
Um uns zu Gott zu führen – das ist das Ziel seines Opfers. Dadurch gibt es für Sünder wirklich Zugang zu Gott. Was alle Religionen ersehnen und doch niemals erreicht haben noch jemals erreichen können, nämlich einen Weg zu Gott zu finden, – eben dies, ist in Jesus, dem Gekreuzigten, Wirklichkeit geworden.
Petrus schließt seine Aussagen zum Erlösungswerk Christi mit dem Hinweis auf seine Auferweckung. Auch wenn Christus nach dem Fleisch tot war, so ist er doch lebendig gemacht nach dem Geist. „Nach dem Geist“ gibt ein einziges griechisches Wort, pneumati, wieder, das vielleicht auf die dritte Person der Trinität als wirkende Kraft in der Auferstehung Christi deutet. Es kann aber auch Christi menschlicher Geist im Gegensatz zu seinem menschlichen Körper gemeint sein (vgl. 1. Petr 4,6).
Zusammenfassung
Jesus hat sich in dreifacher Weise des Grundproblems des gebrochenen Verhältnisses des Menschen zu Gott angenommen: a. Er hat das vollkommene Sündopfer dargebracht (vgl. Hebr 9,11-14; 10,1-10) und damit die Forderungen des Gesetzes erfüllt; b. Er hat das vom Gesetz für Sünder geforderte Todesurteil an sich vollstrecken lassen (vgl. 2Kor 5,21; Rom 6,23); c. Damit hat er die durch die Sünde verursachte Kluft zwischen Mensch und Gott überbrückt.

Die Verzweiflung unserer Zeit

Die Kunst hat schon immer sehr schnell gezeigt, woran wir sind. Nicht selten sind Künstler sehr feinfühlige Menschen mit der Fähigkeit, philosophische Trends noch deutlicher wahrzunehmen und vor allem wiederzugeben als manche seiner zeitgenössischen Philosophen. So war auch Friedrich Nietzsche erst in zweiter oder dritter Linie Philosoph seiner Zeit, in erster Linie aber Künstler, und zwar eine Art von Künstler mit besonders feinem Gefühl für Ästhetik und zugleich äußerst scharfem Intellekt, was seine Schriften zu einer geradezu prophetischen Angelegenheit machte. Er vermochte vor bereits weit über 100 Jahren den Nerv unserer heutigen Zeitepoche zu treffen. Zu seiner Zeit noch unverstanden, wurden seine Gedanken, sein alles durchdringender Intellekt, der auch vor bis hin zur Ohnmacht schmerzenden Konsequenz nicht haltmachte, zum Leitbild des 20. Jahrhunderts. In diesem wurden die Grenzen menschlichen Daseins neu ausgelotet. Gegen Ende jenes Jahrhunderts kommt im noch geteilten Berlin eine Musikgruppe auf die Bühne, welche mit ihrem gesamten Auftreten, ihrer Musik, ihrem Gesang, ihren Texten das Ende all dessen darstellten, was bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Gültigkeit hatte. Die Grenzen waren ausgelotet, was sich nun breitmachte, war die Verzweiflung. Sie war die natürliche Folge dessen, was 100 Jahre zuvor Nietzsche gesehen hatte, als er seinem „tollen Menschen“ die Worte in den Mund legte:

„Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet, — ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden?“ (Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 3. Buch, Aphorismus 125)
 Dadurch, dass der Mensch die Verbindung zu seinem Schöpfer nicht nur aufgab, sondern geradezu mit allen Mitteln zu leugnen versuchte, verlor er jegliche Fähigkeit zu einem sinnfindenden und sinnerfüllenden Leben. Gott wurde aus seinen Gedanken herausoperiert und durch einen Nihilismus ersetzt. Der einzige feste Bezugspunkt wurde damit aufgegeben. Der Mensch begann, sich selbst zum Bezugspunkt zu machen, er drehte sich nur noch um sich selbst. Seine eigenen Erfahrungen, seine Bedürfnisse, seine Erlebnisse, seine Gefühle, das war es noch, was zählte. Zurück blieb die Verzweiflung.
Diese Verzweiflung auf der Bühne inszeniert sieht dann so aus:
Dieser Song „Fütter mein Ego“ von der Berliner Band „Einstürzende Neubauten“ zeigt sehr lebhaft, wie diese Verzweiflung in der totalen Entfremdung von Gott und der totalen Enthemmung des Individuums aussehen kann. In den Lyrics heißt es unter anderem:
Fütter mein Ego!
Fütter mein Ego!
Fütter mein Ego!Lass uns noch was Wodka holen
Russische Vitamine
Ich glaub, wir müssen nochmal hin
Ich glaub, der Typ schläft schon
Bestimmt! Niemals!
Zieh!
Niemals schlafen! Alles Lügen! Staubiges Vergnügen!
Telefon! Zieh!
Hörst du das nicht?
Eine fixe Idee geht durchs Zimmer
Riemenschneider schnitzt sie in meine Gehirnwindungen
Dübelt sich in meinen Kopf
Später dann
Kannst du Regale dran aufstellen, oder…
Zieh! Telefon! Jetzt aber wirklich
Sag mal hörst du das nicht?
Zieh! Das brennt ja wie verrückt!
Der Text hat jeden Zusammenhang verloren, das heißt, er besteht aus lauter einzelnen, jeglichen Zusammenhang entbehrenden Einzelstücken, die gerade durch die einzelnen Satzfetzen eine neue, eigene Message rüberbringen sollen. Diese Message wird allerdings im Gehirn des Hörers / Lesers zusammengesetzt, sodass es beliebig viele Möglichkeiten gibt, den Text zu verstehen. Dies ist sehr typisch für postmoderne Musik und Filme (man vergleiche dies zum Beispiel auch mit dem bekannten Film „Lola rennt“).
 Diese Verzweiflung, die entstanden ist durch die letztendliche Absage an den einen Gott der Bibel, der das Zentrum und der Bezugspunkt von allem sein möchte, ist heutzutage allgegenwärtig zu finden in unserer Kultur. Alles ist relativ geworden, nichts ist mehr wirklich zuverlässig. Um diese Verzweiflung zu überwinden gibt es nur ein einziges Mittel: Eine Rückbesinnung auf die Bibel, deren Wort wirklich absolut zuverlässig ist. Als Gemeinden haben wir den Ausweg aus dieser Verzweiflung heraus. Den einzigen Ausweg. Dieser ist Jesus Christus, dem wir vertrauen dürfen. Dies ist die Heilige Schrift, die in all ihren Aussagen absolut irrtumslos ist und die unserem Leben Sinn und den letztgültigen Bezugspunkt schenken möchte.

Neurowissenschaften und die Kontroverse um den freien Willen

Dieses Zeitalter, es ist faszinierend. Wir befinden uns in der Postmoderne, wo die Möglichkeiten endlos scheinen und es die Zeit der Wahl ist. Wir haben die Wahl, jeglichen Beruf auszuüben, du hast die Partnerwahl, eine Wahl, was du isst (damit liegst du schonmal über dem Durchschnitt der Welt) und womit du heute deine freie Zeit verbringst. Danach loggst du dich wahlweise bei Facebook ein und änderst dein Profilbild, ganz frei. Heute ist deine Zeit, eine Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten.
Es gibt allerdings viele Neurowissenschaftler, die genau diesem freien Willen widersprechen und ihn uns absprechen, denn sie meinen, dass die Vorgänge, die sich in unserem Leben tagtäglich abspielen reine mechanische Muster sind, die unsere Neuronen im Gehirn erzeugen und auf die wir keinen Einfluss haben. Sie meinen, dass das Gefühl selbst entscheiden zu können lediglich ein emotionaler Rest ist von einer Spur, die die feuernden Neuronen in unserem Gehirn hinterlassen. Einige Neurobiologen versuchen immer mehr, den Menschen auf eine Art biochemische Maschine zu reduzieren, das Produkt reiner Physiologie und toter Materie. Weiterlesen

Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, er kann mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag. 2. Timotheus 1,12

Glaube hat Inhalt, einen „Gegenstand“, ein Gegenüber. Ein bloßes Fürwahrhalten von irgendwas ist nicht Glaube, sondern Ideologie; ein bloßes ozeanisches Gefühl ist eben ein bloßes ozeanisches Gefühl. Und Glaube hat ein personales Gegenüber, eines, das antwortet, das kommuniziert und nicht bloß interagiert. Ein bloßes Vertrauen auf die universale Liebe oder irgendwelche Gesetze der Evolution ist Weltanschauung oder sogar schlichter Aberglaube. Beten hat nur Sinn, wenn ich davon ausgehe, dass „drüben“ gehört wird. Glaube hat ein treues Gegenüber, den im tiefsten Sinne ist Glaube ja das Vertrauen auf Verlässlichkeit. Es geht im Glauben um die Treue Gottes. Davon erzählt die Bibel. Das ist ihr Thema. Wenn man das Wort „Allmacht“ aus der philosophischen Gottestheorie überhaupt anwenden möchte, dann am ehesten in Bezug auf die Treue Gottes: er hat die Macht, treu zu bleiben, auch wenn er verlassen, verhöhnt, missverstanden und sogar getötet wird. Das ist der vielleicht entscheidende Unterschied zum Menschen. Sünde ist Untreue.
Zur Treue gehört aber eben mehr als ein bloßes Gefühl, Treue speist sich aus der Erinnerung an gelungene Beziehungen, aus der Kenntnis des Gegenübers und nicht zuletzt auch aus dem „Vertrag“, den man schließt, wenn man einander treu ist, egal, ob er ausformuliert ist oder nicht.
Christlicher Glaube, der sich recht versteht, wird immer sagen, was der Thimotheusbrief sagt: „Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, er kann mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag“.

1. Petrus 3, 17 Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

Wer dem Gekreuzigten nachfolgt, muß jederzeit mit der Möglichkeit von Leiden rechnen. Er steht jedoch letztlich nicht unter der Willkür der Feinde, sondern unter dem Willen Gottes. Gott bestimmt darüber, und hat auch Art und Dauer des Leidens in seiner Hand.
Nicht immer werden die Verleumder zu Schanden und widerlegt. Da ist Petrus ganz nüchtern. Es kann durchaus sein, dass die Christen in Leiden kommen. Das ist ja auch bei den Gemeinden in Kleinasien oft schon die Wirklichkeit (vgl. 1. Petr 4,12ff.). Wer „um böser Taten willen“ in Bedrückung ist, dem widerfährt das zu Recht (vgl. Lk 23,41): Er empfängt, was er verdient. Doch wenn Christen wegen ihrer guten Taten, wegen ihres Lebens als Glaubende in Verfolgung kommen, so ist es „besser“ für sie, wie Petrus schon in 1. Petr 2,12 sagte („das ist Gnade bei Gott“). Da stehen sie unter dem „Selig seid ihr“, das ihnen Jesus selber zuspricht (vgl. Mt 5,9). Trost steckt auch in dem Nebensatz „wenn es Gottes Wille ist“, denn er misst uns das Leiden nur zu, wenn er uns dafür fähig hält.
In V. 13-16 ging es um die Überwindung der Verleumder durch Gutestun. V. 17 faßt das zusammen: im Leiden derer, die Gutes tun, liegt überwindende Kraft. Der folgende Abschnitt veranschaulicht das am Beispiel unseres Herrn Jesus.
Ähnlich wie es schon am Anfang dieser Mahnrede (2,18 ff.) geschah, fasst unser Brief auch hier in 3,17 (vgl. 2, 20) noch einmal alles zusammen, um dann in 3,18 ff. (vgl. 2, 21-25) noch einmal ausführlich von dem zu reden, von dem her allein alles Gesagte recht – und das heisst fröhlich und getrost – gehört werden kann.

Von Füchsen und anderem Kleingetier

Von Füchsen und anderem Kleingetier
Als Jesus in Lukas 13,32 von Herodes spricht, bedient er sich eines Vergleichs aus dem Tierreich: „Geht hin und sagt diesem Fuchs…“. In unserer Kultur steht der Fuchs für Gerissenheit, List und Schläue. Wenn wir einen Menschen mit einem Fuchs vergleichen, dann wollen wir damit ausdrücken, dass er besonders raffiniert ist – „ausgefuchst“ eben. Ist das wirklich das, was Jesus gemeint hat?
In Matthäus 14 finden wir eine aufschlussreiche Charakterstudie des Herodes. Er ist abergläubisch (14,2), sittenlos (14,4), willkürlich (14,3) und feige (14,5). Er hat Johannes den Täufer ins Gefängnis geworfen und will ihn eigentlich töten lassen, aber Menschenfurcht hält ihn zurück. Lukas berichtet uns aber, dass Herodes das, was er aus Furcht vor den Menschen nicht zu tun wagte, am Ende dann doch tut – um sich vor seiner Frau keine Blöße zu geben. In angetrunkenem Zustand legt er ein leichtfertiges Versprechen ab und spricht damit das Todesurteil über Johannes.
Als ich überlegte, wie man den Vers aus Lukas 13 wohl in die Fulfulde-Sprache übersetzen könnte, führte ich mir Herodes vor Augen. Nichts an seinem Charakter ließ mich an einen listigen oder gar schlauen Menschen denken, nicht einmal an einen raffiniert taktierenden Politiker.
Überfall im Hühnerstall
Ein unerwartetes Ereignis warf Licht auf diese Bibelstelle. Wir lebten damals in einem Dorf in Niger, mitten in der Sahelzone. Eines Nachts drang ein Fuchs in unser Hühnerhaus ein. Am Morgen lagen über ein halbes Dutzend Hühner tot auf dem Boden, alles war voller Blut, das reinste Massaker. Der Fuchs hatte nicht nur Beute geschlagen, um seinen Hunger zu stillen, sondern aus reiner Lust am Töten.
Ich fragte meine afrikanischen Freunde: „Wenn man jemanden als einen Fuchs bezeichnet, was möchte man über diese Person aussagen?“ Die einhellige Antwort lautete: „Sie ist blutrünstig!“ Diese Erklärung erschien mir auch für unseren Bibeltext wesentlich zutreffender als die traditionell europäische Vorstellung vom schlauen Fuchs. Wollte Jesus wirklich sagen, dass Herodes listig war? Oder ging es ihm in der von Lukas geschilderten Situation nicht viel mehr um die blutige Hinrichtung von Johannes dem Täufer?
Aus dieser Geschichte habe ich gelernt, dass man mit Vergleichen aus der Tierwelt vorsichtig sein muss. Die Vorstellungswelt der Fulfulde-sprechenden Völker ähnelt in vielen Dingen der jüdischen Kultur zur Zeit Jesu. Für die Fulbe ist es deswegen kein Problem, Herodes als einen Fuchs zu bezeichnen. Sie verstehen dieses Bild auf Anhieb richtig. Wir Europäer sind es, die hier Nachhilfe brauchen!
Mehr tierische Vergleiche
•          Bei uns steht der Fuchs für Schläue und Gerissenheit. Bei den Fulbe werden diese
Eigenschaften von der Spinne oder vom Hasen verkörpert.
•          Bei uns ist der Esel dumm. Bei den Fulbe ist es die Hyäne.
•          Bei uns steht das Chamäleon für Wechselhaftigkeit, bei den Fulbe für Langsamkeit.
Von René Vallette Westafrika Deutsch von Silke Sauer. ausgesprochen – das Wycliff Magazin 1/2012 (Seite 12)