„… trotzdem Ja zum Leben sagen“ von Viktor Frankl Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager

Ich bin über diese nüchternen und doch erschütternden Aufzeichnungen von Viktor Frankl in seinem Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen“ gestoßen. Sie haben mich sofort gefesselt. Frankls Weisheit mit Leiden umzugehen ist äußerst lehrreich. Ich habe einige Zitate aus dem Buch ausgewählt:

Individuelle Schuld und gute Tat

Das Individuum ist es, das schuldig am Nächsten wird und jedes mal aufs Neue vor der Entscheidung steht, gut oder böse zu handeln. Entsprechend stellt Frankl fest:

Unter den Lagerinsassen, die sich viele, viele Jahre in Lagern aufhielten, von einem Lager in das andere und schließlich insgesamt in Dutzende von Lagern gebracht wurden, konnten sich im Durchschnitt nur jene am Leben erhalten, die in diesem Kampf um die Lebenserhaltung skrupellos waren und auch vor Gewalttätigkeit, ja sogar nicht einmal vor Kameradschaftsdiebstahl zurückschreckten. Wir alle, die wir durch tausend und abertausend glückliche Zufälle oder Gotteswunder – wie immer man es nennen will – mit dem Leben davongekommen sind, wir wissen es und können es ruhig sagen: die Besten sind nicht zurückgekommen (Hervorhebung des Autors)

„Der Mut zum Bekenntnis erhöht den Wert einer Erkenntnis“

Das Werk ist bereits 1946 erschienen, wurde im deutschsprachigen Raum zunächst lange kaum beachtet, ist aber in vielen anderen Ländern schnell zum Bestseller lanciert. Zunächst wollte Frankl das Buch anonym herausgeben, denn im KZ ist man nicht mehr Häftling, sondern nur eine Nummer. Er war Nummer 119104:

„Tatsächlich war die Niederschrift schon beendet, als ich mich davon überzeugen ließ, daß eine anonyme Veröffentlichung insofern entwertet würde, als der Mut zum Bekenntnis den Wert einer Erkenntnis erhöht. Daraufhin habe ich um der Sache willen auch auf nachträgliche Streichungen verzichtet und so den gebotenen Mut zum Bekennen gegen die Scheu vor dem Exhibitionieren ausgespielt – und damit gleichsam mir selber einen Streich gespielt.“

Die ersten Reaktionen

Wie reagiert man auf die Brutalität von Ausschwitz? Zunächst mit Galgenhumor, z.B. dann, wenn aus den Brausetrichtern, wirklich Wasser kommt… Bald gesellt sich aber auch Neugier, „ob ich mit dem Leben davonkommen werde oder nicht“ dazu:

„Auch in Auschwitz herrschte diese gleichsam die Welt objektivierende und den Menschen distanzierende Stimmung fast kühler Neugier, die Stimmung des Zusehens und Zuwartens, auf die sich die Seele in solchem Augenblick zurückzieht und hinüberzuretten versucht. Neugierig waren wir, was nun alles geschehen würde und was die Folgen seien. Die Folgen z.B. davon, daß man, splitternackt und noch naß von der Brause, im Freien stehengelassen wird, in der Kälte des Spätherbstes. Und die Neugier wird in den nächsten Tagen von Überraschung abgelöst, z.B. von der Überraschung darüber, daß man eben keinen Schnupfen bekommt“

Soll man einen Alptraum beenden?

Im späteren Verlauf diskutiert Frankl ganz unterschiedliche Fragen des Lagers, z.b. die Option “ in den Draht zu gehen“, also Selbstmord dadurch zu begehen, dass man die um das Lager gespannte Hochspannungsdrähte anfasst, oder die Phase der Apatie, die Abtötung der normalen Gefühlsregungen. Oder auch, das vor allem Hohn und nicht die zugefügte Prügel schmerzen:

„Der körperliche Schmerz, den Schläge verursachen, ist – bei uns erwachsenen Häftlingen übrigens ebenso wie bei gezüchtigten Kindern! – nicht das Wesentliche; der seelische Schmerz, will heißen: die Empörung über die Ungerechtigkeit bzw. die Grundlosigkeit ist dasjenige, was einem in diesem Moment eigentlich weh tut. So ist es verständlich, daß ein Schlag, der gar nicht trifft, unter Umständen sogar mehr schmerzen kann: Einmal stehe ich z.B. auf offener Bahnstrecke im Schneesturm; trotzdem dürfen wir nicht die Arbeit unterbrechen; schon damit mir nicht allzu kalt wird, »stopfe« ich fleißig Geleise (mit Schotter). Für einen Augenblick halte ich mit der Arbeit inne, um auszuschnaufen, und stütze mich auf den Krampen. Unglückseligerweise wendet sich der Posten im gleichen Augenblick nach mir um und glaubt natürlich, daß ich »tacheniere«. Was mir nun – trotz allem und auch noch trotz der schon sich entwickelnden Abstumpfung – weh tut, ist nicht irgendeine Strafpredigt oder irgendwelche Prügel, die ich zu gewärtigen habe, sondern: daß dieser Posten es nicht einmal der Mühe wert findet, die herabgekommene und zerlumpte Gestalt, die nur mehr noch von ungefähr an eine menschliche Gestalt erinnern mag, diese Gestalt also, die ich da in seinen Augen wohl darstelle, eines Schimpfwortes zu würdigen. Was er nun tut, ist vielmehr folgendes: wie spielerisch hebt er einen Stein vom Boden und wirft ihn nach mir. So, mußte ich empfinden, macht man irgendein Tier aufmerksam, so erinnert man ein Haustier an seine »Arbeitspflicht«, ein Tier, zu dem man so wenig Beziehung hat, daß man es »nicht einmal« straft“

In besonderer Weise haben mich Frankls Überlegungen bewegt, die er hatte, als sein Kamerad an Alpträumen litt:

„Ich werde jedenfalls nie vergessen, wie ich eines Nachts dadurch geweckt wurde, daß der neben mir schlafende Kamerad, sichtlich unter der Einwirkung irgend eines schreckhaften Alptraumes, laut stöhnend sich herumwälzte. Ich will hierzu vorerst noch bemerken, daß ich persönlich seit je ein besonderes Mitleid für Menschen empfinde, die irgendwie von ängstlichen Wahn- oder Traumvorstellungen gequält werden. So war ich schon nahe daran, meinen armen, vom Alp geplagten Kameraden zu wecken. In diesem Augenblick erschrak ich über meinen Vorsatz und zog auch schon die Hand wieder zurück, die den Träumer wachrütteln sollte. Denn in diesem Augenblick war mir so ganz intensiv zu Bewußtsein gekommen, daß kein Traum, auch nicht der schrecklichste, so arg sein kann wie die Realität, die uns dort im Lager umgab und zu deren wach-bewußtem Erleben jemanden zu erwecken ich im Begriffe war…“

Lohnt sich das Leben nur, wenn man dem Sterben entkommt?

Hier arbeitet sich Frankl wirklich an eine Perle heran, die gerade in der Zeit von Konsumbetäubungen neu entdeckt werden muss:

„Während die Bekümmerung der meisten der Frage galt: Werden wir das Lager überleben? Denn, wenn nicht, dann hat dieses ganze Leiden keinen Sinn – lautete demgegenüber die Frage, die mich bedrängte, anders: Hat dieses ganze Leiden, dieses Sterben rund um uns, einen Sinn? Denn, wenn nicht, dann hätte es letztlich auch gar keinen Sinn, das Lager zu überleben. Denn ein Leben, dessen Sinn damit steht und fällt, daß man mit ihm davonkommt oder nicht, ein Leben also, dessen Sinn von Gnaden eines solchen Zufalls abhängt, solch ein Leben wäre nicht eigentlich wert, überhaupt gelebt zu werden“

Fazit

All diese Zitate werden kaum daran vorbeiführen, das ganze Werk zu lesen. Z.B. beschreibt Frankl wiederholt, dass das, was sich viele als Erleichterung erhoffen, oder das, was in die Verzweiflung stürzt, weil es nicht erreicht wurde, eigentlich gerade Wege zur Rettung waren. So kommt noch am Tag vor der Befreiung ein großer Konvoi: Die Gefangenen werden nun von der SS freundlich behandelt und versprechen sogar einen schnellen und guten Austausch gegen Kriegsgefangene in der Schweiz. Alle lassen sich mitreißen und für alle ist Platz, außer für Frankl und einen seiner Kollegen. Sie sind so enttäuscht, dass sie auf Grund und Stelle einschlafen und erst am nächsten Tag aufgeweckt werden. Sie sind nun befreit, erfahren aber nur einige Tage später, dass alle die in dem Konvoi in die vermeintliche Freiheit fuhren, noch auf die Schnelle verbrannt wurden.

In einem weiteren Kapitel denkt Frankl darüber nach, warum es falsch wäre, nach der Befreiung auf das widerfahrene Böse selber Böse zu reagieren. Die Kette muss durchbrochen werden. In einem Kapitel führt er dann aus, dass die innere Freiheit „so oder so zu reagieren“ dem Menschen bis zum letzten Atemzug nie genommen werden kann. Nicht einmal im KZ. Hier spricht der erfahrene Arzt, der sein Leben lang mit Selbstmordgefährdeten Patienten gearbeitet hat.

Schließlich bleibt auch Frankls Fazit, dass er nach dem Bestehen der KZ-Zeit nun nichts mehr zu fürchten habe, außer Gott. Das  zeigt welche Perspektive man auf Prüfungen des Lebens haben kann. Gerade für unsere vom Konsum getriebene Gesellschaft kann dieses Buch ein guter Weckruf sein, sich nicht weiter zu betäuben und der Frage nach dem Sinn wegzulaufen, sondern „...trotzdem ja zum Leben zu sagen“. Ich für meinen Teil habe mir weitere Werke des Autors vorgemerkt.
https://www.nimm-lies.de/trotzdem-ja-zum-leben-sagen-von-viktor-frankl-fertig/14594

Martin Bucer begegnet Luther

Am 26. April 1518 erlebte Heidelberg ein akademisches Ereignis, das an der Universität mit höchster Spannung erwartet wurde. Der seit einem halben Jahr berühmt gewordene und heiß umstrittene Wittenberger Professor und Augustinermönch Luther war anlässlich eines in Heidelberg tagenden Generalkapitels der deutschen Kongregation seines Ordens beauftragt worden, eine Disputation abzuhalten. Der Hörsaal des Klosters war von Mönchen, jungen Magistern und Studenten überfüllt. Luther hat einen guten Fang in ihm getan: eine große Zahl der späteren Reformatoren Süddeutschlands saß damals zu seinen Füßen. Niemand unter ihnen war stärker erregt und gepackt als ein sechsundzwanzigjähriger Magister aus dem Heidelberger Dominikanerkloster: Martin Bucer. Er schrieb wenige Tage später an seinen Freund, den Humanisten Beatus Rhenanus, einen langen, vor Begeisterung überströmenden Brief, in dem er ihm nicht nur die wichtigsten Thesen Luthers mit ausführlicher Begründung mitteilte, sondern auch – bezeichnend für seine Beobachtungsgabe – die Eleganz der Lutherschen Gesprächsführung schilderte und mit humanistischer Stilkünsten pries. Aber auch Luther bekam von dem temperamentvollen Elsässer, dessen Gesicht sich durch eine auffallend bräunliche Hautfarbe, scharf geschnittene Züge und eine mächtig hervorspringende Maße einprägte, einen starken Eindruck. Unerwartet schlug ihm aus den Reihen des feindlichen Ordens, der bereits in Rom den Ketzerprozess gegen ihn beantragt hatte, eine stürmische Zuneigung entgegen, die sein Vertrauen gewann. Der Generalvikar der Augustiner, Staupitz, und sie luden Bucer auf den folgenden Tag zum Treffen ein, bewirteten ihn – was dieser noch nach zwei Jahren nicht zu erwähnen vergisst – aufs beste und führten ein Gespräch mit ihm, das ihm unvergesslich blieb. Die Begegnung in den Heidelberger Frühjahrstagen war für die beiden Männer von schicksalvoller Bedeutung. Luther fand in Bucer den Mann, der wie sein anderer seine lehre am Oberrhein ausbreiten und ihm eines Tages nach jahrelangen Kämpfen zwischen der Lutherschen und der evangelischen Süddeutschen wieder zuführen sollte. Und Bucer fand in Luther seinen Befreier, der ihm half, eine ihm längst fremd gewordene Glaubens- und Lebensform wirklich zu überwinden; er fand in ihm die Mitte seines künftigen Lebens, die ihn, auch wenn er sich zeitweilig weit von ihr entfernte, doch immer wieder mit magnetischer Kraft anzog und bestimmte Bahnen nicht mehr überschreiten ließ.
Heinrich Bornkamm, Martin Bucers Bedeutung für die europäische Reformationsgesichte, Gütersloh: Bertelsmann Verlag, 1952, S. 7

Was lehrt die Bibel über Männer und Frauen?

Die folgende Liste ist einem Artikel von dem Blog des amerikanischen Verlags Crossway entnommen, der hervorragenden und sehr zu empfehlenswerte Literatur (unter anderem auch die Englisch Standard Version der Bibel (ESV) herausbringt. Es lohnt sich alleine schon wegen den (fast) monatlichen kostenlosen neuen E-Books den Newsletter dieses Blogs zu abonnieren.

Der Artikel wurde von dem Österreicher Andreas Köstenberger und seiner Frau Margaret geschrieben, der auch einige sehr hilfreiche Bücher (bzw. biblische Theologien) zu diesem Thema geschrieben hat God’s Design for Man and Woman: A Biblical-Theological Survey (zusammen mit Margaret), God, Marriage, and Family: Rebuilding the Biblical Foundation (zusammen mit David W. Jones).

Da selbst in der Gemeinde zu diesem Thema nicht mehr Klarheit herrscht, ist diese Liste um so hilfreicher. Der original Titel dieses Artikels lautet „10 Things You Should Know about the Bible’s Teaching on Men and Women“ („Zehn Dinge, die du über die Lehre der Bibel über Männer und Frauen wissen solltest“).

  1. Wir wurden durch den göttlichen Plan als männlich und weiblich geschaffen (We were created male and female by divine design).
  2. Wir wurden in Gottes Ebenbild männlich und weiblich geschaffen (We were created male and female in God’s image).
  3. Der Mann wurde zuerst geschaffen und ihm wurde die Verantwortung übertragen zu leiten (The man was created first and given the responsibility to lead).
  4. Der Mann und die Frau sind Partner in der Ausübung der Herrschaft über Gottes Schöpfung (The man and the woman are partners in exercising dominion over God’s creation).
  5. Wer wir als Männer und Frauen sind, definiert den Kern unseres Seins und nicht nur seine Peripherie (Who we are as men and women defines the core of our existence, not merely its periphery).
  6. Der Sündenfall hat für Verzerrung, Verfälschung und Verwirrung darüber gesorgt, wer wir als Männer und Frauen sind (The fall distorted, corrupted, and confused who we are as men and women).
  7. Gottes Plan ist der beste (God’s design is best).
  8. Die Lehre der Bibel über Gottes Plan für Mann und Frau ist widerspruchsfrei und in sich schlüssig (The Bible’s teaching on God’s design for man and woman is consistent and coherent).
  9. Jede Generation muss der nächsten vorleben und erklären, was Gottes Plan für Mann und Frau ist (Every generation must model and explain God’s design for man and woman to the next).
  10. Gegenwärtige kulturelle Trends spiegeln den menschlichen Zerrbruch und seine tief verwurzelte Rebellion gegen seinen Schöpfer und dessen Plan für Männer und Frauen wider (Current cultural trends reflect humanity’s brokenness and deep-seated rebellion against the Creator and his design for men and women).

Wer jeden dieser Punkte noch weiter ausgeführt bekommen will, findet in dem original Artikel hilfreiche Einblicke.
Von Kai Soltau Aktualisiert August 10, 2016
https://www.wortzentriert.at/lehre/was-lehrt-die-bibel-ueber-maenner-und-frauen/

Gottes Wille ein sorgenfreies Leben?

Um Gottes Weisheit zu würdigen, müssen wir erst das Ziel kennen, das er verfolgt. Viele meinen jedoch, „Gottes Wille sei ein sorgenfreies Leben für alle, ohne Rücksicht auf ihre geistige oder sittliche Verfassung, und von da her schliessen sie, alles Widrige und Ärgerliche sei (gleich, ob es Krankheit, Unglück, Unrecht, Arbeitslosigkeit oder Liebesschmerz ist) ein Zeichen, dass entweder Gottes Weisheit oder Seine Macht, oder aber beides am ende – dass Er möglicherweise gar nicht existiere.“ J. I. Packer, Gott erkennen (81)

Der Schindler von Kopenhagen

Der Nazi-Diplomat Georg Ferdinand Duckwitz war und ist bis heute ein Held Dänemarks. Ihm verdanken die dänischen Juden das Wunder von Kopenhagen: die Rettung vor dem Holocaust.
Das einzige von den Nazis besetzte europäische Land, dessen Einwohner sich erfolgreich gegen den Holocaust wehren konnten, war Dänemark.Als die Nazis den dänischen Juden befahlen, den Davidstern auf ihre Kleidung zu nähen, gingen am nächsten Tag fast alle Dänen mit genau denselben Sternen auf die Straße.Nach diesem Ereignis wurde der Befehl „über die Sterne“ zurückgenommen.Später, nachdem sie von den Plänen der Nazis zur Ausrottung der Juden erfahren hatten, organisierten Mitglieder des dänischen Widerstands deren Transport auf dem Seeweg nach Schweden.“Nur“ 120 dänische Juden starben während des Krieges.Das sind hunderte oder sogar tausende Male weniger als in anderen europäischen Ländern.Im Oktober 1943 kam es zur Rettung der dänischen Juden: Von 7500 Juden konnten 7300 über den Öresund nach Schweden gebracht werden. Der Preis für die Überfahrt betrug durchschnittlich 1000 Kronen pro Kopf. Arme Flüchtlinge wurden kostenlos befördert oder reichere Flüchtlinge zahlten für diese mit. Der deutsche Statthalter Best und der Schifffahrtssachverständige der deutschen Botschaft, Georg Ferdinand Duckwitz, waren sehr gut über die Rettung informiert; sie hatten dänische Politiker vor der geplanten deutschen Aktion gegen die dänischen Juden gewarnt und ermöglichten so die Rettungsaktion. Bests Rolle ist in diesem Zusammenhang allerdings unklar.Auf dem Foto: König Christian X. und seine Frau mit aufgenähten Davidsternen auf der Kleidung.“Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“(Gal.6:2)

Die göttliche Autorität des Alten Testaments

Was zunächst das Alte Testament betrifft, so ist zunächst noch einmal daran zu erinnern, daß dessen Zeugnis in der Urkirche nicht nur in fester Schriftform vorlag (»es steht geschrieben«; Mose oder einer der Propheten »haben geschrieben«), sondern daß es eigentlich der »heilige« Gott selbst ist, der in dem von Menschen »Geschriebenen« zu Wort kommt. Weil Gott heilig ist, gelten die Schriften als »heilig« (Röm 1,2). Was sie »lehren«, gilt uns, »damit wir durch die Geduld und durch die Tröstung (die Gott uns in ihnen zuspricht) an der Hoffnung festhalten« (Röm 15,4). Daß alle Schriften prophetisch auf Christus verweisen (Lk 24,27), dient »uns« Christen zur Bekräftigung unseres Glaubens an den Messias Jesus als Gottes Sohn, in dem Gott das seinem Volk zugedachte Heil vollendet hat. Jede zitierte Schriftstelle ist insofern als Christuszeugnis immer auch Zeugnis des heilsgeschichtlichen Handelns Gottes in der Geschichte Israels, seines wirkkräftigen »Redens« einst zu den Vätern und jetzt zu uns (Hebr 1,1f.). Darum ist die Schrift von göttlicher Autorität, so daß Paulus im Streit um die jeweils höchste Autorität von Menschen in der Gemeinde von Korinth die Grundregel aktuell zur Geltung bringt: »nicht über das hinaus, was geschrieben steht!« 1Kor 4,6).
Ulrich Wilckens Die Autorität des Alten Testaments (Theologie des Neuen Testaments, 2014, Bd. 2, S. 61)

Ich liebe die Musik

Die zartesten Luther-Bilder sind die, die ihn mit einem Musikinstrument zeigen. So schrieb er 1530 in einem Brief von der Veste Coburg, „könnte keine Kunst der Musik gleichkommen, weil allein sie neben der Theologie das gewährt, was an anderer Stelle nur die Theologie schafft, nämlich Ruhe und Freude der Seele“.

Das Bild „Luther im Kreise seiner Familie musizierend“ von Gustav Adolph Spangenberg entstand 1875

In einer Skizze unter dem Titel „Über die Musik“ finden wir dieses Bekenntnis:

Ich liebe die Musik, denn sie ist

  1. ein Geschenk Gottes, nicht der Menschen
  2. sie macht fröhliche Herzen
  3. sie verjagt den Teufel
  4. sie bereitet unschuldige Freude. Darüber vergehen Zorn, Begierden und Hochmut.

Ich glaube, dass das kantige Temperament Luthers durch die Beschäftigung mit der Musik gerade zu besänftigt wurde. Wir kennen ihn als Texter, Sänger und Instrumentalisten. Bereits in seiner Schulzeit sang er in der Kurrende, im Studium in Erfurt gehörte Musik zum Lehrplan. Wir wissen, dass Luther Querflöte und besonders das Saiteninstrument Laute spielen konnte. Er verstand sich sogar auf die Kunst des „Absetzens“, also Partituren anderer Instrumente für die Laute zu bearbeiten. Vielleicht hat die Liebe zur Musik für Luther eine stimulierende therapeutische Wirkung gehabt, denn es wird berichtet, dass er auf dem Weg nach Worms Musik gespielt habe.
https://www.pro-medienmagazin.de/der-reformator-und-die-musik/?fbclid=IwAR3eXpwe0e19BIo5MG640gifMNxdpczrf-Eqle_IT6YFLI9Fkus16_-BBPk

Die Berröer „nahmen mit aller Bereitwilligkeit das Wort [= das Evangelium] auf und untersuchten täglich die Schriften [= das Alte Testament], ob dies sich so verhielte“ (Apostelgeschichte 17,11b).

Wenn wir Geld erhalten, überlassen wir es nicht den Gebern, es zu zählen, wir prüfen selber nach. Wenn es sich um göttliche Dinge handelt, wäre es nicht Torheit, gleichsam mit geschlossenen Augen tollkühn die Meinung der andern anzunehmen, da wir doch eine Richtschnur haben, an Hand derer wir alles prüfen können, nämlich die göttlichen Gebote? Deshalb beschwöre ich euch, dass ihr die Schrift befragt, ohne euch irgendwie beim Urteil der andern aufzuhalten. Kirchenvater Chrysostomus (347-407)

Umkehr im Neuen Testament

Umkehr lässt sich als „das Abwenden von der Sünde und dem Hinwenden zu Gott” definieren. Der Vers, der das wahrscheinlich am besten zusammenfasst, steht im ersten Thessalonicherbrief 1,9: „Denn sie selbst erzählen von uns, welchen Eingang wir bei euch hatten und wie ihr euch von den Götzen zu Gott bekehrt habt, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen.“
Wir sehen hier die beiden Elemente der Bekehrung sehr deutlich – ein Abwenden von Götzen und ein Hinwenden zu Gott.
Umkehr im Neuen Testament: Von der Verheißung bis zur Erfüllung
Der im Alten Testament verheißene Triumph Gottes über die Schlange (1Mo 3,15) wird im Neuen Testament zur Realität. Das Alte Testament verhieß einen neuen Bund, eine neue Schöpfung, einen neuen Exodus und neue Herzen für Gottes Volk. Die Erfüllung all dieser Verheißungen wurde durch das Leben, Sterben und die Auferstehung von Jesu Christi, die im Neuen Testament verkündigt werden, eingeleitet.
Umkehr in den Synoptikern
In den synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas), wird das Rettungswerk Gottes, das im Alten Testament verheißen wurde, mit dem Begriff „Reich Gottes“ zusammengefasst und spielt eine zentrale Rolle in den Synoptikern. Allerdings müssen wir auch verstehen, dass das Reich Gottes zur Umkehr aufruft. Die zwei Elemente der Umkehr können auch mit den Begriffen „Buße” und „Glaube” beschrieben werden.
Wir lesen in Mk 1,14–15: „Jesus kam nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!” (Mk 4,17) Die von Jesaja angekündigte gute Nachricht der Rückkehr aus dem Exil, die gute Nachricht der Erfüllung der Verheißung auf Rettung, wird nur denen zuteil, die sich von ihren Sünden abkehren und dem Evangelium glauben.
Das Evangelium in den Synoptikern konzentriert sich auf den Tod und die Auferstehung Jesu, was in allen drei Bibelbüchern einen großen Anteil ausmacht. Es ist der Höhepunkt der Geschichte! Denn ohne das Kreuz gäbe es kein Reich Gottes. Jesus kam „um sein Volk von seinen Sünden zu retten“ (Mt 1,21) und diese Rettung geschah allein durch seinen stellvertretenden Tod, als er „sich als Lösegeld für viele“ gab (Mt 20,28; Mk 10,45). Einige, die über das Reich Gottes sprechen, reden nur wenig über Umkehr, doch schon ein kurzer Blick in die synoptischen Evangelien zeigt wie grundlegend die Umkehr ist. Denn ohne Umkehr kann niemand in das Reich Gottes hineinkommen (Mk 10,17–31).
Umkehr im Johannesevangelium
Die Zentralität der Umkehr ist auch im Johannesevangelium klar zu erkennen. Schließlich schrieb Johannes sein Evangelium, damit Menschen „glauben, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes und dass sie durch den Glauben Leben haben in seinem Namen“ (Joh 20,31). Johannes verwendet das Verb „glauben“ ganze 98 Mal in seinem Evangelium und unterstreicht damit die Bedeutung dieses Themas. Der Glaube im vierten Evangelium ist nicht passiv. Johannes gebraucht eine Reihe von Begriffen, die vermitteln sollen, dass der Glaube etwas Aktives ist: glauben ist wie essen, trinken, hören, ausharren, kommen, eintreten, empfangen und gehorchen. Die Radikalität der Umkehr wird auch dadurch deutlich, dass Johannes verschiedene Verben gebraucht um zu zeigen, was es bedeutet, dass Jesus der Messias ist. Umkehr bildet den Kern der Botschaft des Johannesevangeliums. Ewiges Leben (Leben im kommenden Zeitalter) wird nur denjenigen zuteil, die an Jesus als das „Lamm Gottes [glauben], das hinwegnimmt die Sünde der Welt“ (Joh 1,29). Mit anderen Worten, nur diejenigen, die umgekehrt sind erleben auch das ewige Leben.

Umkehr und das Königreich in der Apostelgeschichte
Es scheint klar zu sein, dass Umkehr eine zentrale Rolle in den Evangelien spielt. Ebenso lassen sich klare Schlussfolgerungen aus der Apostelgeschichte ableiten. Hier finden wir eine ganze Reihe von Predigten, in denen das Evangelium den Zuhörern erklärt wird (z.B. Apg 2,14–41; 3,11–26; 13,16–41). Die Zuhörer werden häufig zur Buße aufgefordert (Apg 2,38; 3,19; 8,22; 17,30; 26,20), was auch als „sich zu Gott wenden“ definiert wird (3,19; 9,35.40; 11,21; 14,15; 15,19; 26,18.20; 28,27). Die Evangeliumsbotschaft beinhaltet einen dringlichen Aufruf sich von der Sünde und dem alten Leben abzuwenden. Zur selben Zeit werden all jene, die die gute Nachricht hören, aufgefordert ihr zu glauben und im Glauben zu leben (Apg 16,31; 26,18). Das Wort „glauben“ wird in der Apostelgeschichte fast 30 Mal verwendet um Christen zu charakterisieren. Das zeigt, dass der Glaube ein Merkmal derer ist, die zu Christus gehören.
Es ist keine Überraschung, dass Umkehr eine wesentliche Rolle in der Apostelgeschichte spielt. Denn schließlich berichtet sie davon, wie sich das Evangelium von Jerusalem bis nach Rom ausbreitet (Apg 1,8; vgl. auch 16; 14,22). Doch sollte man nicht übersehen, dass das Reich Gottes ein ebenso zentrales Thema in der Apostelgeschichte ist. Es zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, von Anfang (Apg 1,3) und bis Ende (Apg 28,31). Paulus hat das Königreich in Rom verkündigt (Apg 20,35; 28,23.31) und Philippus „verkündigte das Evangelium vom Reich Gottes und den Namen Jesu Christi“ (Apg 8,12), womit sie zeigen, dass das Evangelium im Zentrum des Königreichs steht. Wie wir gesehen haben rief das verkündigte Evangelium die Hörer dazu auf umzukehren und zu glauben. Dies zeigt wie grundlegend die Umkehr für jegliche Verkündigung des Reiches Gottes ist. Die Erneuerung der Welt unter Gottes Herrschaft ist die herrliche Hoffnung der Gläubigen. Doch nur diejenigen, die umkehren und glauben werden die neue, kommende Welt genießen. Diejenigen, die sich weigern zu glauben, wie es die Apostelgeschichte immer wieder betont, werden gerichtet werden.
Umkehr bei Paulus
Auch wenn Paulus den Begriff „Reich Gottes” nicht häufig verwendet, steht seine bekannte eschatologische Weltsicht im Einklang mit dem eschatologischen Charakter des Königreiches. Wie die Evangelien, so verkündigt auch Paulus eine „schon und noch nicht“ Eschatologie. Die meisten Exegeten sind sich darüber einig, dass Glaube und Buße wesentliche Themen in den Paulusbriefen sind. Paulus lehrt häufig, dass Rechtfertigung und Rettung Menschen allein durch Glauben zuteilwerden (vgl. Röm 3,21-4,25; 9,30-10,17; 1Kor 15,1–4; Gal 2,164,7; Eph 2,8–9; Phil 3,211). Zwar gebraucht er das Wort „Buße” nicht ganz so häufig, doch kommt es an einigen Stellen vor (z.B. Röm 2,4; 2Kor 3,16; 1Thess 1,9; 2Tim 2,25). Paulus gebraucht mehrere Begriffe für das Rettungswerk Gottes in Christus, z.B. Rettung, Rechtfertigung, Erlösung, Versöhnung, Adoption, Sühne, usw. Daher muss man nicht darüber diskutieren, ob das Rettungswerk Gottes in Christus in der paulinischen Theologie eine zentrale Rolle spielt. Allerdings zeigt auch das, dass Rettung nur denjenigen zuteil, die glauben und Buße getan haben.
Laut Paulus warten die Gläubigen sehnsüchtig auf die Wiederkunft Jesu Christi und auf die Erneuerung der Schöpfung (Röm 8,18–25; 1 Thess. 4,13-5,11; 2 Thess 1,10) und nur diejenige, die sich bekehrt haben, werden Teil der neuen Schöpfung sein. Deshalb arbeitet Paulus hart daran das Evangelium zu den Heiden zu bringen (Kol 1,24–2,5), die es noch nie gehört haben (Röm 15,22–29), damit auch sie zu den Erretteten gehören werden.
Umkehr in den allgemeinen Briefen
Auch die weiteren Briefe des Neuen Testamentes, die in ganz konkrete Situationen hineingeschrieben wurden, bringen die Bedeutsamkeit der Umkehr zum Ausdruck – oder implizieren diese zumindest. Ein Beispiel davon finden wir im Hebräerbrief. Hier erklärt der Schreiber, dass nur diejenigen in die endzeitliche Ruhe einkehren werden, die glauben und Gottgehorchen (Heb 3,18.19; 4,3; 11,1–40). Auch wenn Jakobus häufig falsch verstanden wird, so lehrt er, wenn richtig verstanden, dass Glaube maßgeblich durch Buße gekennzeichnet ist, was notwendig für die Rechtfertigung ist (Jak 2,14–26). Genauso lehrt Petrus, dass Rettung allein durch Glaube kommt (1Pet 1,5; 2Pet 1,1) und der erste Johannesbrief wurde geschrieben um den Gläubigen zu versichern, dass sie wirklich ewiges Leben haben (1Joh 5,13).
Umkehr in der Offenbarung
Das Buch der Offenbarung bringt die biblische Geschichte zu ihrer Vollendung. Es versichert den Gläubigen, dass Gottes Reich, das durch Jesus Christus angebrochen ist, vollendet werden wird. Diejenigen, die Böses tun und Kompromisse mit dem Tier eingehen, werden für immer bestraft werden. Doch diejenigen, die zum Ende ausharren, werden in die himmlische Stadt einziehen, dem neuen Jerusalem. Die Offenbarung betont, dass nur diejenigen, die Buße tun Leben finden werden (Offb 2,5. 16. 21. 22; 3,3. 19; 9,20. 21; 16, 9. 11).
Nicht das zentrale Thema, aber grundlegend für die ganze Geschichte
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Umkehr sicherlich nicht das zentrale Thema der Schrift ist. Denn Gläubige wurden geschaffen, um Gott zu verherrlichen und sich für immer an ihm zu erfreuen, sowohl in dieser als auch in der kommenden Welt.
Doch Umkehr ist grundlegend und wichtig für die ganze Geschichte. Denn nur diejenigen, die sich bekehrt haben, werden auch die neue Schöpfung genießen. Menschen müssen sich von ihrer Sünde abwenden und sich zu Gott wenden, um gerettet zu werden. Sie müssen von ihren Sünden umkehren und dem Evangelium Jesu Christi, seiner Kreuzigung und Auferstehung, glauben. Auch wenn jemand einen kleinen oder sogar einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Welt beigetragen hat (so hilfreich das auch sein mag), wird es am letzten Tag keinen Trost geben für diejenigen, die sich nicht zuvor von ihrer Sünde hin zu Gott bekehrt haben.
Thomas R. Schreiner ist der James Buchanan Harrison Professor für Neues Testament und stellvertretender Dekan für Schrift und Interpretation am Southern Baptist Theological Seminary in Louisville, Kentucky (USA).
https://www.evangelium21.net/media/1033/umkehr-im-neuen-testament