“Wir sind größer als Jesus”, soll einer der Beatles berauscht von seinem Ruhm gesagt haben.

Unter Druck geraten, rechtfertigt sich Lennon auf einer Pressekonferenz: „Ich wollte nur darauf hinweisen, dass wir den Kids aktuell mehr bedeute als Jesus oder die Religion. Das ist eine Tatsache.“ Keineswegs habe er gesagt oder sagen wollen, dass die Beatles größer oder bedeutender als Jesus seien. Und verglichen mit dem Messias habe er die Band auch nicht.
Diese Form des humanistischen Atheismus wird Lennon schließlich zum Verhängnis. 1980 wird er von einem geisteskranken christlichen Fanatiker erschossen. „Ich hörte mir seine Musik an und wurde wütend auf ihn, weil er sagte, dass er nicht an Gott glaubt, dass er nur an sich und Yoko glaubt“, lautet dessen Begründung. „Ich wollte einfach laut schreien: Für wen hält er sich, dass er diese Dinge über Gott und den Himmel sagt?“
„Bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Tokio wurde der schlimmsten Pop-Songs aller Zeiten gespielt“, meint Weihbischof Robert Barron von Los Angeles. Er spricht von John Lennons „Imagine“, gesungen von einem Kinderchor und einigen Prominenten. Der Bischof unterscheidet klar zwischen der wunderschönen Melodie einerseits und dem Text andererseits, der eine Einladung zu moralischem und politischem Chaos sei.Die erste Strophe spreche von der Vorstellung, dass es weder Himmel noch Hölle gebe, und alle Menschen für das Hier und Jetzt leben würden. „Ich kann mir ehrlich gesagt nichts Schlimmeres vorstellen“, mahnt der Bischof.
Die Existenz unterschiedlicher Kulturen und letztlich unterschiedlicher Menschen sei aber nichts Falsches, meint Bischof Barron. Ebenso wenig das Einstehen für die eigene Nation, wenn diese ungerecht bedroht wird. Religion sei, anders als das von atheistischer Seite oft propagiert werde, bei weitem nicht die hauptsächliche Wurzel der weltweiten Konflikte; als viel tödlicher hätten sich Nationalismus, Kolonialkonflikte und vor allem atheistische Ideologien erwiesen. (New York Post/mk) Die besungene Brüderlichkeit unter den Menschen kann und wird es in Wahrheit nur mit einem gemeinsamen Herrn geben. Der Herr wird kommen und sein Reich auf dieser Erde aufrichten.
https://www.soulsaver.de/blog/der-finstere-fuerst-dieser-welt-hat-seine-saenger-wir-sind-groesser-als-jesus-soll-einer-der-beatles-berauscht-von-seinem-ruhm-gesagt-haben/

Christliche Anthropologie

»Christliche Anthropologie macht die biologische, kulturelle und religiöse Anthropologie nicht überflüssig, aber sie läßt sich auch nicht auf jene reduzieren. Daß zwischen den Spiegeln und Masken, in denen Menschen sich begegnen, die harte Wirklichkeit des Gekreuzigten repräsentiert wird, das ist das Besondere an der christlichen Lehre vom Menschen.« Jürgen Moltmann
Vgl.Jürgen Moltmann, Mensch. Christliche Anthropologie in den Konflikten der Gegenwart, Gütersloh 1979, 15-37

„Sprungbrettpredigt“

„Bei der ›Sprungbrett-Predigt‹ liefert der Text nur die Stichworte, die wie leere Gefäße behandelt und mit beliebigem Inhalt gefüllt werden. Ihre Bedeutung im Zusammenhang bleibt unberücksichtigt. Dem biblischen Anspruch: »Predige das Wort!« – und das heißt homiletisch gesprochen: das vorliegende Bibelwort, den konkreten Predigttext! – wird so nicht mehr genügt. Es muss meiner Ansicht nach in aller Klarheit gesagt werden: Der schriftgemäße Charakter einer Predigt entscheidet sich an der einfachen Frage, ob der Prediger seinen Gedankengang von der Schrift bestimmen lässt oder ob er die Schrift nur braucht, um seine eigenen Gedankengänge zu unterstützen. Ob eine Predigt ›schriftgemäß‹ ist, ist mithin eine andere Frage als die, ob ihr Inhalt allgemein biblisch, ›evangelikal‹ und rechtgläubig ist.“
Helge Stadelmann (Prof für PT an der FTH – Freie Theologische Hochschule Gießen

Römerbrief

Man könnte den Nutzen des Römerbriefes für die christliche Erkenntnis ausführlich rühmen. Aber wir wollen darauf verzichten. Denn unsere Rede würde an die Hoheit dieses Briefes bei weitem nicht heranreichen und würde darum nur verdunkelnd wirken. Viel besser empfiehlt der Brief sich selbst beim ersten Blick auf seinen Inhalt. Dieser Inhalt nämlich, den wir sofort darlegen wollen, zeigt neben vielen andern Vorzügen vornehmlich die wunderbare Eigenschaft, dass, wer ihn verstanden hat, eben damit den Schlüssel zu allen verborgenen Schatzkammern der Heiligen Schrift empfängt. Johannes Calvin

Wie viel Heiligung ist optional?

Ich gestehe – “Das ist nicht heilsnotwendig” ist keine Aussage, der ich sympathisch gesonnen bin.  Auf jeden Fall löst sie in mir die unterschiedlichsten Gedanken aus, und zumindest dem bösen Cousin dieses Satzes bin ich recht gram. Nämlich dem, der uns gerne weiß machen möchte, Heiligung hätte Teile, die rein optionaler Natur wären.
Wie viel Heiligung ist also optional? Reicht es, um kein Ehebrecher zu sein, “nur in Gedanken Frauen zu begehren”? Dem widerspricht Jesus in der Bergpredigt. Ich töte ja auch niemanden, wenn ich jemanden “bloß” hasse, oder? Das Urteil über ein solches Verhalten fällt Jesus dabei jedoch deutlich. Vielleicht haben wir das einfach schon zu oft gehört, und sind müde davon, immer wieder mit der Bergpredigt konfrontiert zu werden, deswegen hier zur Erinnerung: “Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.” (Mt. 5,22)
Bekannte Ausflüchte werden wenig nützen: Auch wenn man der Meinung wäre, die Bergpredigt richte sich nur an die Juden, und wäre “etwas, das nicht zum Gnadenbund gehöre” oder man meint,  Jesus kündgte an, dass er selbst die rechte Erfüllung des Gesetzes wäre. Beides Positionen, die ich entweder für falsch oder für unvollständig halte, – aber um des Argumentes willen, lasst uns das so annehmen – das Problem vor dem wir stehen, wäre nur um ein paar Seiten verschoben: Es ist ja bekanntlich der Galaterbrief, der Brief über den Neuen Gnadenbund schlechthin, der uns erinnert, dass alle die, die Werke des Fleisches tun, “das Reich Gottes nicht erben werden” (Gal. 5,21). Betrachten wir einige dieser “Werke des Fleisches”. Da wäre z.B. “Götzendienst”: Wie viel Götzendienst ist ok? Ist Gott mit seinem Volk etwa zufrieden, wenn es die großen Altäre Baals zerbricht, aber die kleinen Skulptürchen, die man unter einem Kamelsattel verstecken kann, könne man behalten? (Vgl. 1 Mo 31,34 mit 1 Mo 35,4). Kann ein “kleiner Götzendiener Gott zufriedenstellen? Vielleicht damit, dass sein Herz zu 80 % Gott dient und zu zwanzig Prozent den modernen Götzen, ob es nun Ruhm, Ehre, Schönheit, Wissen oder sonst was sei? Sollte es wirklich möglich sein, doch zwei Herren zu dienen? Wen anders, als den Gott Israels verachten wir, wenn wir zu Polytheisten verkommen?
Ein anderes Werk des Fleisches ist das “Fressen und Saufen”? Sollte man als “ein bisschen Alkoholiker” also durchkommen können? Oder ist das Fressen am Chinesischen Buffet ok ( – man hat ja schließlich  dafür bezahlt)?
Ich glaube, es ist nicht schwierig, Beispiele dieser Art in Masse zu finden: Was war da schließlich so schlimm daran,  am Sabbat Holz zu sammeln (4 Mo 15,32-36) oder den Namen des Herrn zu missbrauchen (3 Mo 24,22-23) oder sich an ein paar Gütern der Bürger Jerichos zu bedienen (Jos 7)? Doch in allen drei Fällen war eine von Gott angeordnete Steinigung die angemessene Bestrafung. Wie gesagt, wer meint dass es der schreckliche Gott des Alten Testamentes ist, sollte mal wieder die Offenbarung lesen (Wie wäre es mit Offb. 21,8?: “Die Feigen aber und Ungläubigen und Frevler und Mörder und Hurer und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod”).
Das Nachsinnen über den kompromisslosen Gott, der auf hundert Prozent Heiligung, exklusive Hingabe und bedingungslosen Gehorsam besteht, führt mich zu diesen zwei Überlegungen:
a) Gott fordert immer hundert Prozent. Er fordert alles. Er ist heilig. Ein kleiner Götze ist da bereits ein krasser Verstoß gegen das erste Gebot. Ein bisschen Begehren ist bereits ein hochmütiges  Herabstoßen Gottes von seinem Thron (“Ich weiß besser als Gott was ich brauche”). Gott als absolut heilig! Wir sollten lernen dem in die Augen zu blicken, egal wie sehr uns das beschämt.  Aber hier sollten wir auf die andere Seite, nämlich auf uns blicken. Das uns beim Denken an einen Absolut Heiligen Gott ziemlich mulmig zu Mute wird, zeigt ja im Besten Fall, dass wir uns wünschten Gott wäre anders. Immer wenn wir also geneigt sind, Gottes Gebote etwas abzumildern, möchten wir eigentlich nichts anderes, als einen Gott mit anderen Geboten. Einen anderen Gott, einen der uns mehr zu sagt.  Klar ist auch der Feind und seine Verführungen hier beteiligt, aber auch unser Fleisch reizt uns zu einem Misstrauen gegenüber dem Gott, der da ist. Wir sehen in seinen Geboten nicht Richtlinien eines liebenden Vaters, sondern unberechtigte Ansprüche eines unbarmherzigen Tyrannen. Verschiedene Tücken lauern denke ich gerade an dieser Stellemin unserem Herzen.  Wenn uns Gott (wieder mal) hart, unbarmherzig vorkommen sollte, ist das ein guter Grund innezuhalten und seine Motive zu hinterfragen.
b) Das Gott immer berechtigten Anspruch auf hundert Prozent hat, lässt einen auch einen ziemlich ernüchternden Blick auf sich selbst werfen: Wie oft wurde das Befehl des einen ewigen Königs nicht nur ignoriert, sondern bewusst gebrochen? In Röm. 7 klagt Paulus zurecht: “Ich lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, wurde die Sünde lebendig,” (Röm 7,9) – ja lebendig wurde die Sünde in mir und so starb und sterbe ich tausend Tode vor der Ahnung des rechtmäßigen Urteils Gottes. Nicht das Gesetz Gottes, das heilig, gut und gerecht ist (Röm 7,12) ist mein Problem, sondern meine Rebellion, die mich ins Elend stürzt. Und gerade hier erblicke ich nun eine bessere Hoffnung:  “Denn das Gesetz brachte nichts zur Vollendung –, und eingeführt wird eine bessere Hoffnung, durch die wir Gott nahen.” (Heb. 7,19).
Oder um es mit dem Römerbrief auszudrücken: “Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: Er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, 4 damit die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, in uns erfüllt werde, die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.” (Röm 8,3-4)
Alles in meinem Versagen gegenüber Gottes absolut heiligem, guten und gerechtem Gesetz schreit nach Erlösung und weil ich mich nicht selbst erlösen kann, kommt Christus, erfüllt das Gesetz nicht nur auf völlige, perfekte Weise, nein er nimmt die Strafe, die ich für meine Übertretung verdiene, auf sich selbst. Worauf ich hinaus will: Je mehr ich auf den absoluten Anspruch Gottes blicke, desto größer wird meine Sehnsucht nach einem Erlöser. Je mehr ich aber auf diesen Erlöser, diesen einen Mittler zwischen Gott und Mensch blicke, desto mehr traue ich mich wiederum auf das Gesetz Gottes zu blicken. Als ich zu Jesus kam, ja vielmehr als Jesus mich verlorenes Schaf rettete, war mir noch gar nicht klar, wie schlimm es wirklich um mich steht. Und so ergänzt und befeuert der Blick auf das Gesetz, den Blick auf den Erlöser und umgekehrt. Doch es geschieht noch viel mehr: Meine Beziehung zum Gesetz Gottes wird verändert. Als Kind Gottes, weiß ich, dass durch den Glauben das Gesetz nicht aufgehoben, sondern vielmehr aufgerichtet wird (Röm 3,31). Durch Christus befreit kann ich nun dem Gesetz des Geistes dienen und bin vom Fluch des Gesetzes des Buchstabens befreit (Röm 7,6).
Es fällt mir nicht so leicht, die absoluten Forderungen des Gesetzes einerseits  nicht durch einen vermeintlichen  Blick auf die Gnade zu einer Gesetzlosigkeit verkommen zu lassen, und andererseits nicht durch einen Blick bloß auf das Gesetz zu einem ungeistlichen (= nicht vom Geist Gottes gewirkten) Perfektionismus verkommen zu lassen. Beides macht Abstriche: Abstriche an den Ansprüchen Gottes wie an dem Werk Christi.  Ich glaube eine sehr ausgewogene Position nimmt der Heidelberger Katechismus in Frage 115 ein, nachdem er in Frage 114 aufklärt, dass wir im Halten der Gebote Gottes nicht über “einen geringen Anfang dieses Gehorsams” hinauskommen:
Frage 115. Warum lässt uns Gott dann die Zehn Gebote so eindringlich predigen, obwohl sie in diesem Leben niemand halten kann? – Erstens, damit wir unser ganzes Leben lang unsere sündige Art immer deutlicher erkennen und umso begieriger Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit in Christus
suchen (1Joh 1,9; Ps 32,5; Röm 7,24–25). Zweitens, damit wir uns ohne Unterlass bemühen und Gott um die Gnade des Heiligen Geistes bitten, damit wir immer mehr zum Ebenbild Gottes erneuert werden, bis wir nach diesem Leben das Ziel der Vollkommenheit erreichen
Veröffentlicht am 18. August 2021 von Sergej Pauli
https://www.glaubend.de/wie-viel-heiligung-ist-optional/

REGENBOGEN


Unsere Welt ist voller Zeichen und Symbole. Manche benutzen sie, um ihre politische Gesinnung zu bekunden. Andere zeigen, zu welchem Fußballclub sie halten. Wieder andere haben das Bedürfnis ihre sexuelle Orientierung der Öffentlichkeit mitzuteilen. Sie verwenden dazu die Farben des Regenbogens – auch als eine Art Kriegssymbol gegen diejenigen, die das nicht so gut finden. Wer sich an die Schöpfungsordnung Gottes – ein Mann und eine Frau – hält und das auch noch laut sagt, bekommt es unter Umständen mit den Regenbogen-Kampfgruppen zu tun. Evangelische „Kirchenfunktionäre“ belassen es nicht bei ihrer grellbunten Anbiederung, sondern üben mit ihrem Lieblingsthema „Homosexualität“ zunehmend Druck auf christliche Gemeinden, besonders auf Kirchenangestellte aus.
Der Erfinder hat den Regenbogen jedoch als Zeichen des Friedens an den Himmel gehängt. Der Bogen war früher eine wichtige Waffe im Krieg. Gott legte nach der Sintflut das Kriegsgerät beiseite. Auch wenn der Mensch immer wieder Krieg gegen Gott führt und den Bogen überspannt, rüstet Gott einseitig ab.
Und ich sichere euch zu: Nie wieder werde ich das Leben durch eine Wasserflut vernichten. Nie mehr wird eine Flut die Erde zerstören. Dieser Bund zwischen mir und euch gilt jeder kommenden Generation und jedem Lebewesen bei euch. Und als Zeichen dafür setze ich meinen Bogen in die Wolken. (1. Mose 9,11-13 / NeÜ)
Die Sintflut am Anfang ist ein Vorbild für das Weltgericht am Ende. Was für Noah der Regenbogen war, ist heute für die Menschheit das Kreuz von Jesus Christus. Gott hat die Strafe, die der Mensch sich redlich verdient hat, gegen sich selber gerichtet. Am Kreuz wird der Regenbogen zur Brücke über die unüberwindbare Kluft – die Sünde. Deshalb wird Jesus in der Bibel auch „Pontifex“, also Brückenbauer (Hebräer 5,1-6) genannt. Jesus hat die Brücke von Gott zu uns Menschen gebaut. Jeder Regenbogen ist eine wunderbare Erinnerung und zugleich deutliche Mahnung. Lu†z Scheufler Quelle: FB 210821

Ermordet in Kabul

Im Frühjahr 2017 erhielt ich die Einladung zu einer Trauerfeier für Simone Beck. Simone war Missionarin und brach 2003 nach Afghanistan auf, um dort als Lehrerin und Spracherkunderin zu arbeiten. Ihre Liebe zu Jesus Christus und den Menschen in dem fernen Land kostete sie das Leben. Am 20. Mai 2017 wurde sie in Kabul brutal ermordet.Schwester Heidemarie Führer, Diakonisse der Aidlinger Schwesternschaft, hat mit ihrem Buch einen berührenden und aufrüttelnden Lebensbericht vorgelegt. Sie kannte Simone nicht persönlich, hat aber akribisch Briefe, E-Mails, Fotos und sonstige Dokumente ausgewertet und sich mit Simones Familie und anderen wichtigen Kontaktpersonen eingehend ausgetauscht. Herausgekommen ist ein gut lesbarer Band über eine alleinstehende Frau, die in einem islamischen Land für die Weitergabe des Evangeliums alles gegeben hat.

Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht

Schon als kleines Mädchen wollte Simone Missionarin werden. Sie glaubte an die Gute Nachricht und wollte möglichst vielen Menschen davon erzählen, dass Jesus der Retter ist. Ihr Konfirmationsspruch aus Römer 1,16 begleitete sie ihr ganzes Leben (vgl. S. 21): „Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben.“

Obwohl Simone zu den besten Schülern gehörte, ging sie nach der 10. Klasse vom Gymnasium ab. Sie ließ sich auf einer Fachschule für Sozialpädagogik als Erzieherin ausbilden (vgl. S. 22). Durch Freunde lernte sie bald das Werk Operation Mobilisation (OM) kennen und entschied sich für einen zweijährigen Einsatz auf dem Missionsschiff Doulos (vgl. S. 23–68). In einem Brief aus dem Jahre 1997 äußert sich Simone zur gedrängten und doch bereichernden Lebensgemeinschaft auf dem Schiff. Ihre Worte lassen erkennen, dass sie eine gute Beobachterin war:

„Manchmal habe ich eine gute Beziehung zu einer Freundin entwickelt, gerade bevor sie die Doulos wieder verlässt; das liegt eben in der Natur des Schiffslebens. Auch sonst ist es ein einzigartiger Platz zum Leben, fern von allem, was normalerweise das Leben ausmacht. Wertvorstellungen werden völlig verschoben, das Materielle verliert mehr und mehr an Bedeutung. An Bord werden zum Beispiel jedes Jahr etwa 200 bis 250 Paar Schuhe geflickt. Wer braucht schon neue Schuhe! Die geflickten halten noch lange. Aber vor allem ist es das intensive Zusammenleben mit so vielen Menschen auf engem Raum, wodurch ein hohes Konfliktpotenzial entsteht. Und es ermöglicht, sich und andere wirklich auf eine tiefere Weise kennenzulernen und sie so zu akzeptieren, wie sie sind. Im Grunde ist die Doulos-Gemeinschaft eine behütete Insel, abgeschirmt von den Problemen des normalen Lebens. Es ist schon etwas Besonderes, mit so vielen Christen zusammenzuleben, Gespräche über Gott und unseren Glauben ergeben sich immer wieder wie selbstverständlich: das ist für mich eine große Bereicherung.“ (S. 44)

Zeit, um Steine zu sammeln

Nach ihrem strapaziösen OM-Einsatz brauchte Simone dringend Erholung. In dem beschaulichen Dettingen fand sie den nötigen Rückzugsraum im Haus ihrer Eltern. Allerdings war der Kulturschock für die Familie herausfordernd. Simone kam mit der Stille und der Sauberkeit zunächst nicht klar. Noch immer hörte sie das „Stampfen der Schiffsmotoren“ und das „Plätschern des Wassers an der Schiffswand“ (S. 68). Langsam erholte sie sich freilich und konnte im September 1998 eine Ausbildung am Neues Leben-Seminar im Westerwald starten (heute TSR). Noch vom Schiff aus hatte sie sich dort beworben und ihren Freunden geschrieben: „Dort werde ich vier Jahre lernen, um für einen langzeitigen Dienst in der Mission ausgerüstet zu werden … Betet, dass ich mich gut einlebe und dass ich Gottes Führung in meinem Leben erkenne, Schritt für Schritt“ (S. 68).

Während des Studiums kristallisierte sich heraus, dass Simone der Umgang mit Sprachen viel Freude bereitet. Nicht nur deshalb führte sie das Studium am Martin Bucer Seminar (MBS) in Bonn weiter. Ihre Abschlussarbeit dort trug den Titel „Ein Gedicht über die Größe Gottes, eine Exegese über Jesaja 40,12–31“. Da ich Zugang zum Archiv habe, konnte ich die Abhandlung einsehen. Einige Zitate aus ihrem Fazit signalisieren mehr als eine gute theologische Auffassungsgabe. Die Aussagen, die sie macht, habe in ihrem Leben sichtbare Prägekraft entfaltet:

„Gott ist mit seiner Macht, Kraft und Größe den irdischen Machthaber unendlich überlegen. […] Gott ist nicht ohne seine Heiligkeit denkbar und er fordert auch ein heiliges Leben von denen, die zu ihm gehören. […]  Gott ist viel größer als das Universum und alles, was er geschaffen hat. […] Gott will sich in seiner Größe dem Menschen zuwenden, auch wenn er seine Hilfe hinauszögert – sei es aus pädagogischen oder anderen Gründen, für die Gott in seiner Größe und Souveränität vor dem Menschen keine Rechenschaft ablegen muss. […] Gott ist ewig und er herrscht souverän in Ewigkeit. […] Gottes wahre Größe zeigt sich daran, dass er sich klein macht und Menschen an seiner Größe und Kraft teilhaben lässt. Diese Kraft erhält der Mensch, wenn er auf Gott hofft, sein Leben auf ihn ausrichtet; gemeint ist ein aktives und gespanntes Warten auf Gottes Eingreifen in persönlicher Not und in der Not des gesamten Volkes.“ (S. 108)

Zeit, um Steine zu werfen

Ab dem 7. Kapitel beschreibt Schwester Führer die Zeit in Afghanistan. Was Simone dort geleistet hat, wird nur nachvollziehen können, wer selbst unter vergleichbaren Umständen gelebt hat. Immer wieder klingt durch, wie fordernd der Alltag gewesen ist. Wir erfahren, wie vertrackt die Trinkwasserversorgung mitunter war. Besonders während ihrer Zeit in Nordafghanistan auf 3000 Meter Höhe wurde die Kälte zu einer seelischen und körperlichen Belastung. „Die Fensterscheiben in Simones Zimmer waren meistens von innen gefroren. Sie hatte oft Frostbeulen an den Händen, da sie zudem wenig heizte, oder besser: es sowieso nicht richtig warm wurde, auch wenn der Ofen brannte“ (S. 173). Simones Alltag war streng durchgeplant. So stand sie von Frühling bis Herbst 4.30 Uhr auf, um sich mit einem Morgenlauf am Fluss fitzuhalten.

„Es ist eine Stärke des Buches, dass es die Leser mit den Entbehrungen und Kämpfen konfrontiert, die Missionare im Verborgenen auszuhalten haben.“

Nachdem sie im März 2004 ihren Sprachkurs erfolgreich beendet hatte, wurde sie zur Leiterin der Schule in Kabul berufen. „Sie arbeite mit Lehrern und Schülern intensiv an der Verbesserung der Qualität des Unterrichts“ (S. 101). Ihr eigentliches Ziel, nämlich mit einem Volk zu arbeiten, das eine ungeschriebene Sprache spricht, verlor sie dabei nicht aus den Augen. Es gibt derzeit in Afghanistan noch dreißig bis vierzig Sprachen ohne Schrift. Gern wollte sie für eine dieser Sprachen eine Grammatik, ein Alphabet und die Rechtschreibung entwickeln, um anschließend die Bibel übersetzen zu können. Dafür musste sie zunächst die Landessprache als sogenannte „Mittel-Sprache“ in ihren feinsten Nuancen beherrschen (vgl. S. 102).

Das Leben auf dem Dach der Welt

Von Oktober bis Dezember 2006 nahm Simone an einer Weiterbildung für Spracherkundung teil, um sich auf einen Einsatz in einer entlegenen Gegend vorzubereiten. Ab 2007 gehörte sie zu einem kleinen Team, das sich in Faizabad, einer Provinzhauptstadt im Norden des Landes, niederließ. Sie freute sich sehr über Daniela, die sie dafür gewinnen konnte, in dem Spracherkundungsprojekt mitzuarbeiten. Sie beschlossen, die Arbeit in einem Khiva-Dorf, dass eine Tagesreise von Faizabad entfernt lag, aufzunehmen. Am Ostersonntag 2009 trafen sie dort ein. Simone begann als erste Ausländerin die Khiva-Sprache zu erlernen. „Eine ziemlich komplexe und schwierige Sprache, die nicht mit Dari zu vergleichen war“ (S. 145).

Das Ringen um die Kontextualisierung

Schwester Führer schildert das ehrliche Ringen um den angemessenen Kontextualisierungsansatz vor Ort. Es gab und gibt sehr unterschiedliche Sichtweisen im Blick auf das christliche Zeugnis in der islamischen Welt. Einige Christen sind sehr offensiv und riskieren dabei, dass Einheimische, die sich bekehren, von ihrem Familien verstoßen werden und sie selbst das Land verlassen müssen. Andere sind sehr zurückhaltend, was das Zeugnis anbetrifft. Das erhöht die Chancen dafür, länger im Land bleiben zu dürfen, schmälert indessen die missionarische Ausstrahlungskraft. Simone arbeitete für eine christliche Organisation, um die Botschaft von Jesus weiterzugeben. Andererseits hatte sie im Land den Status als Entwicklungshelferin und war damit beauftragt, einem Stamm die Schriftsprache zu bringen. Ein Mitarbeiter des Teams befürchtete, dass das offene Zeugnis für Jesus Unfrieden in dem sowieso schon zerrissenen Land förderte. Simone und anderen Mitarbeiter wollten im persönlichen Gespräch das Evangelium mutig und zugleich freundlich bezeugen. Es war nicht einfach, diese Spannung auszuhalten. In einem Rundbrief schrieb Simone dazu: „Der Brückenschlag zwischen beiden Anliegen ist manchmal mühsam, denn mir liegt beides am Herzen: dass den Menschen praktisch geholfen wird und sie Leselernmaterial in ihrer Muttersprache erhalten, und ebenso, dass sie einmal Gottes Wort in der Sprache ihres Herzens zur Verfügung haben“ (S. 154).

Stichflammen der Anfechtung

Es ist eine Stärke des Buches, dass es die Leser mit den Entbehrungen und Kämpfen konfrontiert, die Missionare im Verborgenen auszuhalten haben. Auf Simone warteten viele Prüfungen. Zu dem Gedicht „Die Nacht ist vorgedrungen“ von Jochen Klepper notierte sie: „Wir wünschen uns sehr, dass auch die Khiva erfahren, dass Gott sie vom Dunkel ins Licht führt, dass ihre Rettung von Gottes Angesicht herkommt! Manchmal scheint die Dunkelheit hier überwältigend“ (S. 175). Nicht nur körperliche und seelische Erschöpfung und menschliche Konflikte führten Simone an ihre Grenzen. Wiederholt klopften Selbstzweifel bei ihr an:

„Stichflammen der Anfechtung und des Zweifels züngelten aus der Tiefe ihrer Seele immer wieder herauf und wollten ihren Glauben versengen: War alles, alles umsonst? Was habe ich falsch gemacht? War ich zu ungeschickt, die wichtigen Leute zu überzeugen? War ich am falschen Ort? Wegen äußerer Umstände musste ich mein Tal verlassen. Ich habe nichts zu Ende gebracht. Habe ich mich getäuscht in der Einschätzung der Lage? Habe ich versagt? Warum hilft mir Gott nicht? Warum bin ich nicht nach meiner Geburt gestorben? Wofür habe ich so gekämpft? Ich bin ausgelaugt, zerbrochen in tausend Stücke …“ (S. 184)

Es lohnt sich, für Christus zu leben und zu sterben

Irgendwann musste Simone das Tal wegen zunehmender logistischer und behördlicher Probleme sowie Kraftlosigkeit verlassen. Ab 2015 pendelte sie zwischen Deutschland, wo sie unterrichtete, und Kabul sowie dem Khiva-Tal, hin und her. So gern hätte sie die Spracherkundung und eine Bibelübersetzung erfolgreich abgeschlossen. Sie wurde einmal gefragt: „Warum lohnt es sich, sich auch dann für Jesus einzusetzen, wenn es gefährlich oder scheinbar fruchlos ist?“ Sie antwortet: „Weil Jesus Christus alles in allem ist und weil es sich lohnt, mit ihm zu leben und mit ihm zu sterben – egal, wo“ (S. 188).

Am Abend des 20. Mai 2017 machten sich Mitarbeiterinnen in ihrem Camp Sorgen, da Simone telefonisch nicht erreichbar war. Sie beschlossen, sie in ihrer kleinen Wohnung in Kabul, die nicht weit entfernt lag, aufzusuchen. Die Eingangstür stand offen. Simone lag leblos auf dem Boden in ihrem Blut. Ihre Kollegin wurde von den Tätern verschleppt. Nachdem sie später freikam, berichtete sie, dass Simone vor ihrer Hinrichtung dreimal den Namen „Jesus!“ ausgerufen hatte (vgl. S. 196). Simone wurde 44 Jahre alt. Die entsetzliche Gewalttat ist bis heute nicht aufgeklärt.
Ich wünsche diesem wunderbaren Buch eine weite Verbreitung. Die Schilderung von Simones Leben und die eingestreuten authentischen Zitate und Zeugnisse haben die Kraft, den Glauben an Christus und die Leidenschaft für die Verkündigung seines Wortes unter allen Völkern zu fördern.

Ermordet in Kabul Rezension von Ron Kubsch
3. Februar 2021 — 13 Min Lesedauer

Sr. Heidemarie Führer. Ermordet in Kabul: Vom Leben, Glauben und Kämpfen der Simone Beck. Holzgerlinen: SCM, 2021, 222 Seiten, 18,99 Euro.
Es handelt sich um eine leicht gekürzte Buchbesprechung. Die vollständige Rezension soll in der Ausgabe 2/2021 der Zeitschrift Glauben und Denken heute erscheinen.
https://www.evangelium21.net/media/2547/ermordet-in-kabul


Ein Leserbrief in der FAZ zum Thema „gendern“

Ein exzellenter Leserbrief in der FAZ zum Thema „gendern“. Sehr lesenswert!“In der deutschen Sprache gibt es ein natürliches Geschlecht (Sexus) und ein grammatisches Geschlecht (Genus). Beides wird von feministischen Linguistinnen gerne verwechselt, um nicht zu sagen: wild durcheinandergeworfen. Dabei können auch sprachwissenschaftliche Laien, wenn ihr Blick nicht ideologisch getrübt ist, den Unterschied leicht erkennen.Erstens nämlich gibt es drei Genusformen (maskulin, feminin, neutrum), aber nur zwei biologische Geschlechter (männlich und weiblich). Zweitens wird das Genus auch für Objekte ohne jede erkennbare Parallele zum natürlichen Geschlecht verwendet: der Herd, die Straße oder das Buch. Auch dass der Busen maskulin, die Eichel feminin und das Glied neutrum sind, beruht ganz offensichtlich nicht auf irgendwelchen biologischen Hintergründen. Ähnlich verhält es sich z. B. mit der Leser oder der Kunde. Während der Genus übergeschlechtlich verwendet wird (der Gast, der Mensch, die Person, die Waise, das Kind, das Individuum), stellt der Sexus eine weitere Aufsplitterung in männlich und weiblich dar. Wir haben es hier mit etwas zu tun, was man in der Sprachwissenschaft „Synonymie“ nennt. Synonyme sind gleichlautende Wörter, die aber unterschiedliche Dinge meinen. Ein „Flügel“ kann beispielsweise der Teil eines Vogels sein, der Teil einer Fußballmannschaft oder ein Klavier. Manchmal sind diese Synonyme nicht so leicht auseinanderzuhalten, und da kommt es dann zu Missverständnissen wie in der feministischen Sprachwissenschaft. „Kunden“ kann nämlich ebenfalls zweierlei bedeuten: „Menschen, die einkaufen“ ebenso wie „Männer, die einkaufen“. Indem Sprachkritiker*innen behaupten, mit „Kunden“ seien nur Männer gemeint, erzeugen sie den Eindruck, Frauen würden sprachlich unterdrückt. Sie richten sich nicht danach, was Menschen meinen, wenn sie etwas sagen, sondern danach, was sie ihnen unterstellen, was sie meinen: „Sie reden ja nur von den Männern! Uns Frauen lassen Sie mal wieder unter den Tisch fallen!“ Aber das ist ebenso Nerv tötend wie falsch. Auch sorgt der Artikel im Singular mit dem grammatischen Geschlecht für den Unterschied zwischen der (frohen) Kunde und dem Kunden sowie der Leiter und dem Leiter…Aus eben den soeben erklärten Gründen sind 99 Lehrerinnen und ein Lehrer zusammen hundert Lehrer: Es wird nämlich der grammatikalische Oberbegriff verwendet, sobald eine auch nur irgendwie gemischte Gruppe besteht. Ohne einen solchen Oberbegriff, der für beide Geschlechter gilt, würden sich bestimmte Sachverhalte auch überhaupt nicht formulieren lassen (etwa „Jeder dritte Unternehmer in Österreich ist eine Frau.“ oder „Wir kennen nicht mal das Geschlecht des Verdächtigen.“) Ein „Tag“ mit seinen 24 Stunden besteht aus Tag und Nacht, genauso wie „der Kunde“ männlich oder weiblich sein kann – unabhängig von seinem grammatischen Geschlecht. Ähnlich verhält es sich mit „die Katze“: Die weibliche Form steht als Oberbegriff sowohl für das weibliche Tier als auch für das männliche, das wir, wenn wir es genauer spezifizieren möchten, als „der Kater“ bezeichnen (so wie „der Kunde“, wenn weiblich, zu „die Kundin“ wird). Zu behaupten mit „der Kunde“ seien nur Männer gemeint, allein weil „der“ davorsteht, ist grammatisch ungefähr so durchdacht wie es die Argumentation ist, mit „die Kunden“ seien offenbar nur Frauen gemeint, weil „die“ davorsteht. In Wahrheit drückt natürlich keiner der beiden Artikel den Sexus aus: „die“ bezieht sich auf die Pluralform, „der“ auf den Genus. Erst durch die konsequente Doppelbenennung in der feministischen Sprache „die Kunden und Kundinnen“ wird der Sexismus in die Sprache eingeführt, wo er vorher durch den geschlechtsunabhängigen Oberbegriff nicht vorhanden war.Im Übrigen bin ich öfter mal „die Vertretung“ für einen Kollegen. Ist kein Problem für mich. Aber ich kenne auch den Unterschied zwischen Genus und Sexus. Und ehrlich gesagt, möchte ich nicht so gerne ein Vertreter, ein Klinkenputzer sein… Aber ein Mann, der allen Frauen mit Respekt auf Augenhöhe gerne begegnet und hofft, dass alsbald keine Lohn-/Gehaltsdifferenz zwischen den Geschlechtern mehr besteht. Denn nur damit unterstützen wir die Emanzipation – nicht aber mit umständlichem Gender-Sprich-und-Schreib-Stil.“Danke für die Weiterleitung liebe Kollegin!🙏
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Das Trauerspiel von Afghanistan von Theodor Fontane (1819-1898)

Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
„Wer da!“ – „Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan.“
Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.
Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:
„Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.
Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.“
Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all‘,
Sir Robert sprach: „Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.
Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So lasst sie’s hören, dass wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!“
Da huben sie an und sie wurden’s nicht müd‘,
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.
Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.
„Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan.“