Der „bewohnbare“ Planet ist ein Rechenergebnis
(25. April 2007/rh.) – Die menschliche Sehnsucht nach einer anderen Erde muss gross sein. Die Entdeckung eines möglicherweise lebensfreundlichen Planeten macht Schlagzeilen. Das Schweizer Boulevard-Blatt „Blick“ meldete gar: „Sensation! Neue Erde entdeckt!“. So weit ist es aber noch lange nicht.
Ein Team schweizerischer, französischer und portugiesischer Astronomen meldet die Entdeckung des bislang erdähnlichsten Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems. Der Exoplanet hat einen um 50 Prozent grösseren Radius als die Erde und könnte flüssiges Wasser haben.
Der Planet ist der bislang kleinste seiner Art. Er umkreist seine Sonne, einen roten Zwerg namens Gliese 581, in 13 Tagen und ist ihr 14-mal näher als die Erde der Sonne. Weil Gliese 581 aber kleiner und kälter ist, liegt sein Planet trotzdem in einer Zone, in der Wasser in flüssiger Form vorkommen könnte.
Stéphane Udry vom Genfer Observatorium schätzt, dass die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten zwischen 0 und 40 Grad Celsius liegt, was fliessendes Wasser möglich mache. Wie die Oberfläche der „neuen Erde“ wirklich beschaffen ist, weiss aber niemand. Aufgrund der Modellberechnungen könnte sie entweder felsig oder mit Meeren überdeckt ist.
Der Stern Gliese 581 zählt zu den 100 erdnahesten Sonnen und liegt rund 20 Lichtjahre entfernt im Sternbild Waage. Mit anderen Worten: Selbst das Licht benötigt über 20 Jahre für die rund 200 Billionen Kilometer.
Vor zwei Jahren schon fanden dieselben Astronomen bei Gliese 581 einen Planeten, der mit 15 Erdmassen dem Neptun ähnelt und der seinen Heimatstern in 5,4 Tagen umrundet. Und bereits haben sie erste Hinweise auf einen dritten Planeten von 8 Erdmassen und einer Umlaufzeit von 84 Tagen.
Die Planetenentdeckung gelang mit dem System HARPS (High Accuracy Radial Velocity for Planetary Searcher), einem High-Tech-Spektrografen. Er ist gekoppelt mit dem 3,6-Meter-Superteleskop mit Standort im chilenischen La Silla. HARPS vermag Geschwindigkeiten zu messen mit einer Genauigkeit von mehr als einem Meter pro Sekunde (oder 3,6 km/h).
Die reisserischen Titel in der populären Presse täuschen. Der angeblich erdähnliche Planet wurde noch nie gesehen. Die Beobachtungsmethode basiert auf dem sogenannten Wobble-Verfahren. Schaukelbewegungen des Sterns haben die Anwesenheit eines Planeten verraten. Diese Bewegungen können gemessen werden. Sie ergeben sich aus Veränderungen der Geschwindigkeit des Zentralgestirns im Zusammenhang mit der Anziehungskraft eines (unsichtbaren) Planeten. Aus diesen Geschwindigkeitsschwankungen wird die Umlaufbahn des Planeten abgeleitet, dazu seine Umlaufzeit, der Abstand zum Zentralgestirn sowie seine Mindest-Masse. Inzwischen sind mit diesem Verfahren 200 Exoplaneten ausgemacht worden, aber nur 17 davon konnten durch weitere Messverfahren bestätigt werden.
Die Existenz von flüssigem Wasser bei ausgeglichenen Temperaturen ist für die Wissenschaft hochspannend. Ein solches Umfeld gilt als wichtigste Voraussetzung für die Entstehung von Leben. Allerdings reichen Wasser und angenehme Temperatur noch nicht. Elemente wie Kohlenstoff und Stickstoff gehören auch dazu. Und wie entsteht dann Leben? Der französische Planetenforscher Thierry Forveille gegenüber „Spiegel online“: „Dann braucht man noch einen Auslösemechanismus für die Entstehung von Leben – von dem niemand weiss, wie er aussieht.“
Auch wenn die Medien bereits die Entdeckung einer neuen Erde vermelden, sind dennoch alle diesbezüglichen Angaben mit grosser Zurückhaltung zu geniessen. Bei den Grössen- und Gewichtsangaben handelt es sich ausschliesslich um Schätzungen aufgrund von Rechenmodellen. In Simulationen wurden die Atmosphären solcher Planeten durchgespielt und festgehalten und jetzt mit den Angaben über Giese 581 verglichen. Der Planet selbst wurde – wie erwähnt – noch gar nicht gesehen.
Doch erst die direkte Beobachtung des Lichtspektrums des Planeten würde die chemische Zusammensetzung seiner Atmosphäre verraten und damit bessere Hinweise auf die Möglichkeit von Leben liefern. Mit den aktuell zur Verfügung stehenden Instrumenten ist dies aber nicht möglich. Gegenüber „Spiegel online“ gab Astronom Forveille zu, sie wüssten „noch nicht einmal mit letzter Sicherheit, ob tatsächlich flüssiges Wasser auf dem Planeten existiert“.
Solcher Aussagen ungeachtet titelten die Medien „Forscher melden Entdeckung eines bewohnbaren Planeten“ oder der „Blick“ textete: „Sensation! Schweizer Forscher entdeckt neue Erde!“ Das ist nun doch weit aus dem Fenster gelehnt. Im Vorspann wird dann deutlich, worauf das Boulevard-Blatt anspielt: „Wir sind nicht verloren! Wenn alles schief geht, haben wir eine Ersatzerde! Ein Genfer Forscher entdeckt eine neue Welt.“
Wer tatsächlich davon ausgeht, dass diese Welt verloren ist, der sollte seine Suche nach Errettung nicht an einem anderen Planeten festmachen. Eine solche Hoffnung wäre auf Sand gebaut. Die Hoffnung auf Errettung heisst nicht Giese 581, sondern Jesus Christus.
http://www.factum-magazin.ch/wFactum_de/aktuell/2007_04_25_Planet_Giese_581.php